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Viktor Orbáns Rede auf der Feier aus Anlass des 20. Jahrestags der Übergabe der Maria-Valeria-Brücke

Sehr geehrte Herr Bürgermeister, Herr Präsidenten! Meine Damen und Herren!

Lieber Eduard! Wir danken Dir, dass Du hier mit uns bist. Zu zwanzigjährigen Jubiläen von Brückeneinweihungen pflegt man keine derart großen Feiern zu veranstalten. Die Ministerpräsidenten zweier benachbarter Länder sind hier, die Würdenträger der beiden Städte, die Führer der Gemeinschaften und auch viele-viele Bürger. Dabei weihen wir gar keine Brücke ein, sondern erinnern uns nur an eine Brückeneinweihung vor zwanzig Jahren. Es ist ersichtlich: Hier geht es um mehr als um einen einfachen Jahrestag. Die Maria-Valeria-Brücke ist zu einem Symbol geworden. Ich bin in der glücklichen Situation, auch bei der Einweihung hier gewesen zu sein. Bei solchen Anlässen kann man – in der Einweihungsrede der Brücke – sagen, dass die Brücke die Menschen und die Länder miteinander verbindet, bzw. dass die aus dem Wasser hervorwachsenden Pfeiler auch die Felsenfestigkeit des Glaubens an die gemeinsame Zukunft symbolisieren. Auch ich habe ähnliche Wahrheiten vor zwanzig Jahren gesagt. Heute muss man schon mehr und mit einer anderen Stimme sagen. Heute wehen schon andere Winde, und heute sehen wir die Welt schon anders. Damals waren gerade zehn Jahre vergangen, dass wir das sowjetische Gängelband abgeworfen hatten. Damals waren wir frische Mitglieder der Organisation des Nordatlantischen Vertrages, der NATO. Damals standen wir dort drei Jahre von der europäischen Integration entfernt. Wir sehnten uns in die Heimat unserer Heimat, nach Europa, und wir hofften, durch unseren Beitritt zur EU würden sich auch alle unserer Sorgen lösen. Zu Recht waren alle Völker Mitteleuropas hoffnungsfroh. Wir dachten, die tatsächlich Kampf erfordernden Jahre stünden schon hinter uns, wir dachten, wir hätten das Schwierigste schon hinter uns. Inzwischen ist die damalige Stimmung verflogen, verdunstet, wir mussten erkennen, dass man unsere eigene Zukunft nicht dem guten Willen äußerer Akteure anvertrauen kann, wir selbst müssen jeden einzelnen Tag für unsere eigenen Erfolge kämpfen.

Sehr geehrte Esztergomer und Párkányer!

Die Maria-Valeria-Brücke ist ein sehr konkretes, mit unserem Alltagsleben verbundenes Stück Kunst. Die Brücke hilft den hier Lebenden, an ihre Arbeitsplätze zu gelangen, eventuell ihre Angelegenheiten zu ordnen oder die Familie zu besuchen. Heute setzt sich die eigentümlich mitteleuropäische Lebensweise, die für unsere Länder charakteristisch ist, aus solchen kleinen, aber wichtigen Momenten zusammen. Sich erweiternde Arbeitsplätze, stärker werdende Wirtschaften, saubere Straßen, ordentliche Häuser, der Respekt für die Traditionen, die familiären Werte, die kirchlichen und weltlichen Gemeinschaften, die Liebe zu unserem Heim. Wir Slowaken und Ungarn müssen daran arbeiten, damit die hier lebenden Menschen so leben können, wie sie möchten und wie sie sich gut fühlen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Ministerpräsident! Lieber Eduard!

Es gibt wohl kaum noch zwei Völker, die die Welt auf eine derart ähnliche Weise sehen würden, wie das slowakische und das ungarische. Eine Sache gibt es nur, die uns tatsächlich trennt: unsere Sprachen. Wir verstehen uns ganz bis zu dem Punkt vollkommen, bis wir zu sprechen beginnen. Vor zwanzig Jahren stand auch noch Brüssel auf unserer Seite, unterstützte uns, es half uns auch diese Brücke wieder aufzubauen. Heute betrachten sie die Mitteleuropäer immer häufiger nicht als gleichberechtigte Partner, sondern als Mitgliedsstaaten zweiter Klasse. Sie wollen uns zum Beispiel jene aufzwingen, mit denen wir nicht zusammenleben wollen. Sie wollen uns etwas aufzwingen, was unsere wirtschaftlichen Möglichkeiten einengen würde. Sie wollen uns auch eine Lebensweise aufzwingen, die allem widerspricht, was wir für wertvoll und bewahrenswert halten. Es fällt schwer, gegen diese Bedrohung anzukämpfen, wie eine Art David der Moderne stehen wir häufig dem Brüsseler Goliath gegenüber. Darüber könnten auch unsere polnischen und tschechischen Freunde viel erzählen. Ja, die Brücke selbst könnte viel erzählen. Die kaiserlichen Truppen haben sie niedergebrannt, 1919 fiel sie dem Krieg zum Opfer, im Zweiten Weltkrieg haben die Deutschen sie zerstört, damit dann die sowjetischen Besatzer ihre Ruinen uns als Memento hinterließen. Über Mitteleuropa, die Slowaken und die Ungarn sind fremde Großmächte mehrfach hinwegmarschiert. Und die Fremden haben die Brücken immer zerstört, und immer mussten wir sie wieder aufbauen. An der Grenze zweier Länder, die jeweils für sich und auch gemeinsam schwerwiegende Lehren aus den Aggressionen der Besatzer des vergangenen Jahrhunderts gezogen haben, ist es leicht, einzusehen, dass wir, Slowaken und Ungarn, nicht Feinde, sondern Schicksalsgenossen sind. Die klugen Nachbarn bekriegen sich nicht, und feinden sich auch nicht an. Zwischen den in der mitteleuropäischen Schicksalsgemeinschaft lebenden Völkern ist jedwede Feindschaft sinnlos, das Unterpfand für unser aller Überleben ist die Freundschaft und das Schließen von Bündnissen. Die Kooperation zweier gleichberechtigter, die Kultur des jeweils anderen respektierender Nationen ist immer fruchtbar. Man kann zugleich stolzer Europäer und Slowake, stolzer Europäer und Ungar sein. Man kann ein Wirtschaftswachstum produzieren, das einen jeden erreicht, man kann für alle Arbeitsplätze schaffen, und dabei muss man unsere Lebensweise, uns selbst, unsere Vergangenheit und unsere Werte nicht aufgeben. Es gibt kein erfolgreiches Ungarn ohne eine erfolgreiche Slowakei – und umgekehrt. Wir, die Völker und Staaten der Region, können nur dann erfolgreich sein, wenn wir dies alle sind, und kooperieren. Wir sollten keine Illusionen haben: Das erfolgreiche Mitteleuropa ist nur uns wichtig, anderen nicht. Wer also gegen die Zusammenarbeit argumentiert, der spricht gegen sich selbst.

Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Die seit dem Aufbau der Brücke vergangenen zwei Jahrzehnte haben uns gelehrt, dass es für Ungarn und die Slowakei von Vorteil ist, Hand in Hand voranzuschreiten. Dies hat bereits erste Ergebnisse mit sich gebracht. Die Visegráder Vier waren in dem vergangenen Jahrzehnt, das voller europäischer Stürme war, in der Lage, kontinuierlich zu prosperieren. Wir sind zu dem in der Lage, was so sehr in Brüssel fehlt. Wir haben eine effektive und stabile Kooperation errichtet, und auf die uns betreffenden Zivilisationskrisen geben wir gemeinsame Antworten. So war es auch in der Zeit der Finanz-, der Migrations- und auch in der Coronakrise. Zwanzig Jahre nach dem Wiederaufbau der Brücke existiert eine mitteleuropäische Zusammenarbeit, die stärker als jemals zuvor ist. Wir wollen gute Schüler der Geschichte sein. Man muss die Brücken nicht nur wiedererrichten, sondern wir müssen uns auch daran erinnern, wer sie zerstört hat. Wenn wir das nicht tun, wird es wieder und immer wieder geschehen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Jedes Zeitalter besitzt seine eigenen Symbole. Die Maria-Valeria-Brücke ist auch ein Symbol geblieben. Sie lässt wissen: Wir sind Europas Zukunft, und lassen wir es nicht zu, dass die uns verbindenden Brücken jemals wieder erneut zerstört werden. Unser Schicksal ist auch weiterhin ein gemeinsames, unsere Aufgaben sind mehr geworden, und unsere Verantwortung hat zugenommen.

Viel Erfolg, Slowakei! Viel Erfolg, Ungarn!