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Viktor Orbáns Interview in der Sendung „Sonntagszeitung” [„Vasárnapi Újság”] von Radio Kossuth

Katalin Nagy: Es ist halb acht. Im Studio von Vasárnapi Újság ist Ministerpräsident Viktor Orbán anwesend. Guten Morgen!

Guten Morgen!

Sie haben diese Woche zwei Tage in Brüssel verbracht, und bevor Sie zum NATO-Gipfel gefahren sind, haben Sie dahingehend formuliert, es lägen gefährliche Vorschläge auf dem Tisch der NATO. Welchem Umstand ist es zu verdanken, dass dann keiner der Vorschläge angenommen wurde?

Wir haben zwei Tage und zwei Nächte in Brüssel verbracht. Die Besprechung mit den Ministerpräsidenten erstreckte sich in die Nacht. Dies ist aber eine riskante Sache, ich sage das ganz ehrlich, den es geht um hohe Einsätze, und morgens um zwei-drei bearbeiten wir uns noch auf das Heftigste, doch sind wir ohne größere Probleme aus dieser Besprechung hervorgekommen. Die NATO war einfacher, denn die NATO hat den ungarischen Standpunkt wortwörtlich kopiert. Dort hat also der Generalsekretär mitgeteilt, dass die NATO keine Soldaten in die Ukraine schickt, die NATO keine Waffen in die Ukraine liefert und die NATO in keinerlei Form Teil dieses Konflikts sein möchte. Doch ist es wichtig, zu wissen, dass die NATO eine auf eigentümliche Weise sich organisierende Sicherheitsgemeinschaft ist. Denn die NATO besitzt keine eigene Armee, sondern es ist so, dass jeder Mitgliedsstaat Kontingente, also militärische Kräfte im Bedarfsfall anbietet, wenn man diese einsetzen muss. Also so etwas wie eine Armee der NATO ist nirgendwo stationiert. So etwas gibt es, dass die Amerikaner Soldaten geben, die Ungarn Soldaten geben, die Türken Soldaten geben, und diese kommen gemeinsam dann unter NATO-Leitung. Doch ist das nicht identisch mit einer eigenen Armee. Daraus folgt auch, dass die NATO keine Armee organisieren wird, die in die Ukraine einmarschieren wollte, und sie organisiert keine Aktionen, als deren Ergebnis Waffen in die Ukraine gelangen, doch verbietet sie es keinem einzigen ihrer Mitgliedsstaaten, wenn sie es wollen, so etwas zu tun. Dies bedeutet, es ist die eigene Entscheidung jedes Nationalstaates, ob er Soldaten oder ob er Waffen sendet. Und hier sind dann schon die Standpunkte unterschiedlich, denn es gibt jene, die würden gerne senden, ja sie senden auch, und es gibt jene, die, so wie wir, die unbedingt diesem Konflikt fernbleiben wollen. Und diese Dinge haben zum Ergebnis, diese Meinungsunterschiede haben jene Diskussion zum Ergebnis, wegen der ich sagte, es kommen auch gefährliche Vorschläge auf den Tisch. Aber schließlich haben wir angesichts des Ergebnisses der Diskussion beschlossen, dass jeder machen soll, was er für richtig hält, doch wird die NATO im Namen von uns allen keine solchen Aktionen durchführen.

Was ist das Problem mit der polnischen Friedensmission, oder mit der im polnischen Vorschlag formulierten Friedensmission?

Nun, dass es keinen Frieden gibt. Man kann also dann eine Truppe zur Erhaltung des Friedens irgendwohin schicken, wenn es zumindest einen Waffenstillstand gibt. Wenn also die Beteiligten gerade nicht aufeinander schießen, dann gibt es etwas zum Aufrechterhalten. Den Waffenstillstand, d.h. den Zustand ohne Kampf kann man aufrechterhalten. Doch jetzt schießen sie dort aufeinander, also kann man deshalb jetzt höchstens Kräfte dorthin schicken, die den Frieden schaffen. Wenn Du Kräfte zur Schaffung des Friedens irgendwohin schickst, dann bedeutet dies, dass Du an den Kämpfen teilnimmst. Das will niemand.

Ist auch die Frage der Flugverbotszone eindeutig entschieden?

Die „Flugverbotszone“ ist ein intelligenter Ausdruck. Er erweckt den Eindruck, als ob die Luft oder der Luftraum so wäre wie unser Schlafzimmer, dass wir den Schlüssel umdrehen, und dann ist er geschlossen. Doch das ist nicht so, denn der Luftraum ist ein Ort, wo die einander gegenüberstehenden Parteien militärische Instrumente hinbringen. Sie führen also einen Luftkrieg gegeneinander. Wenn jemand eine Flugverbotszone ausruft, dann übernimmt er es, alle durch die kämpfenden Parteien in die Luft geschickten Luftfahrzeuge auf die Erde zu zwingen oder am ehesten abzuschießen. Und wenn jemand die Fluggeräte einer der kämpfenden Parteien abschießt, findet er sich selbst dadurch auch schon im Krieg. Wir sprechen hier also in Wirklichkeit über einen Luftkrieg. Wer also eine Flugverbotszone will, der sagt, wir sollten einen Luftkrieg im Rahmen des ukrainisch-russischen Krieges eingehen. Das wäre meiner Ansicht nach eine tragische Entscheidung.

Auf dem Gipfel der Europäischen Union waren die Verhandlungen schwieriger, so haben Sie es formuliert. In welchem Verhältnis haben Sie schließlich dagegen gestimmt, die Sanktionen auch auf den Energiesektor zu erweitern?

In solchen Fragen ist Einstimmigkeit notwendig. Man hat ja schon oft hören können, dass gegenüber Russland die Europäische Union Sanktionslisten angenommen hat, vielleicht schon vier Mal. Doch kann man eine Sanktionsliste nur auf die Weise annehmen, wenn hinsichtlich ihres Inhaltes alle zustimmen. Es werden also in solchen Momenten Vorschläge vorgetragen, und wenn irgendein Mitgliedsstaat sagt, diese Sanktion sei für ihn zu viel oder sei mit seinen Interessen nicht zu vereinbaren, dann wird sie gestrichen. Auch wir pflegen das zu tun. Es gibt Vorschläge, die sind den Interessen Ungarns entgegengesetzt, und dann streichen wir diese. So etwas ist zum Beispiel die Frage des Gas- und des Ölimports. Das bedeutet aber nicht, dass wir uns immer zu Wort melden müssen, denn es sind mehrere von uns, die dieser Schuh drückt. Zum Beispiel die Deutschen oder die Österreicher, die sind in einer beinahe vollkommen identischen Lage wie wir. Vielleicht in einer etwas besseren. Auch ihnen geht es ebenso, dass wenn das russische Gas und das russische Öl nicht kommen, dann bleibt die deutsche oder die österreichische Wirtschaft stehen. Es geht also nicht darum, was die Ukrainer sagen, dass Ungarn es nun wirklich auf sich nehmen könnte, dass der Preis des Gases oder des Öls um 2-3 Forint höher sein wird, und wir es dann nicht aus Russland, sondern von anderswo kaufen. Die Situation ist also nicht diese, sondern jene, dass es entweder Gas gibt oder es gibt kein Gas, denn dieses kommt am meisten in Rohren nach Ungarn, Deutschland und Österreich, und in diesem Rohr kommt Gas oder Öl oder nicht. Es gibt also so etwas nicht, dass es ein bisschen teurer kommt. Es ist also für Ungarn nicht die Frage, ob es bereit ist, etwas mehr Geld für die Energie zu zahlen und dadurch der Ukraine zu helfen, denn dazu wären wir dann bereit. Sondern es geht darum, ob es denn überhaupt kommt. Sagen wir im Fall von Ungarn sind mehr als 60% des in Ungarn verbrauchten Erdöls nur aus Russland importierbar. Das Erdöl ist wichtig, weil darüber hinaus, dass wir daraus zahlreiche Produkte der chemischen Industrie herstellen, wird daraus der Treibstoff. Die Raffinerien Ungarns sind für diesen Typ von Öl entwickelt worden. Wenn wir uns auf eine andere Art von Öl umstellen wollen, und wir jene mit Hilfe irgendeines Mittels – über das noch niemand gesagt hat, wie es aussehen sollte – schaffen würden, es zu importieren, dann müsste man immer noch eine Lösung dafür finden, dann müsste man noch immer die Raffinerien in Ungarn umrüsten, was eine mehrere Jahre erfordernde Arbeit wäre. Worum uns also die Ukrainer bitten, bedeutet, dass 61% des in Ungarn gebrauchten Öls verschwinden. Und das bedeutet, dass es keinen Treibstoff in Ungarn gibt. Das gleiche gilt auch für das Gas. Wenn es also kein Gas gibt, dann bedeutet dies, dass 85% des gesamten ungarischen Gasverbrauchs verschwinden, denn so viel kommt aus Russland. Für uns ist also nicht die Frage, ob es ein bisschen teurer wird oder nicht, sondern ob die Wirtschaft stehen bleibt? Und wenn es kein Öl und kein Gas gibt, dann wird die ungarische Wirtschaft langsamer und bleibt innerhalb weniger Tage stehen. Und das bedeutet, dass Fabriken geschlossen werden müssen. Das bedeutet, dass die Arbeitslosigkeit anzusteigen beginnt. Nicht ein bisschen, sondern sehr. Dann wird es Massenarbeitslosigkeit in Ungarn geben. Worum uns die Ukrainer also bitten, ist nichts anderes, als dass wir die ungarische Wirtschaft in ihrer Gänze anhalten, erneut Jahre unserer Entwicklung verlieren sollen und das Leistungsniveau der ungarischen Wirtschaft dorthin sinken soll, wo wir vor acht-zehn oder wer weiß wie vielen Jahren gewesen sind. Also geht es bei ihrer Bitte nicht um eine einfache Geste, einen geringen Preis, sondern praktisch um das Anhalten der gesamten ungarischen Wirtschaft. Und ich mache alles, um den Ukrainern zu helfen, denn man hat sie ja angegriffen, sie sind in Not geraten. Vergessen wir jene Diskussionen, wie sie mit unseren Minderheiten umgegangen sind. Das ist jetzt in so einer dramatischen Situation sekundär, wir vergessen es nicht, aber es ist sekundär. Wir tun alles, was wir tun können, doch können sie uns nicht darum bitten, uns selbst in ihrem Interesse kaputtzumachen.

Es ist ein merkwürdiger Vorfall auf dem Gipfel der Europäischen Union geschehen. Präsident Selenskij wurde online zugeschaltet, wie das häufig geschieht, und er hat Sie persönlich angesprochen und Rechenschaft gefordert, warum wir keine Waffen geben und keine Waffen liefern.

Die Wahrheit ist, dass er alle angesprochen hat. Nur ist das geschehen, dass die ungarischen Medien verständlicherweise und sehr richtig sich auf die ungarischen Aspekte konzentrieren, aber er hat jeden, der mit ihm nicht einverstanden ist, angesprochen.

Aber namentlich?

Ja, ja. Er hat auch den deutschen Bundeskanzler beschworen, wie die Deutschen historisch in den verschiedenen Kriegen bestanden haben, mit einer ziemlich scharfen Stimme. Er hat also einen jeden angegriffen, über den er dachte, er sei nicht engagiert genug für die ukrainische Sache.

Gut. Ich habe mir dann auch die Aufnahme angesehen und da ich mich seit ziemlich langem mit Kommunikation beschäftige, so war zu sehen, dass so in eine Kamera zu blicken, wie das Selensklij getan hat, dass können nur professionelle Schauspieler.

Nun, er ist ja einer.

Ja, er ist es, nur was ich sage, ist, ob Sie nicht das Gefühl hatten, in einer inszenierten Szene zu sitzen?

Nun, ich verspüre das ständig. Ein Großteil der europäischen Politik besteht aus inszenierten Szenen, daran ist nichts Außergewöhnliches. Unabhängig davon muss man das noch ernst nehmen. Ein jeder, ich bin Jurist, ich komme also von dort, und ich gebrauche das Wissen, das ich in der Welt des Rechts gesammelt habe. Und wer Schauspieler ist, der nutzt das und arbeitet damit, was er als Schauspieler gesammelt hat. Darin sehe ich nichts Außergewöhnliches. Ja, ich sehe selbst darin nichts Außergewöhnliches, dass der Präsident so scharf formuliert. Es mag vielleicht ungewöhnlich sein, doch gibt es keine ungewöhnlichere Sache als den Krieg. Ich halte also das Verhalten des Präsidenten nicht für unbegründet. Und ich verstehe auch, was er sagt, denn sein Standpunkt ist einfach. „Die Ukraine ist im Krieg. Wir haben uns bei Euch als NATO-Mitglied gemeldet. Wir haben uns zu Euch als Mitglied der Europäischen Union gemeldet. Warum helft Ihr jetzt nicht? Warum kommt Ihr nicht hierher? Warum kämpft Ihr nicht mit uns? Warum ist hier kein einziger ungarischer Soldat oder ein amerikanischer oder ein polnischer? Warum lasst Ihr es zu, dass Russland uns besiegt, indem es seine Überlegenheit an Stärke ausnutzt?“ Also sein Interesse, das ukrainische Interesse ist es, möglichst viele Länder in diesen Krieg miteinzubeziehen. Nun, das kann man beanstanden, doch muss man es unbedingt verstehen.

Gut, aber hat nicht ein Satz seitens Herrn Selenskijs gefehlt? Zum Beispiel die halbe Million Flüchtlinge, die wir aufgenommen haben?

Ja, ja, natürlich, aber in derart dramatischen Situationen kann man über den Mangel an Nuancierung vielleicht hinwegsehen. Doch ist es in solch einer Situation am wichtigsten, ihm klarzumachen, dass wir an diesem Krieg nicht teilnehmen möchten, und wenn wir alles tun, was wir tun können, so besteht doch unsere moralische Verantwortung nicht für die Ukraine. Unsere moralische Verantwortung besteht für unser eigenes Volk. Ich werde vor Gottes Antlitz nicht über das Volk der Ukraine Rechenschaft ablegen müssen, sondern über das der Ungarn. Ich muss also betrachten, was im Interesse der Ungarn ist, was man für die Ungarn tun muss? Und natürlich helfen die Ungarn jenen, die in Not geraten sind, immer, besonders wenn diese in der Nachbarschaft leben. Hier sind z.B. die Ukrainer. Also im Verhältnis zur Bevölkerungszahl sind die meisten Flüchtlinge aus der Ukraine nach Ungarn gekommen. Hinsichtlich der absoluten Zahlen sind die meisten natürlich nach Polen gegangen, aber im Verhältnis zur Bevölkerungszahl sind mehr als 5 Prozent der ungarischen Bevölkerung als Flüchtlinge nach Ungarn gekommen, und wir haben einen jeden versorgt. Jetzt verstehe ich, dass wenn man um sein Leben kämpft, dann fällt einem nicht ein, sich hierfür zu bedanken. Auch das verstehe ich. Doch am wichtigsten ist, dass wir nicht mit dem ukrainischen Präsidenten diskutieren, denn er macht das, was er in seiner Lage logischerweise machen muss. In der Diskussion in Ungarn geht es darum, und diese läuft zwischen der Linken und der Regierung, auf Grund der Grundsätze welcher Seite man hier verfahren müsse. Müssen wir der Bitte der Ukrainer entsprechen oder müssen wir schauen, auf welche Weise wir so den Ukrainern helfen können, dass wir dabei nicht die ungarischen Interessen beschädigen? Zum Beispiel sollten wir uns nicht in den Krieg hineinziehen lassen, es soll kein einziger ungarischer Mensch in diesem Krieg sterben. Wir sollten unsere Wirtschaft nicht kaputtmachen, doch sollten wir natürlich den Ukrainern helfen. Also sei die Alternative, die ich hier von Ferenc Gyurcsány oder irgendeinem anderen Chef der Linken gehört habe, dass es nur zwei Möglichkeiten gibt, dass wir uns entweder moralisch selbst beschimpfen oder unsere Interessen auf dem Altar der ukrainischen Interessen opfern und das tun, was der ukrainische Präsident sagt.

Ja, oder Du stirbst, so hat Ferenc Gyurcsány formuliert.

Ja, aber was für eine Denkweise ist denn das? Wir sind also doch ein erwachsenes, reifes Volk, wir verfügen über eine mehr als tausendjährige Geschichte. Wir wissen, wer wir sind, wir wissen, wer die Russen sind, wer die Ukrainer sind. Wir können unseren Platz in der Welt auch von unseren eigenen Interessen ausgehend bestimmen. Wir müssen unsere Position nicht mit der der anderen in ein Verhältnis setzen. Wenn aber die Frage ist, auf wessen Seite wir stehen, dann stehen wir seit 1.100 Jahren auf der Seite der Ungarn, da wir eine gemeinsame Nation sind. Jene Denkweise, die den ungarischen Standpunkt moralisch abwerten will, ist ein falscher und schädlicher Standpunkt. Die Ungarn vertreten moralisch einen richtigen Standpunkt. Wir geben den Ukrainern alles, vielleicht auch noch über unsere Kräfte hinausgehend, doch befriedigen wir keines ihrer Bedürfnisse, die im Übrigen unsere nationale Gemeinschaft beschädigen würde, ganz gleich ob im biologischen Sinn, d.h. dass unsere Söhne im Krieg von jemand anderen sterben, oder die Wirtschaft Ungarns kaputtmachen würde. Dies können wir nicht auf uns nehmen, doch kann uns niemand um dies bitten. Uns hat niemand gefragt, mit uns hat niemand konsultiert. Wir haben an der Entscheidung nicht teilgenommen, als deren Ergebnis die kriegerische Situation auf der ukrainischen und der russischen Seite entstanden ist. Deshalb ist unser Verhältnis zu dieser Situation oder zu diesem Konflikt klar und eindeutig. Ich muss sagen, es ist auch nicht singulär. Hier nehmen aber doch mehrere andere Länder einen ähnlichen Standpunkt ein, wir sind also nicht allein.

Nicht nur Präsident Selenskij, aber auch andere führende Politiker der Europäischen Union, darunter selbst solche, mit denen wir im Rahmen der V4 zusammenzuhalten pflegen, formulieren dahingehend, sie verstünden nicht, warum für uns das billige Öl wichtiger sei als die ukrainischen Leben, sie formulieren derart scharf. Und da fällt einem ein, warum sie nicht Deutschland, Frankreich oder Italien zur Rechenschaft ziehen, dass diese zwischen 2015 und 2020 Waffen an Russland geliefert haben, als dies die Sanktionen der Europäischen Union untersagten. Man hat tausend solcher Waffenliefererlaubnisse im Laufe dieser fünf Jahre herausgegeben. Das zählt nicht als Putin-Freundschaft? Nur ist es angeblich Putin-Freundschaft, wenn Ungarn nicht in diesen Krieg hineingezogen werden will?

Nun, ich beschäftige mich nicht viel mit den Angelegenheiten anderer, denn ich könnte noch reichlich ähnliche Fälle aufzählen. Zum Beispiel gibt es jene, die wegen des gegen die Russen nach ’14 eingeführten Wirtschaftsembargos ausgesprochen Gewinn damit gemacht haben, und es gibt jene, die daran verloren haben. Wir z.B. haben daran verloren, und andere haben daran gewonnen. Also auch ich könnte noch zahlreiche ähnliche Beispiele anführen, doch ist das nicht interessant, denn wir müssen klarstellen, dass wir die Ungarn sind. Deshalb verfolgen wir immer eine ungarnfreundliche Politik. Unsere Gegner versuchen uns natürlich von dort wegzubewegen, uns dazu zu bringen, die nationalen Positionen aufzugeben, indem sie unsere Position negativ bewerten. Doch ist die ungarische Politik nicht ukrainefreundlich und nicht russenfreundlich, sondern es ist eine ungarnfreundliche Politik. Wir stehen auf nationaler Grundlage. Die Großmächte sind daran interessiert, dass die mit ihnen kooperierenden Länder nicht auf einer nationalen Grundlage stehen, sondern vielmehr auf einer imperialen oder übernationalen Grundlage, dass sie ihre eigenen nationalen Interessen aufgeben und dem Druck der Großen nachgeben. Das ist keine so komplizierte Formel. Wir kennen sie, auch das hat nicht heute begonnen, wir haben eine mehrere hundert Jahre lange Geschichte. Wir haben so etwas schon gesehen, wir wissen, wie man die ungarischen Interessen vertreten muss. Das Wesentliche ist die Ruhe. Denn Sie sehen ja, es gibt hier ja auch Situationen der moralischen Erpressung, siehe den ukrainischen Präsidenten, der auch dieses Instrument benutzt, was ich, was ich noch einmal unterstreiche, verstehe. Nur behalte ich auch die Ruhe. Dies nenne ich strategische Ruhe. Wenn die Blitze einschlagen, alle nervös sind und die führenden Politiker von Staaten reden, die verständlicherweise sich in einer sehr schwierigen Situation befinden, dann ist es sehr wichtig, unsere Besonnenheit zu behalten, unsere Umsicht, unsere Ruhe. Wir haben das Zeitalter der Gefahren betreten, wir leben in gefährlichen Zeiten, in denen der Wert der Ruhe, der Besonnenheit anwächst.

Dann sollen wir diese sogenannten Bemerkungen dem Wahlkampf in Rechnung stellen? Sicherlich ist sich ein jeder darüber im Klaren, dass es in einer Woche Wahlen in Ungarn geben wird, und sie sind eben der Meinung, warum sollten sie nicht ein bisschen Ungarn oder gerade die ungarische Regierung piesacken. Oder geht es darum, dass ein jeder es empfindet, dass wir vor einer geopolitischen Veränderung stehen. Machtinteressen ändern sich und es kann auch sein, dass die Zusammenstellung der Gruppierungen sich ändern wird, und ein jeder versucht sich in dieser Situation zu positionieren.

Darin steckt viel Wahrheit. Wie das ja Ferenc Deák formuliert hatte, ab und zu muss die Weste neu geknöpft werden. Und jetzt befinden wir uns im Zeitraum des Neuknöpfens der europäischen Weste. Der Krieg hat also die europäische Sicherheitslage verändert, und hat auch die europäische wirtschaftliche Lage verändert. Jetzt muss alles neu nachgerechnet werden. Deshalb war z.B. auf dem Gipfel der Europäischen Union, denn von hier aus startete unser Gespräch, neben der Frage des Krieges die andere große und wichtige Angelegenheit die Frage der Energie, die natürlich mit dem Krieg zusammenhängt, doch bereits vor dem Krieg waren die Preise für Energie in Europa hoch im Himmel. Die Frage ist also, ob Brüssel, die Brüsseler Bürokraten heute eine gute Energiepolitik verfolgen oder ob es sich lohnen würde, daran irgendwelche Korrekturen vorzunehmen? Dies hat im Übrigen die 27 Ministerpräsidenten einen ganzen Tag gekostet, denn es sind ganz unterschiedliche Vorschläge und ganz verschiedene Annäherungen auf den Tisch gelegt worden. Doch um auf die ungarische Situation zurückzukommen, hier kann man aber auch den Wahlkampf nicht ganz ausschalten. Ein jeder weiß, dass es in Ungarn Wahlen geben wird. Ungarn besitzt in der internationalen Arena eine klare, eigentümliche Stimme, es wird nicht nur Wahlen geben, sondern auch eine Volksabstimmung. In diesem ganzen westlichen Genderwahn ist Ungarn die Insel der Ruhe. Wir schließen uns ja nicht diesem Wahn an, wir wenden auch weiterhin die traditionelle Annäherung an die Familie an. Die Mutter ist eine Frau zum Beispiel, der Vater ist ein Mann, man soll unsere Kinder in Ruhe lassen. Also ein jeder spürt, dass hier dann Dinge in Ungarn entschieden werden, die europäische Konsequenzen und europäische Bedeutung besitzen werden. Zugleich ist der Krieg über den gesamten ungarischen Wahlkampf hereingestürzt. Jetzt ist es nicht mehr nur die Frage, ob wir in die Vergangenheit voller Niederlagen zurückgehen sollen, dass wir dann die 13. Monatsrente behalten, und der Gegner sie vielleicht wieder wegnehmen würde, wir das System der Unterstützung der Familien entwickeln wollen, sie haben es gestrichen, sicherlich würden sie dies wieder tun. Sie haben auch im Parlament nicht für diese Entscheidungen gestimmt. Es geht also darum, ob wir in die, nennen wir es so, Gyurcsányära zurückgehen oder weiter vorangehen sollen? Darauf sagen wir, dass Ungarn vorwärtsgehen muss und nicht zurück. Doch darüber hinaus ist jetzt auch die Frage von Frieden und Sicherheit unter dem, worum es bei der Wahl gehen wird. Und unsere Botschaft ist klar, nur der Fidesz kann in Ungarn Frieden schaffen, nur wir können die Sicherheit der ungarischen Menschen garantieren. Und so ist eben unser Wahlkampf um eine internationale Dimension reicher geworden, deshalb ist er auch spannender. Manchen missfällt das. Manche denken, ein stillerer Wahlkampf wäre besser. Und es gibt jene, die der Ansicht sind, jetzt gibt es die Möglichkeit, endlich ernsthaft, ehrlich und tiefgründig über sehr wichtige Fragen zu sprechen. Ich gehöre zu den letzteren. Ich will den Wahlkampf also nicht stiller machen, sondern ich versuche möglichst viele Menschen miteinzubeziehen, z*/ zur Sprache, die vielleicht infolge des Krieges eintreten wird? Es gab ja jetzt auch einen G7-Gipfel, auf dem formuliert wurde, es wäre gut, wenn die Sanktionen nicht für den Export der russischen Waren gelten würden, denn daraus wird es wieder nur große Probleme geben. Ja man hat sogar bemerkt, dass Ungarns Regierung gesagt hat, man solle kein Getreide aus Ungarn ausführen, es soll genügend hier zu Hause geben.

Sprechen wir zuerst über die Lebensmittelpreise und danach über die Energie, obwohl die beiden miteinander zusammenhängen. Man hat tatsächlich die Alarmglocken schrillen lassen. Der französische Präsident hatte die Leitung, man sprach in einem ungewöhnlich scharfen und rüden Ton darüber, dass an mehreren Punkten der Welt Lebensmittelknappheit auftreten könnte, selbst auch in Europa. Natürlich zeichnet sich das größte Übel noch nicht hier ab, sondern eher in den afrikanischen Regionen. Die Ukraine und Russland gemeinsam sind ja beide große Getreideexporteure. Sie machen einen ansehnlichen Teil des Weltgetreidehandels aus, und sie liefern am meisten in Gebiete, wo kein Getreide wächst oder nicht genügend wächst. Das ist die afrikanische Region. Und es ist schon lange her, aber die älteren Zuhörer werden sich sicher daran erinnern, dass auch der Arabische Frühling nicht als Menschenrechtsbewegung begann. Der arabische Frühling war eine Hungerrebellion, denn es trat ein Lebensmittelmangel auf, und deshalb gerieten die dortigen politischen Regimes ins Wanken. Und daraus erwuchsen dann Befreiungs- und Befreiungskriegsbewegungen und sind dorthin gelangt, wohin sie gelangt sind. Das wäre das Thema für ein anderes Gespräch. Doch das Wesentliche ist, dass das Fehlen von Weizen, also von Getreide nicht nur Länder, sondern ganze Großregionen, ja Kontinente zu destabilisieren in der Lage ist. Und da wegen des russisch-ukrainischen Krieges jene Mengen entfallen oder entfallen könnten, kann es deshalb an Orten Probleme geben, von denen im Übrigen Migranten zu Millionen nach Europa zu kommen pflegen. Also die ganze Lebensmittelfrage, der mögliche Lebensmittelmangel steht auch im Zusammenhang mit dem Problem der Migration, denn der Arabische Frühling war ja einer der Auslöser der großen Migrationswelle, unter der wir alle leiden, und der Grund dessen war ein Getreidemangel. Hinzu kommt noch, dass auch Europa in diese Situation geraten kann, ja selbst Ungarn, und wir müssen bei Sinnen sein. Nach unserer Berechnung ist Ungarn auf seinem derzeitigen technologischen Niveau in der Lage, etwa 17 Millionen Menschen mit Lebensmitteln zu versorgen. Und wir sind innerhalb der Landesgrenzen nur 10 Millionen, wir verfügen also über einen Überschuss. Wenn wir unsere Sache besser machen würden, und wir möchten sie immer besser machen, dann könnte dies selbst die Zahl von 20 Millionen erreichen. Wir können also Lebensmittel ausreichend für etwa 10 Millionen Menschen anderen anbieten. Doch wenn die Preise in die Höhe schießen und der Preis der Lebensmittel ansteigt, erscheinen dann plötzlich Käufer, die so hohe Preise für die ungarischen Waren anbieten können, dass sie einfach den Lebensmittelbestand aus Ungarn hinaussaugen, und am Ende bleiben wir hier, die wir einen Überschuss erwirtschaften können, ohne Lebensmittel. Deshalb musste diese umstrittene Entscheidung eingeführt werden, was der EU nicht gefällt, nach der Du, wenn Du Getreide aus Ungarn ausführen willst, dies vorher ankündigen musst. Und wenn es die Versorgungssicherheit des Landes erfordert, dann hat der ungarische Staat das Vorkaufsrecht. Wir nehmen also von niemandem etwas weg, wir sind keine Kommunisten, doch verteidigen wir unsere nationalen Interessen, und wenn Ungarn eine in einem Vertrag vorkommende Getreidemenge benötigt, dann schreiten wir ein und werden sie zu dem Preis kaufen. Das ist den heute bestehenden Regeln der Europäischen Union entgegengesetzt, oder streift sie zumindest, vielleicht eher von außen. Deshalb gibt es eine Diskussion darüber. Doch glaube ich daran, dass wir früher oder später die bestehenden Regeln verändern werden, denn jedes Land wird es brauchen, die Lebensmittelsicherheit der eigenen Menschen, der eigenen Bürger garantieren zu können. Was jetzt die Energie angeht, der Preis der Energie begann ja vor dem Krieg anzusteigen. Wir können also nicht sagen, dass der Preis der Energie wegen des Krieges ansteigt. Er hat das nur noch weiter verstärkt. In Wirklichkeit steigt der Preis der Energie in Europa, weil die Europäische Union die Preise anhebt. Also nicht der Markt hebt sie an, sondern die EU selbst. Und das ist ein Programm. Die Europäische Kommission sagt also, man müsse das Klima auf die Weise schützen, indem man die Menschen zwingt, möglichst wenig Energie zu verbrauchen, und deshalb heben sie auf eine vorher angekündigte Weise jedes Jahr zentral den Preis der Energie an. Das erreichen sie durch einen komplizierten Mechanismus, das nennen sie Quote, das erkläre ich jetzt nicht, wenn Sie erlauben. Doch das Wesentliche ist, dass sie so eine spezielle Steuer auf die Energie erheben, und dann erreichen sie, dass obwohl im Übrigen auf marktwirtschaftlicher Grundlage die aus Steinkohle gewonnene Energie oder der aus Öl oder aus Gas hergestellte Strom auf einfacher geschäftlicher Grundlage noch gewinnbringend wäre, man konnte also die Preise noch senken, aber durch die von der EU erhobene spezielle Quotensteuer werden sie immer teurer und sie lohnen sich gar nicht mehr. Deshalb werden sie dann diese Kraftwerke einstellen, dann werden wir lieber grüne Energie nutzen, denn wegen der straft die EU nicht, und eine Veränderung tritt auf diese Weise ein. Jetzt bezweifle ich sowieso, ob dies ein gut geplanter Prozess wäre, doch kann man zumindest philosophisch sagen, dass wir in diese Richtung losgehen können. Da aber der Krieg alles noch verschärft hat, darf man jetzt meiner Ansicht nach diese Politik nicht verfolgen. Wir müssen also die Politik der künstlichen Brüsseler Preiserhöhungen aussetzen. Und man muss sagen, solange die Wirkungen des Krieges nicht vorbei sind, können wir unsere Familien nicht dem aussetzen, dass wir künstlich den Preis der Energie auf das Drei-bis-Vierfache erhöhen. Dann sollten wir diesen Prozess abstellen, ihn aussetzen, Brüssel soll den Preis der Energie nicht anheben, und dann wird der Preis der Energie plötzlich bezahlbar oder zumindest ertragbar sein. Das ist unser Vorschlag. Na, in Brüssel drehen sie davon durch. Die Situation ist also die, dass ich dies vorerst nur sehr bescheiden, vorsichtig, im Vorbeigehen aufwerfen kann, doch bin ich davon überzeugt, dass wenn ein-zwei Monate vergangen sein werden, dann die europäischen, die Brüsseler Bürokraten keine andere Wahl haben werden als einzusehen, dass sie die Politik der künstlichen Preiserhöhung einstellen müssen. Hinzu kommt noch, dass wenn wir über die Inflation reden, die jetzt auch schon in Deutschland, was am besorgniserregendsten ist, unerträgliche Ausmaße anzunehmen beginnt, und im Baltikum bereits bei 12, 13, 14 Prozent ist, auch hier in Ungarn kämpfen wir, um sie runterdrücken zu können oder zumindest den Anstieg begrenzen zu können, also unter den Ursachen dieses Preisanstiegs findet sich mindestens mit dem Gewicht von 50 Prozent die Erhöhung der Energiepreise. Wenn also die Brüsseler Bürokraten nicht künstlich den Preis der Energie anheben würden, würden wir ein Instrument dazu finden, die Geschwindigkeit der Inflation, des Wertverlustes des Geldes, der Geschwindigkeit des Preisanstiegs verringern zu können.

Vielen Dank! Sie hörten Ministerpräsident Viktor Orbán.