Meine Damen und Herren! Liebe Gäste!
Ich begrüße den Herrn Vizepräsidenten recht herzlich. Ungarn löst heute eine alte Schuld ein, wenn wir nun Sándor Lezsák das Großkreuz überreichen. Obwohl er selbst mit der notwendigen Bescheidenheit mit der Tatsache umgeht, dass der Systemwechsel 1987 von seinem Garten aus losgehend sich seinen Weg bahnte, so ist das dennoch eine historische Tatsache. Und wenn dies auch eine wichtige Tatsache, ja ein Kuriosum ist, und auch zu der Hauptrolle in einem Dokumentarfilm reichen würde, so wäre es zu wenig, um die höchste Auszeichnung Ungarns zu erhalten. Sándor Lezsák erhält diese hohe Anerkennung nicht für das, was er begonnen hat, sondern dafür, was er zu Ende gebracht und beendet hat. Ich erinnere mich, in den achtziger Jahren gab es schon viele Menschen, die das Ende des Kommunismus erwarteten, aber jene waren um vieles weniger, die es auch wagten, etwas zu tun, und nur die mutigsten dieser bekannten sich zu der sich vorbereitenden Auflehnung, gaben ihr ihr Gesicht und ihr Zuhause. Ja, Sándor Lezsák war der erste unter den dem volkstümlich-nationalen Kulturkreis entstammenden Intellektuellen, der erkannte, dass nach der Zeit des Murrens, der des Brodelns und der vergeblichen Suche nach Verbündeten auf der Seite der Macht die Zeit der offenen Auflehnung gekommen war. Es sah bereits, das Zeiten kommen werden, in denen alles geschehen kann, und niemand wird voraussehen können, welche Folgen ein ausgesprochenes Wort oder ein niedergeschriebener Satz haben wird. Es war also an der Zeit, sich zu organisieren. Und Sándor Lezsák entschied sich in dieser heiklen Situation eine schicksalsentscheidende oppositionelle Beratung zu organisieren.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident!
Es gibt Menschen, die können auf zahlreichen Gebieten zugleich ein bleibendes Lebenswerk erschaffen. Sándor Lezsák gehört zu ihnen. Zugleich sehen wir auch sehr deutlich, wie er auch neben seiner glänzenden Laufbahn im öffentlichen Leben und seinem bedeutenden literarischen Lebenswerk der geblieben ist, der er schon immer gewesen war: Der Fürsprecher und der große Wissende der ungarischen Nation und Kultur. Mit Staunen beobachten wir, wie er auch jetzt noch mit dem Schwung und der Entschlossenheit von vor dreißig Jahren arbeitet und unter anderem – bereits zum mehrfachen Male – den Posten des Parlamentsvizepräsidenten bekleidet, die ungarische Volkshochschulbewegung leitet und die Angelegenheiten der Mindszenty Gesellschaft weiterführt. Viele halten ihn für die rätselhafte Gestalt der ungarischen Politik, für ihren unergründlichen Mann im Hintergrund, für ihren undurchschaubaren Organisator, dabei liegt die Sache einfacher, als es die politischen Rätselrater, die modernen Kremlinologen glauben. Hinter jeder Entscheidung, jeder Bewegung, jeder Initiative arbeitet eine einzige Sache. Sándor Lezsák arbeitet daran, dem Ungarntum seine Selbstachtung im gesamten Karpatenbecken zurückzugeben. In seiner ungarischen Bibel steht geschrieben, dass es ohne nationale Selbstachtung keine ungarische Zukunft gibt. Und die Selbstachtung der ganzen Nation addiert sich aus der Selbstachtung der einzelnen Menschen. Und daraus ergibt sich die einfache Folgerung, dass unsere Sache nur ist, das Gefühl, dass Ungar zu sein, die großartigste Sache sei, die dem Menschen passieren kann, auch den nächsten Generationen der Ungarn einzupflanzen. Dies ist eine Liebe, die den Menschen bis zum Ende seines Lebens begleitet, ihn in unbegreifbare Höhen schleudern und in unergründliche Tiefen hinunterreißen kann. Wer ein Ungar ist, ist ein Sohn des Glücks, denn sein Leben kann nie leer oder uninteressant werden. Er wird weder durch die unerträgliche Leichtigkeit des Seins noch durch das Gefühl der Sinnlosigkeit des menschlichen Tuns bedroht, und auf diese Weise macht auch der Zweifel über den Sinn der Existenz einen weiten Bogen um ihn. Wir danken Ihnen, dass Sie seit Jahrzehnten Bote und Fürsprecher dieser Liebe sind.
Sehr geehrter Herr Vizepräsident!
Wir bitten Sie, als Zeichen der Dankbarkeit der gesamten ungarischen Nation diese Auszeichnung anzunehmen. Gott lasse Sie an Ihrem siebzigsten Geburtstag hoch leben und erhalte Sie uns noch lange in alter Kraft und guter Gesundheit!