Katalin Nagy: Der Präsident des Europäischen Parlaments sprach darüber, dass man noch vor den Wahlen zum Europäischen Parlament im kommenden Jahr in der Frage der Migrations- und Flüchtlingspolitik der EU zu einer Vereinbarung gelangen müsse. Wir wissen ja, dass das Parlament die Frage des sogenannten humanitären Visums erneut auf den Tisch gelegt beziehungsweise hervorgeholt hat, und aus der Presse hat sich auch herausgestellt – und es hat recht große Entrüstung hervorgerufen –, dass das Hochkommissariat der Vereinten Nationen für Flüchtlinge an zehntausende von Migranten anonymisierte Kreditkarten verteilt hat, und wir wissen nicht, von was für einem Konto sie das Geld abheben. Im Studio begrüße ich Ministerpräsidenten Viktor Orbán. Wie sehen Sie das, warum diese große Eile?
Ich begrüße die Zuhörer! Ich wünsche einen guten Morgen! Wie pflegen das die Frauen auszudrücken? Torschlusspanik, das sagen sie in Hinblick auf die Männer. Vermutlich ist es mit dem verwandt, wenn ein Mandat zu Ende geht oder das Ende eines politischen Mandats am Horizont erscheint, und da wollen die ihr Mandat bald verlierenden Abgeordneten, führende Politiker, Politiker, jene Angelegenheiten noch schnell zu einem Abschluss bringen, die ihnen am Herzen liegen. Die wichtigste Frage des vergangenen fünfjährigen europäischen politischen Mandats – denn da beträgt es nicht vier Jahre, sondern fünf – war die der Migration. Ganz offenkundig haben sich alle Institutionen der Europäischen Union, das Parlament, die Kommission, die Regierungen der Mitgliedsstaaten in zwei Lager gespalten; es gibt Anhänger der Migration und es gibt die Gegner der Migration. Es sind offene Fragen geblieben, denn wegen der Geteiltheit konnten wir diese nicht abschließen, am meisten haben wir Dinge zurückgewiesen, so etwas war zum Beispiel die Frage der Quote, so etwas war die Frage der den Migranten zu gebenden Unterstützungen, die identisch mit denen für die ungarischen Menschen, mit den den ungarischen Menschen zustehenden Geldern identisch sein sollten. Wir haben also überall, wo wir das konnten, die ungarischen Interessen verteidigt und unseren Standpunkt vertreten. Im Mai wird es Wahlen geben, die die Einwanderung befürwortenden Kräfte – das ist mein Eindruck – unternehmen noch einen letzten Versuch, denn jetzt am Ende des Jahres werden wir nach dem am Sonntag fälligen, sich mit den Angelegenheiten der Engländer beschäftigenden Brexit-Gipfel noch ein reguläres Gipfeltreffen haben, und auch im kommenden Frühjahr rechne ich noch mit einer kleineren, weniger heftigen Attacke seitens der Befürworter der Einwanderung. Die Bankkarten-Affäre hat selbst Leute wie mich, einen sturmgebeutelten Veteranen überrascht, denn daran hatte ich ja doch nicht gedacht, dass während unter Berufung auf die Geldwäsche ständig die Kehle der europäischen Menschen durch die Behörden gewürgt wird – wir dürfen ja nicht einfach so Geld aufnehmen, es darf keine anonymen Kreditkarten geben, das alles wird aufgezeichnet, alle Transaktionen, die Namen –, jemand, anscheinend die Europäische Kommission, anonyme Kreditkarten an Menschen verteilt, die wir nicht kennen, über die wir nicht wissen, was sie wollen, wir nur sehen, dass sie in die Europäische Union gelangen wollen, und von denen viele Terroristen und Kriminelle geworden sind, nachdem sie in Europa angekommen waren, also die Sicherheit der europäischen Menschen bedrohen. Und an diese Menschen verteilen wir beziehungsweise verteilt man anonyme Kreditkarten. Die Frage ist berechtigt, warum dies geschieht, woher das Geld kommt? Die EU gibt vielleicht ihr eigenes Geld, das, was auch wir zuvor eingezahlt haben? Das Ganze ist also ungeklärt, es muss aufgeklärt werden.
Man hat aber auf die Fragen noch keine Antwort gegeben.
Ich arbeite daran. Ungarn besitzt alle Arten von Gremien, Organisationen, ich versuche darüber Informationen zu sammeln, was geschieht, und wir bestürmen die Brüsseler Bürokraten mit Fragen; die Abgeordneten des Fidesz im Europäischen Parlament lassen diese Sache nicht auf sich beruhen, wir wollen das Hinterland aufdecken. Daran knüpft auch die Angelegenheit des Migrantenvisums an. Dies hat das Europäische Parlament einmal niedergestimmt. Dabei würde es darum gehen, dass wir jenen eine Eintrittsgenehmigung in die EU geben, die sich auf humanitäre Gründe berufend hereinkommen wollen, was ich aber als ein uferloses und ungeregeltes Gebiet betrachte. Das ist eine Öffnung des Tors, durch die die Flut erneut den europäischen Kontinent überschwemmen könnte. Das Europäische Parlament hat das einmal schon niedergestimmt, doch jetzt wollen sie das wieder auf die Tagesordnung setzen lassen, vielleicht ist es auch schon auf die Tagesordnung gesetzt worden, und sie wollen das durchdrücken, sie wollen uns dies den Rachen hinunterwürgen, was – ich sage es erneut – meinen Verdacht erhärtet, den ich schon früher mehrfach geäußert hatte, nach dem wir, die wir die Migration ablehnen, wir möchten anständige und faire Verfahren, wir wollen die massenhafte Einwanderung nicht, die illegale erst recht nicht, doch gibt es in Brüssel sehr viele Politiker, gewählte führende Politiker und Bürokraten, die die Einwanderung als eine gute Sache ansehen und diese Menschen hereinbringen wollen. Sowohl die Angelegenheit der Kreditkarten als auch jene des Migrantenvisums zeigt, dass die Migranten nach Europa hineintransportiert werden, weil es Menschen gibt, nach deren Meinung dies im Interesse Europas oder zumindest einiger Länder Europas steht, und die sich selbst, anstatt die Verteidigung zu stärken, die europäischen Institutionen als eine Transportagentur ansehen: Sie geben auch den illegalen Einwanderern Geld und Gesetze, auch Visa. Die ganze Situation ist also schlecht, aus dem Blickwinkel Ungarns besonders nachteilig, ich erwarte auch keine qualitative Veränderung bis zu den Wahlen zum Europäischen Parlament. Danach möchten wir aber eine kräftige Veränderung, ich selbst möchte diese auch erreichen.
An dieser Stelle nur eine Nachricht von gestern zum humanitären Visum, nachdem auf der Insel Sardinien 30 Menschen durch die italienische Polizei verhaftet wurden, eine nigerianische kriminelle Vereinigung, deren Mitglieder sich mit den lukrativsten Zweigen der Unterwelt beschäftigt haben, wie Menschenschmuggel, Prostitution und Drogenhandel, und interessanterweise hatten diese Menschen auf der Insel Sardinien eine humanitäre Aufenthaltsgenehmigung.
Darüber rede ich. Schauen Sie, es gibt in der Europäischen Union eine große Diskussion, die zugleich eine humanitäre, philosophische und politische Diskussion ist, ob man die Tatsache aussprechen darf, dass sich unter den Migranten auffällig viele Kriminelle befinden und deshalb das Hereinlassen der Migranten die Sicherheit der europäischen Menschen gefährdet. Ich befürworte es, wenn wir offen reden können, dies sind die Tatsachen, aber in der EU ist das nicht erlaubt, ich werde dort ausgebuht, wenn ich diesen Standpunkt vertrete, denn dort ist die Meinung vorherrschend, dass die Benennung dieser Tatsache die Migranten in einem schlechten Licht erscheinen lässt, einen Eindruck erweckt, als ob jeder Migrant ein potenzieller Krimineller wäre – was natürlich niemand glaubt, dass es so wäre –, aber da dies ihrer Meinung nach einen solchen Eindruck erweckt, deshalb lassen sie einen solchen öffentlichen Diskurs nicht zu. In den meisten europäischen Ländern wird also die brutalste Zensur über Sie, über die Journalisten und auch die Medien ausgeübt, ja sogar auch über die sozialen Medien. Wenn jemand diesen Zusammenhang – Terrorismus-Migration, Kriminalität-Migration – berührt, treten in dem Moment in Westeuropa Zensurmechanismen ins Leben, denn das Aussprechen dieser Tatsache ist nicht erlaubt. Meiner Ansicht nach wird dies im Übrigen eine entgegengesetzte Wirkung haben, denn die Menschen sind keine Esel, sie sind keine Trottel, sie sehen, was genau womit zusammenhängt, und jene Politik, die es ihnen verbietet, über eine offensichtliche Tatsache reden, wird früher oder später nach hinten losgehen.
Diese Erkenntnis kann man verzögern, aber in Wirklichkeit kann man sie nicht negieren. Sie haben erwähnt, am Ende der Woche wird es einen Gipfel der Europäischen Union geben, auf dem die Ministerpräsidenten über das Brexit-Abkommen entscheiden werden. Wie sieht es die ungarische Regierung, ist dieses Abkommen akzeptabel? Werden die Rechte der ungarischen Arbeitnehmer nicht verletzt?
Sie werden keinen Schaden nehmen. Die Situation ist die, dass das Dokument, das ich für das am Sonntag fällige außerordentliche Treffen der Ministerpräsidenten in die Hand nehmen durfte, ein Text ist, der aus ungarischer Perspektive befriedigend ist, der die Interessen der in England, im Vereinigten Königreich arbeitenden und dort lebenden Ungarn schützt. Ich hoffe, dass die Qualität des Schriftstückes auch nach der Debatte diese Qualität behält, jedenfalls werde ich alles im Interesse dessen unternehmen. Vielleicht knüpft sich hieran noch die Bemerkung: In zwei Ländern pflegt man nach der Meinung der Menschen hinsichtlich der Angelegenheiten der Europäischen Union zu fragen, das sind Ungarn und Großbritannien. Als wir die ungarischen Menschen im Rahmen einer Konsultation und einer Volksabstimmung gefragt haben, konnte man die Antwort im Großen und Ganzen dahingehend zusammenfassen, „mehr Souveränität, weniger Brüssel“. Brüssel soll sich nur mit Angelegenheiten befassen, in denen es tatsächlich notwendig ist, Entscheidungen aus einer Position über den nationalen Zuständigkeiten zu treffen. Die Angelegenheiten, die die Ungarn und die Nationalstaaten lösen können, sollen bei uns bleiben. Die Briten sind noch weiter gegangen: Sie haben nicht „Weniger Brüssel und mehr Nation“ gesagt, sondern sie sagten: „Hinaus aus Brüssel“. So kam der Brexit zustande. Vielleicht könnte ich noch erwähnen, dass wir sogar noch eine Zeitungsannonce geschaltet hatten, für die wir vom britischen Wahlbüro auch eine Ermahnung erhalten hatten, sie haben sie als eine Einmischung in britische Angelegenheiten aufgefasst, es kann sogar sein, dass sie Recht gehabt haben. Wir haben mit einer eleganten Annonce versucht, die Briten in die Richtung zu beeinflussen, dass sie es als einen Wert ansehen sollten, mit uns gemeinsam Mitglieder einer internationalen Organisation sein zu können, und sie sollten bei dem Entschluss auch diesen Umstand bedenken. Ich glaube, ich und wir, Ungarn, haben alles im Interesse dessen getan, um die Briten in der EU zu halten, über Brüssel könnte ich das Gleiche nicht sagen. Meiner Ansicht nach haben die führenden Brüsseler Politiker ernsthafte politische Fehler begangen, die zum Brexit geführt haben.
Und auch die Engländer waren der Ansicht, die Migration sei keine Lösung für das Problem eines Kontinents, nicht wahr?
Die beiden Dinge hängen zusammen. Nachdem Brüssel nicht in der Lage war, die Migranten außerhalb Europas aufzuhalten, war es so auch nicht in der Lage, Großbritannien in der EU drinnen zu behalten.
Diese Woche hat der ehemalige mazedonische Ministerpräsident in Ungarn das Asylrecht erhalten. Die Europäische Kommission erwartet von der Regierung eine Erklärung. Was muss man erklären? Warum hat der ehemalige Ministerpräsident in Ungarn das Asylrecht erhalten?
Das ist tatsächlich eine das allgemeine Interesse erweckende Angelegenheit. Am wichtigsten ist vielleicht, dass Ungarn jetzt langsam schon seit 30 Jahren eine Demokratie ist, wenn ich die Jahre der Demokratie in Ungarn nach dem Zusammenbruch des Kommunismus zu zählen beginne; dies ist nicht der erste Fall. Ungarn verfügt also über eine Routine, eine Praxis, wie man solche Angelegenheiten regeln muss. Die früheren Angelegenheiten haben nicht derart viel Staub aufgewirbelt, doch sind auch schon aus anderen Ländern sehr hochrangige Politiker mit dem Ersuchen um Asyl nach Ungarn gekommen, in deren Fällen die ungarischen Behörden ihre Entscheidung getroffen hatten. Es spielt natürlich eine Rolle, dass es der führende Politiker eines näheren Landes ist, von dem wir reden, jemand, der hinsichtlich der wichtigsten ungarischen außenpolitischen Frage, der Frage der Migration, ein Land von Schlüsselbedeutung geführt hat, denn Mazedonien liegt auf der Route der vom Balkan her heraufströmenden Migranten. Ich kenne diesen Menschen, denn er war über eine lange Zeit mein Kollege, und ich habe mit ihm zusammengearbeitet, und ich muss sagen, ohne ihn wäre vieles viel schwieriger gewesen, wenn wir überhaupt in der Lage gewesen wären, die ungarische Grenze zu verteidigen. Er war also der erste Politiker des Balkan, der einen Zaun erbauen wollte, uns um Hilfe bat, wir haben diese auch gegeben, und er begann den Zaun zu bauen und die Migranten aufzuhalten. Deshalb haben wir auch immer an Mazedonien als an unseren Verbündeten und an ihn persönlich als an unseren Verbündeten gedacht. Nun geht der Mensch mit seinen Verbündeten anständig um. Wenn er sich an uns wendet, dann steht ihm ein anständiges Verfahren zu. Wir können niemandem einen Status außerhalb der Gesetze geben, denn die Gesetzesregeln gelten für alle, doch können wir ein anständiges Verfahren sichern, und ich freue mich auch darüber, dass dies nicht der erste Fall ist, in dem der führende Politiker eines anderen Staates der Ansicht ist, er könne in Ungarn ein anständiges Verfahren bekommen. Der andere Teil der Frage ist, warum dies so viel Staub aufwirbelt. Zunächst ist es interessant, jeder Krimi ist spannend, das Land zu verlassen, woanders durchzureisen, hereinzukommen, das Ganze stellt eine spannende Geschichte dar. Aber andererseits gibt es jene, die entgegengesetzte Interessen besitzen. Wir sollten nicht vergessen: Die diese Angelegenheit der ungarischen Regierung am heftigsten vorwerfenden Organisationen sind alle Organisationen von George Soros, und nachdem es in Mazedonien dieser Ministerpräsident war, der am entschiedensten gegen die Soros’schen Netzwerke auftrat und es auf sich nahm, in der Frage der Migration mit ihnen die Debatte aufzunehmen – denn er war gegen die Einwanderung –, deshalb verfolgen sie sein Leben. Es ist interessant, wenn man genauer hinschaut, denn genau dieselben Organisationen und Personen melden sich in dieser Angelegenheit zu Wort, die im Übrigen die Einwanderung in Europa und Ungarn befürworten. Es gibt also eine genaue Übereinstimmung zwischen den Anhängern der Einwanderung und denen, die die Angelegenheit des mazedonischen Ministerpräsidenten attackieren, und zwar auf persönlicher und organisatorischer Ebene gleichermaßen. Jetzt ist diese Angelegenheit aus dem Grund interessant, da sie eine differenzierte juristische Annäherung verdient, denn ich kann, wir können einem jeden, der seinen Wunsch oder Antrag in Ungarn vorbringt, ein anständiges Verfahren versprechen, aber ich kann keinerlei Endergebnis garantieren, denn das Verfahren wird nicht die Regierung durchführen, sondern die Behörden, und das sind zwei verschiedene Dinge. Und je weiter sich die Regierung von solchen Verfahren fernhält, umso besser. Die Regierung hat also nur eine einzige Aufgabe: Für ein faires Verfahren zu sorgen und danach die Entscheidung der ungarischen Behörden zu akzeptieren. Auch jetzt ist dies geschehen. Nun kommt hier noch hinzu, damit die Sache noch komplizierter ist, dass gegen den ehemaligen mazedonischen Ministerpräsidenten alle möglichen Strafverfahren eingeleitet werden und auch mehr oder weniger vielleicht auch schon als rechtskräftig anzusehende Gerichtsurteile gefällt werden. Ich halte es für wichtig, dass wir diese nicht kommentieren, also die Mitglieder der ungarischen Regierung, auch ich persönlich nicht. Soviel muss man aber vielleicht anmerken, dass in Mazedonien komplizierte politische Kämpfe und Auseinandersetzungen im Gang sind, und die Rechtssprechung ist ein Teil davon. Ich selbst weiß nicht, was wahr und was unwahr ist, denn dies zu entscheiden, ist beinahe unmöglich. Und in solchen Fällen ist es besser, wenn man sich von diesen Fragen fernhält beziehungsweise man darauf besteht, das Verfahren der ungarischen Behörden zu beachten. Wir werden also nicht durch die mazedonischen Verfahren beeinflusst. Uns interessiert nicht, ob der hier eingereichte Antrag juristisch begründet ist, ob die Behörden ein anständiges Verfahren durchgeführt, die Regeln eingehalten haben. Wenn sie ihre Entscheidung gefällt haben, dann muss sie respektiert werden. Ich kann nur sagen, wir werden die Sicherheit der Menschen garantieren, die in Ungarn den Flüchtlingsstatus erhalten haben, dass ist im Fall eines jeden so. So ist es auch im Fall des mazedonischen Ministerpräsidenten.
Die Mazedonier haben um seine Auslieferung gebeten.
Auch das besitzt seinen juristischen Gang. Die ungarischen Behörden werden das untersuchen und werden darüber eine Meinung aussprechen.
Im November wird jedes Jahr die Ständige Ungarische Konferenz abgehalten und auch der Diaspora-Rat setzt sich zusammen. Sie nehmen jedes Mal teil an diesen Treffen. Jetzt haben beide Organisationen am Ende der Sitzung einen Beschluss angenommen, sie haben die wichtigsten Ergebnisse, Aufgaben besprochen und ihre Besorgnis um die in der Ukraine lebende ungarische Minderheit zum Ausdruck gebracht. Kann die ungarische Regierung noch etwas im Interesse dessen unternehmen, um dieses schlechte Verhältnis, das hier zwischen der Ukraine und Ungarn entstanden ist, zu mildern und die Lage der dort lebenden Ungarn zu verbessern?
Uns stehen nur geringe Mittel zur Verfügung, denn wir waren auch schon bisher guten Willens. In solchen Angelegenheiten ist der gute Wille am wichtigsten, und wir waren auch schon bisher mit ganzem Herzen dabei, wir versuchen also der Ukraine zu helfen. Wir verstehen ihre schwierige Situation, wir akzeptieren ihre territoriale Integrität nicht nur, sondern auch wir fordern diese gegenüber Russland. Wir sind Teil jedes europäischen Beschlusses, der ihnen hilft, und darüber hinausgehend versuchte, versucht Ungarn seinen Kräften gemäß, ja sogar über diese hinaus den in der Ukraine lebenden Menschen zu helfen, natürlich in erster Linie denen, die uns näher sind, das ist Transkarpatien, wo wir im Übrigen keinen Unterschied zwischen den Ungarn und Menschen anderer Nationalität machen wollen, denn wir möchten allen helfen. Wenn wir medizinische Hilfe leisten, dann bieten wir sie allen an, wenn wir Unterricht organisieren, dann ermöglichen wir ihn nicht nur den Ungarn, sondern auch den Ukrainern. Wenn wir vorschlagen, an Stelle der sich in einem heruntergekommenen Zustand befindlichen Straßen neue Straßen zu bauen, dann werden diese auch Ukrainer benutzen. Uns leitet also nicht einfach nur die nationale Zusammengehörigkeit, das ist natürlich auch eine wichtige Pflicht, sondern wir wollen einer durch ein schweres Schicksal geschlagenen Region helfen, die sich hier in unserer Nachbarschaft befindet. Wir haben also auch bisher alles selbstlos getan, was wir getan haben, und wir haben einen der Ukraine gegenüber freundlichen Standpunkt eingenommen, und als Antwort auf den der Ukraine gegenüber freundlichen Standpunkt haben wir als Antwort eine antiungarische ukrainische Politik erhalten. Und ich kann mit dieser Situation nichts anfangen, es werden ständig Verhandlungen geführt, der Außenminister betreut die Angelegenheit, und obwohl es wieder und immer wieder Gespräche gibt, gibt es keine tatsächlichen Ergebnisse. Die Ukraine ist ein Land in einer schwierigen Situation, es wird im kommenden Jahr eine Wahl geben, sie werden einen Präsidenten wählen. Das ist ein Land mit einem präsidentialen System, nicht so wie das unsere, die Präsidentschaftswahl wird eine große Bedeutung haben. Jetzt können wir nichts mehr tun, wir haben – nicht auf Regierungs-, sondern auf Parteibasis – mit allen dort die Verbindung aufgenommen, die die Chance besitzen, die nächste Wahl zu gewinnen. Wir hoffen, mit der nächsten ukrainischen Regierung beziehungsweise dem nächsten ukrainischen Präsidenten wieder an Stelle der antiungarischen Politik eine proungarische Politik etablieren zu können. Wir verfolgen eine der Ukraine gegenüber freundliche Politik, und wir bitten sie, eine ungarnfreundliche Politik zu verfolgen. Dabei soll die Tatsache nicht verschwiegen werden, dass die wichtigste Ambition der Ukraine, nämlich irgendwann der EU und der NATO beizutreten, nur unter der Mitwirkung und mit der Hilfe Ungarns möglich ist. Deshalb ist es eine das eigene Schicksal verschlimmernde Sache, in der Ukraine eine antiungarische Politik zu verfolgen. Ich erwarte von der nächsten ukrainischen Führung, dies einzusehen.
Unterstützt die Verbesserung der Beziehungen oder ihre Erhaltung auf einem guten Niveau mit den anderen Nachbarn im Karpatenbecken – denn es gibt ja Nachbarn, mit denen wir nie Sorgen hatten, oder jedenfalls nur selten – der Umstand, dass wir an sehr vielen Orten Programme zur Wirtschaftsentwicklung gestartet haben?
Hier geschieht etwas, dessen Bedeutung wir vielleicht noch nicht erfasst haben oder das nicht allgemein bekannt ist. Wenn wir zu verstehen versuchen, was mit uns, Ungarn, in den vergangenen hundert Jahren geschehen ist, dann könnten wir mit etwas Übertreibung und einer kleinen lyrischen Nuance auch sagen, dies war das Zeitalter der hundert Jahre ungarischer Einsamkeit. Als die Nachbarn eher vor uns Angst hatten, uns eher nicht mochten, lieber nicht die Zusammenarbeit mit uns suchten, und wenn ja, dann kam es zumeist auf den Druck der Sowjetunion dazu, denn auch wir wurden ja in den kommunistischen Block eingereiht. Aber eine tatsächlich ernsthafte emotionale Beziehung, ein gemeinsames Nachdenken über die Zukunft, das Schmieden gemeinsamer großer Pläne war überhaupt nicht charakteristisch. Man betrachtete die Ungarn eher als Gefahrenquelle, und man blieb ihnen gegenüber auf Distanz. In den vergangenen Jahren habe auch ich selbst sehr viel Energie darauf verwandt, damit sich dies verändert, und ich habe jenseits der Grenzen Partner dafür gefunden, die ebenso wie ich dachten, dies sei ein widernatürlicher Zustand, den müsste man verändern, und man müsste eher zusammenarbeiten. Serbien kommt hierin eine besondere Rolle zu. Mit den Kroaten blicken wir auf eine 800 Jahre alte Freundschaft zurück. Mit den Slowaken ist es nach langer Zeit gelungen, ein gemeinsames, auf Vertrauen basierendes, gemeinsame Pläne in den Vordergrund stellendes positives System von Beziehungen auszubilden. An dieser Stelle muss ich den Namen des aus dem Amt des Ministerpräsidenten scheidenden Robert Fico unbedingt auf positive Weise erwähnen, wir schulden ihm Dank, und auch der gegenwärtige slowakische Ministerpräsident, Herr Pellegrini, ist uns hierin ein guter Partner. Mit den Rumänen ist die Situation immer komplizierter und schwieriger, aber ich sehe auch dort einen Fortschritt. Diese ungarische Einsamkeit ist also vorbeigegangen. Alle haben erkannt, dass mit uns zusammenzuarbeiten keine widernatürliche Sache ist, ja sondern vielmehr eine vernünftige, ja es lohnt sich: Wer mit den Ungarn zusammenarbeitet, hat daraus einen Vorteil. Und ich bemühe mich auch, ich wende viel Energie auf, damit wir unser gegebenes Wort immer einhalten. Wir etablieren Kooperationen, die nicht aufdringlich sind, zugleich aber nicht auf bestimmte Rechte verzichten, zum Beispiel im Fall der Minderheiten, und die überhaupt nicht kleinlich sind. Wir wollen also gemeinsame Programme zur Wirtschaftsentwicklung starten, die nicht nur für uns gut sind, sondern auch für die benachbarten Staaten. Ein Forint an Wirtschaftsentwicklung jenseits der Grenze produziert zwei Forint an Wachstum des Bruttosozialprodukts. Ich schaue mir über die staatlichen Statistiken hinaus auch immer jene an – es ist nicht leicht, diese herzustellen –, die auch die Wirtschaftsleistung der von Ungarn bewohnten Gebiete beachten, also die wirtschaftliche Leistung der Gebiete außerhalb der ungarischen Staatsgrenzen, um zu sehen, wie die Ungarn im Karpatenbecken – unabhängig, auf dem Gebiet welchen Landes sie sich befinden – leben, unter welchen Bedingungen sie leben, welche Wirtschaftskraft sie darstellen und wie sie ihre Kinder erziehen können. Und da wir in der Kategorie der Nation denken, wirkt sich dies auch auf unsere Entscheidungen aus, und ich habe den Eindruck, dass es sowohl für die in Ungarn lebenden Ungarn als auch für die außerhalb der heutigen Staatsgrenzen lebenden Ungarn und der nichtungarischen Staatsbürger der benachbarten Länder gut ist, wenn es ein gemeinsames Programm zur Wirtschaftsentwicklung zwischen Rumänien und Ungarn, Serbien, Kroatien und Ungarn gibt. Ich halte also das Wirtschaftsentwicklungsprogramm für eines der wichtigsten Programme der Zukunft, und ich möchte es zum Erfolg führen.
Der Vertrag zwischen der Hauptstadt und der Regierung ist geschlossen worden. Der Budapester Rat für Öffentliche Entwicklung ist gegründet worden. Die Opposition sagt, der Oberbürgermeister habe seine Selbständigkeit aufgegeben, und Sie sprechen darüber, dass dies eine gewaltige Möglichkeit hinsichtlich der Entwicklung der Hauptstadt sei. Warum ist diese Vereinbarung wichtig?
Es ist nicht meine Sache, mich mit der Budapester Opposition herumzustreiten, das überlasse ich dem Herrn Oberbürgermeister, das ist eine schöne Aufgabe. Doch ist die Situation die, dass es sich aber auch nicht einmal für die Opposition lohnt, die grundlegenden Regeln der Logik außer Acht zu lassen. Jetzt ist die Situation die, dass ein Großteil der in Budapest verwirklichten Investitionen aus Regierungsgeldern realisiert wird. Bisher haben wir uns zwar die Meinung der Budapester angehört, wir haben auch versucht, diese zu beachten, doch die Beschlüsse haben wir selbst gefasst. Jetzt hat der Herr Oberbürgermeister erreicht, dass dies nicht mehr so sein soll, sondern auch hinsichtlich der Regierungsgelder gemeinsame Entscheidungen getroffen werden sollen. Ich möchte die Aufmerksamkeit der Opposition also auf den Umstand lenken, dass Budapest jetzt ein Recht zur Entscheidung über Gelder erhalten hat, die nicht ihm gehören, sondern aus dem Haushalt der Regierung stammen, weshalb István Tarlós nicht Rechte aufgegeben, sondern zusätzliche Rechte für die Hauptstadt erlangt hat, und ich habe aus dem Grunde im Namen der Regierung auf bestimmte Rechte verzichtet, weil ich in der letzten Zeit den Eindruck habe, dass sich um István Tarlós ein ernsthaftes Team herausgebildet hat, mit dem man fachlich begründete Debatten führen, Besprechungen abhalten kann, und mit dem gemeinsam wir vielleicht zu besseren Entscheidungen gelangen werden, als wenn wir diese Entscheidungen unabhängig voneinander treffen würden. Und wir sind natürlich eine nationale, christliche, bürgerliche Partei, für uns zählt die ungarische Vergangenheit, wir betrachten die ungarische Vergangenheit als eine Kraftressource und wir versuchen Beispiele aus der Vergangenheit zu nutzen. Und die Wahrheit ist, dass es hier schon einmal eine erprobte und sich bewährte Lösung gegeben hat, diese hieß Rat der Öffentlichen Arbeiten, in dem auf der jetzigen Vereinbarung ähnliche Weise die Regierung und die Hauptstadt zusammenarbeiteten. Jetzt wo die ungarische Wirtschaft in Schwung gekommen ist, habe ich das Gefühl, dass dieser Rat für Öffentliche Entwicklung, den wir aufgestellt haben, und der an die ähnlichen Lösungsvarianten der großen Ungarn erinnert, deren Vorbild folgt, sich in der Zukunft für Budapest bewähren kann. Ich gratuliere den Budapestern. Ich wünsche mir, dass es nicht nur um die großen Investitionen gehen soll, sondern die Menschen auch im Alltagsleben – besonders die Familien – spüren könnten, wie sich in Budapest ihre Lebensqualität verbessert.
Über die Einzelheiten werden wir uns dann im Späteren unterhalten. Vielen Dank! Sie hörten Ministerpräsidenten Viktor Orbán.