Zsolt Bayer: Herr Ministerpräsident, nach den Parlamentswahlen 2010 stammte der unsterbliche Spruch von Tamás Deutsch, laut dem nach den Wahlen die Sieger Witze erzählen und die Verlierer analysieren. Haben Sie einen guten Witz?
Ich möchte gerne nach Hause gehen. Bei jedem Wahlkampf ist es gut, wenn er vorbei ist, wir endlich das Ergebnis sehen und endlich durchatmen können. Die Menschen sehen es vielleicht weniger, doch in den vergangenen Wochen haben zehntausende von Aktivisten, von freiwilligen Helfern Tag und Nacht gearbeitet. Die hohe Wahlbeteiligung hat nicht einfach nur so der Wind zur Tür hereingeblasen, wir haben für sie hart arbeiten müssen. In Ungarn haben noch nie so viele Menschen an einer Wahl zum Europäischen Parlament teilgenommen, und das ist zu einem ansehnlichen Maß dem zu verdanken, dass wir einander überzeugt haben, wir, die in das bürgerliche, nationale und christliche Ungarn verliebt sind, wir haben uns also gegenseitig davon überzeugt, dass dies eine europäische Wahl ist, doch geht es bei ihr um unsere Heimat, wir müssen also hingehen, und wie ich sehe, haben wir auch erfolgreich argumentiert. Ich gratuliere einem jeden, der an der Wahl teilgenommen hat, im Übrigen vollkommen unabhängig davon, ob er sein Vertrauen uns oder anderen geschenkt hat.
Bei einer nie zuvor gesehenen Wahlbeteiligung können wir ruhig sagen, die Fidesz–KDNP haben einen historischen Sieg errungen.
Nun, eine Rekordwahlbeteiligung, ein Rekordsieg, bei aller Bescheidenheit können wir so viel doch ruhig sagen.
So ist es. Welche Botschaft sendet ein Rekordsieg bei solch einer Wahlbeteiligung einerseits an die Regierung und andererseits an die zukünftige, an die neue europäische Parlamentsfraktion von Fidesz–KDNP?
Die Botschaft an die Regierung lautet wohl: „Macht weiter, wir vertrauen Euch und wir sind bei Euch, wir stehen hinter Euch.“ Und Ungarn besteht noch viel Arbeit bevor, denn die Dinge laufen nicht schlecht, offenkundig erbringt das Land bessere Leistungen, jedoch laufen die Dinge doch nicht ganz so, wie wir uns das wünschen würden, dies ist noch nicht das Land, das so aussieht, wie wir möchten, dass unsere Kinder und Enkel dann Ungarn sehen sollen. Wir haben also noch viel Arbeit vor uns, und es ist wichtig – ich persönlich halte es auch für wichtig –, dass ich bei jeder Wahl eine Bekräftigung, eine Ermunterung seitens der Menschen darüber erhalte, dass die Arbeit, die wir verrichten, einen Sinn hat, und auch sie den Sinn dieser Arbeit sehen, die wir gemeinsam mit ihnen, mit ihrer Unterstützung verrichten. Und an Europa sendet diese Wahl die Botschaft, dass die Ungarn eine europäische Nation sind. Wir glauben daran, dass die europäischen Völker zusammenarbeiten müssen. Wir glauben auch daran, dass Europa aus Nationen besteht, deshalb schicken wir ungarische Abgeordnete, ja nicht nur von innerhalb der Landesgrenzen, sondern auch solche von jenseits der Landesgrenzen nach Brüssel. Und wenn Brüssel möchte, dass die Menschen den europäischen Gedanken unterstützen sollen, dann muss man Veränderungen durchführen, man muss die Sicherheit des Kontinents wiederherstellen, man muss die Terrorgefahr beseitigen, man muss die Migration aufhalten, und man muss endlich eine vernünftige Wirtschaftspolitik machen, die es der europäischen Wirtschaft ermöglicht, sich zu entwickeln. Ich glaube also, die Botschaft an Brüssel kann man so zusammenfassen: „Verändert!“
Wenden wir den Blick für einen Moment Ungarn zu. Nach der jetzigen Lage scheint es so zu sein, dass die DK auf den Trümmern der Opposition sich zur Spitze hinaufgehangelt hat, sozusagen den Gipfel erreicht hat, das kann man nicht bestreiten. Heute Abend ist Ferenc Gyurcsány zur bestimmenden und führenden Persönlichkeit der Opposition geworden. Was sagen wir dazu?
Wir sagen, dass 52 Prozent der Menschen, die wählen gegangen sind, ihr Vertrauen uns ausgesprochen haben, deshalb möchte ich – wenn möglich – am ehesten über diese 52 Prozent von Menschen und das Vertrauen sprechen, das man uns geschenkt hat. Was innerhalb der Opposition geschieht, ist – auch bei all meinem Respekt – nur sekundär. Ungarn hat heute große Einigkeit gezeigt, und es hat diese Einigkeit in der Unterstützung der Regierungsparteien zum Ausdruck gebracht.
Meine letzte Frage, Herr Ministerpräsident, und danach werde ich Sie nach Hause gehen lassen. In Kenntnis der gegenwärtigen Ergebnisse – und ich möchte nicht, dass wir jetzt damit beginnen, die Ergebnisse der anderen Länder bei den Wahlen zum Europäischen Parlament zu analysieren – besteht jetzt im Allgemeinen die Chance, dass die Nation in Europa wieder an den Ort zurückkehrt, der ihr zusteht? Dass sie das Ethos zurückgewinnt, das ihr zusteht?
Wenn wir mit einem Ausblick auf Europa sprechen, dann müssen wir zunächst – erneut mit dem nötigen Respekt – klarstellen, dass wir seit neun Jahren kontinuierlich regieren, wobei wir auch sehr schwierige Zeiträume überdauern mussten, also das Land und wir gemeinsam. Ich kenne keine einzige europäische Partei, auch keine einzige Regierung, die nach der Arbeit von neun schweren Jahren in der Lage gewesen wäre, die Zahl der auf sie abgegebenen Stimmen zu steigern. Dies ist in einem einzigen Land geschehen, in Ungarn, woraus ich herauslese, dass die Menschen sehr wohl eine Einheit und einen Zusammenhalt wollen, und sie jene Regierung suchen, die jene Werte vertritt, die auch für sie wichtig sind: die Heimat, die Familie, die Nation, das Christentum, die Sicherheit, die Arbeitsplätze. Ich habe also das Gefühl, dass sich in Ungarn eine derart beispiellose Einheit auch dank der Regierungsarbeit der vergangenen neun Jahre herausgebildet hat, die für die Zukunft gute Chancen eröffnet, und meine Stimme, unsere Stimme in der Brüsseler Politik verstärkt, denn jene Leistung, die Ungarn heute aufgezeigt hat, kann man nirgendwo anders in Europa finden. Also wird unsere Stimme im Laufe der jetzt beginnenden, schon morgen anfangenden schwierigen Verhandlungen, in denen es um die Auswahl der führenden europäischen Politiker geht, in dieser Auseinandersetzung, in dieser Diskussion wegen des heutigen Ergebnisses eine viel stärkere sein, als sie es selbst noch vor einigen Wochen gewesen war. Ich bin der Ansicht, dass ich eine große Ermächtigung, eine große Bestärkung seitens der Menschen bekommen habe, um in den vor uns stehenden Wochen bei der Auswahl solcher führenden Politiker mitzuwirken, für die die Nation, für die das Christentum wichtig ist, und die die Einwanderung aufhalten wollen. Ich bin überzeugt davon, mit jener großen Ermächtigung gut wirtschaften zu können, die wir heute von den Menschen erhalten haben.
Und nächste Woche beginnt diese Arbeit auch schon. Ich wünsche Ihnen dazu viel Erfolg und Kraft! Ich danke Ihnen, dass Sie hier waren.
Vielen Dank. Gute Nacht!