Inzwischen sind die Ambitionen des Gerichtshofes bis heute weiter angewachsen. Er hat sich zum Flaggschiff der europäischen Föderationsbestrebungen ernannt. Dies geht aus den Äußerungen des Vorsitzenden des Gerichtshofes der Europäischen Union über das am 16. Februar zu erwartende Urteil hervor, das das Gremium in dem durch Polen und Ungarn initiierten Verfahren fällen wird. Die Erklärungen des Vorsitzenden des Gerichtshofes werden wichtige Dokumente der Geschichte der Europäischen Union sein.
Der Gerichtshof der Europäischen Union verkündet am 16. April das Urteil darüber, ob man die den Mitgliedsstaaten zustehenden Finanzquellen an politische und ideologische Voraussetzungen knüpfen kann.
Die Äußerungen des Oberrichters lassen nicht viele Zweifel darüber zu, was für eine Entscheidung zu erwarten ist. Laut dem Vorsitzenden des Gerichtshofes müssen die Luxemburger Richter auch gar nicht über die ihnen vorliegende Angelegenheit, sondern über die Zukunft der europäischen Integration entscheiden. An anderer Stelle hat er auch deutlich gemacht, dass das Urteil als Grundlage für die nächste Phase der Integration dienen wird.
Aus dem Urteil vom 16. Februar werden wir also erfahren, dass der Gerichtshof ein föderales Europa für wünschenswert hält. Das ist keine große Überraschung. Der Gerichtshof hat immer, wenn er die Maschinerie der europäischen Integration steckenbleiben sah, die EU immer in die Richtung der föderalen Einrichtung geschubst: Er hat seine Zuständigkeiten bewusst erweitert und die Bastionen der Souveränität der Mitgliedsstaaten untergraben. Diese Entscheidungen sind in Wirklichkeit keine juristischen, sondern politische Entscheidungen, bei denen das Recht nur das Instrument der Vollstreckung des politischen Willens ist. Die Stimme kann Jakobs Stimme sein, doch die Hände sind Esaus Hände.
Diese Erfahrung wirft aber eine grundlege Frage auf. Wer sind denn die wahren Herren der europäischen Integration?
Für den Gerichtshof geht das Ziel der möglichst engen europäischen Integration allen anderen Gesichtspunkten und Werten voraus. Sie sind der Ansicht, dass die Richter und das Gericht an die Stelle der politischen Entscheidungsträger treten können. Sie sind der Ansicht, dass sie nicht nur das Recht anwenden, sondern es auch bilden, entwickeln dürfen. Sie sind der Ansicht, sie könnten die Mitgliedsstaaten auch dazu zwingen, in die nächste Phase der Integration zu treten. Sie sind der Ansicht, sie könnten die Mitgliedsstaaten auf jenen Gebieten der Vormundschaft der Institutionen der EU unterstellen, auf denen die EU über keine Zuständigkeiten verfügt. Sie sind der Ansicht, im Interesse dessen sei auch eine budgetäre Erpressung einsetzbar.
Wir sind aber der Ansicht, dass die Herren über die Zukunft der europäischen Integration die Mitgliedsstaaten und die Bürger der Mitgliedsstaaten sind. Wir sind die Quellen und endgültigen Treuhänder unserer gemeinsamen europäischen Werte. Wir sind der Ansicht, dass allein die Mitgliedsstaaten und ihre Bürger darüber entscheiden können, wie sie kooperieren möchten und welche Zuständigkeiten sie gemeinsam auszuüben wünschen. Wir sind der Ansicht, dass der Gerichtshof uns nicht unserer grundlegenden Rechte berauben darf. Wir sind der Ansicht, dass der Gerichtshof nicht aus dem Nichts neue EU-Zuständigkeiten erschaffen darf.
In dieser Auseinandersetzung sind wir in einer benachteiligten Lage. Das EU-Recht gibt uns kein Instrument in die Hand, das wir gegen die politischen Entscheidungen des Gerichtshofes und die schleichende Erweiterung der Kompetenzen nutzen könnten. Deshalb müssen die Mitgliedsstaaten gemeinsam im Interesse des Schutzes ihrer Rechte auftreten.
Die Mitgliedsstaaten dürfen nicht akzeptieren, dass der Gerichtshof der Europäischen Union anstelle der Völker und der Regierungen der Mitgliedsstaaten politische Entscheidungen trifft. Dies ist nicht nur die Angelegenheit von Polen und Ungarn, das ist die gemeinsame Angelegenheit aller europäischer Bürger und Mitgliedsstaaten. Aufgewacht!