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Viktor Orbáns Rede bei der Eröffnung des neuen Gebäudes des Ethnographischen Museums

Gewagt! Géza Szőcs würde sich sicher freuen, wenn er das sehen könnte, ja, wenn er es sieht, dann freut er sich ganz sicher. Vergessen wir nicht, dass der Gedanke seinem Kopf entsprungen war, dass Ungarn bzw. Budapest ein würdiger Ort Europas für ein beispielloses Museumsviertel wäre.

Ich begrüße Sie alle recht herzlich! Meine Damen und Herren!

Ich begrüße gesondert auch Herrn Minister János Csák. So geht das, János, man hat noch gar nicht sein Amt angetreten, schon badet man in der Glorie. Ich begrüße recht herzlich unseren Herrn Bürgermeister, István Tarlós, ohne ihn wir dieses großartige Abenteuer gar nicht in Angriff hätten nehmen können. Ich würde auch den amtierenden Bürgermeister begrüßen, doch würde ich ihn aus Gründen der Pietät, da er nicht gekommen ist, jetzt lieber nicht begrüßen. Doch immerhin möchte ich die Aufmerksamkeit der Gegner des Stadtwäldchenprojekts auf etwas aus dem ethnographischen Material der Dakota-Indianer richten – wenn wir schon in einem ethnographischen Museum sind –, dass wenn man merkt, dass man auf einem toten Pferd reitet, dann sollte man absteigen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Ich wünsche Ihnen allen einen guten Tag! Wir haben uns schon lange nicht mehr gesehen, auf den Tag genau seit vier Monaten, als wir in der Nachbarschaft zusammengekommen sind und das Haus der Ungarischen Musik übergeben haben, und jetzt sind wir erneut hier, und übergeben ein fantastisches neues kulturelles Zentrum, das Gebäude des Ethnographischen Museums. Inzwischen ist natürlich das eine und das andere geschehen. Danken wir dem lieben Gott, dass wir hier stehen dürfen, und Ungarn vorwärts geht und nicht zurück. Ich weiß nicht, ob unser Freund Szakcsi Lakatos hier ist? Wer hätte auch nur vor fünfzehn Jahren zu denken gewagt, dass die größte kulturelle Investition der westlichen Welt hier im Stadtwäldchen umgesetzt werden würde, wir werden kaum mit den Eröffnungen mitkommen können und gewinnen nacheinander die internationalen Anerkennungen. Warum haben wir all das getan? Warum haben wir diese großartigen Gebäude errichtet, unter ihnen auch das heutige? Warum haben wir uns entschieden, inmitten der unsicheren und sich verändernden Welt die Quellen Ungarns für die Kultur, für kulturelle Räume, für Museen und Konzertsäle, für die Herrichtung der gebauten Umwelt und des schönsten Parks von Budapest zu verwenden? Es ist nicht leicht, diese Frage zu beantworten. Einstein sagte einmal: „Jeder weiß, dass bestimmte Dinge nicht verwirklicht werden können, bis dann jemand kommt, der das nicht weiß, und sie verwirklicht.” Das wären wir. Während alle betonten, es wäre nicht möglich, sind wir Schritt für Schritt, von Gebäude zu Gebäude vorgegangen, ja am 3. April haben uns die ungarischen Menschen darin bestärkt, dass wir richtig daran getan haben, es zu verwirklichen, und sie sind der Ansicht – wie das der Fußballfanchor zum Ausdruck bringt: – „Mehr, mehr, mehr!“, Europas größte kulturelle Investition muss vollständig fertiggestellt werden. Ich habe das Gefühl, wir haben die Ermächtigung für die Verwirklichung des gesamten Programms erhalten.

Sehr geehrte Feiernde!

Man sagt, man habe während des Weltkriegs im britischen Parlament Churchill zu überzeugen versucht, er solle die Ausgaben für die Kultur senken und das Geld lieber für die Kriegsausgaben verwenden. Er antwortete: „Wofür kämpfen wir dann aber?“ So ist es damit, die Kultur einer Nation ist tatsächlich ein fester Wegweiser, die Kultur zeigt, woher wir kommen, und sie legt auch fest, wo wir ankommen müssen, und wenn wir das vernachlässigen, dann verirren wir uns unweigerlich. Und wenn wir uns verirrt haben, dann werden wir nach einiger Zeit auch nicht mehr wissen, wofür wir gekämpft haben.

Sehr geehrte Feiernde!

Die Bedeutung der Kultur vervielfacht sich, wenn es um die ungarische Volkskunst geht. Die Volkskunst zeigt, wie es ist, Ungar zu sein, und sie zeigt auch, wie gut es ist, Ungar zu sein. Die seit tausend Jahren angehäufte Weisheit unseres Volkes, die vielleicht auch älter als unsere Anwesenheit im Karpatenbecken ist, sein Wissen, seine Lebenserfahrung, seine Weltsicht fasst sich in der ungarischen Volkskultur zusammen. Wir sind ein Volk, von dem keine Schriften aus den alten Zeiten erhalten geblieben sind. Wir besitzen kein eigentümliches Schriftdenkmal aus unserem Leben vor dem Karpatenbecken, doch hier haben wir die ungarische Volkskunst, statt Schriften die Volksmärchen, statt Kultgegenständen die bildende Kunst des Volkes, statt Riten die Volkslieder, Balladen und Volkstänze. Das ist die Weisheit unserer Vorfahren, und aus all dem, der ungarischen Volkskunst zeichnet sich deutlich der ungarische Charakter ab. Wie ist denn dieser ungarische Charakter? Was ist die bestimmende ungarische Eigenheit? Niemand kann das gut formulieren, gerade deshalb haben wir dieses Ethnographische Museum errichtet, damit es die Antwort auf diese schwierige Frage gibt.

Meine lieben Freunde!

Was wir sicher wissen, dass unsere Sprache und unsere Musik uns mit Orten und Zeiten verbinden, wo andere europäische Völker nicht zu Hause sind. Dies gibt der ungarischen Welt ihren einzigartigen Charakter und den tieferen Grund für unsere Existenz, auch für unsere heutige Existenz. Wenn wir verschwinden würden, dann verschwände etwas unersetzbares aus der Welt. Und das gibt auch unserem Leben seine Mission, den Ungarn ihre Mission. Niemand anders ist geeignet und fähig, diese Kultur zu bewahren. Es ist auch ersichtlich, dass in unserer Welt die kulturelle Aufnahme immer schon ein wichtiges Element darstellte. Obwohl das Karpatenbecken ein buntes Gemisch der Völker bewohnte, von Zsolna bis Brasso, von Máramaros bis zu den Ufern der Drau gibt es etwas Ähnliches in den Häusern, der Ordnung der Dörfer und den Biegungen der Straßen. Es stellt sich in diesem Museum auch heraus, dass das Ungarntum ein Mal ist wie das Muttermal: unabwischbar. Es wird über die vergehenden Jahrhunderte hinweg vererbt. Tulpenmuster schlängeln sich auf unseren bemalten Eiern, die Weizenhalme beugen sich auf unserem verzierten Geschirr, und die weite Wiese erstreckt sich vor uns auf den gewobenen Textilien aus Kalocsa ebenso wie auf dem Mittagstisch unserer Großmütter, oder so wie wir altern auch immer mehr auf unseren Tischen. Die gleichen Motive erstrecken sich über unsere Kultur und auch die Jahrhunderte unserer Geschichte hinweg. Die ungarische Seele ist wie die Wildblume der Natur, sie bleibt überall am Leben, wenn sie frei leben darf. Sie ist wie die Dichtung von Petőfi: Wenn auch das Unkraut um sie herum wächst, so kommt sie doch zum Vorschein, und früher oder später findet sie einen Weg, sich aus der Gefangenschaft der an ihr klebenden Stolonen zu befreien. Wenn wir unser ethnografisches Erbe betrachten, sehen wir es nicht nur als schön, sondern uns erfüllt auch das Gefühl der Freiheit – mich zumindest erfüllt es in solchen Momenten –, und wir lächeln unwillkürlich. Es ist gut, Ungar zu sein. Deshalb spüren wir es im Voraus und widerstehen, wenn man uns beschränken will, und deshalb erkennen wir rechtzeitig, wenn es Probleme gibt, wenn unserer Kultur, unseren Sitten, unserer Lebensweise, unserem Erbe eine Gefahr droht. Das Beharren auf die Schönheit und das Ungarntum entspringt den gleichen Wurzeln. Wir sehen und verstehen das Schöne in der ungarischen Welt, die ungarische Seele ist schön, das ungarische Leben ist ein ansprechendes Leben, die ungarische Welt erfreut das Auge und die Seele. Wie es László Ravasz schreibt: „Das Ungarntum erfreut sich an seiner selbst, es findet Gefallen an sich selbst.”

Meine lieben Freunde!

In unserer heutigen modernen Welt gilt es als eine grundlegende Wahrheit, dass die Schönheit irgendeine subjektive Sache sei. Das heißt, Du, der Betrachter entscheidet, was schön und was es nicht ist. Das ist ein ansprechender Gedanke. Jedoch hat ein fantastischer Brite, unser ehemaliger Freund, der selige Sir Roger Scruton das Folgende geschrieben: „Die Schönheit ist ein wirklicher und universeller Wert, sie wurzelt im menschlichen Verstand, und dieser Schönheitssinn besitzt eine nicht wegzudiskutierende Rolle dabei, wie wir die Welt um uns herum gestalten.” Die Schönheit ist ein universeller Wert, die in unserem Verstand wurzelt. Sir Roger Scruton behauptet, wir Menschen seien in der Lage, Wahrheiten zu formulieren, die auch an sich Bestand haben, und von keinerlei historischem Zeitalter, kulturellem Hintergrund oder politischer Ansicht abhängen. Und seiner Ansicht nach ist unser Schönheitssinn das beste Beispiel dafür. Die Tatsache, dass wir nichts Schönes in einem Betonwürfel sehen, jedoch den Sonnenuntergang oder das Bild einer ihr Kind umarmenden Mutter alle als schön ansehen, beweist, dass es ewige, universelle Schönheit gibt, die die Wahrheit selbst ist.

Sehr geehrte Feiernde!

Das Gebäude der Kurie auf dem Kossuth Platz passte, obwohl es ein schönes Gebäude war, in seiner Form nicht zu dem Inhalt. Seine Form war die eines öffentlichen Amtes, sein Inhalt der der ungarischen Kultur, und das hat – geben wir es zu – einander nicht gestärkt, sondern vielmehr ausgelöscht. Dieses Gebäude ist anders. Hier treffen sich der Inhalt und die Form. Dieses Gebäude widerspiegelt unsere Überzeugung, dass es Schönheit in der Welt gibt. Dass man auch in der Welt der Einheitswürfelbauten und ideenlosen Bürokomplexe Singuläres erschaffen kann, das in seine Umgebung passt, das Auge mit sich reißt, und die Seele erfreut. Wir wollten ein Gebäude, in dem sich die natürliche Schönheit der ungarischen Volkskultur auf die vollkommenste Weise entfalten kann. Die Arbeit haben wir verrichtet, das Urteil, das Kritikerurteil ist jetzt schon Ihre Aufgabe.

Meine Damen und Herren!

Der heutige Tag ist der des Feierns, wir feiern, dass unsere Schätze an einen würdigen Ort untergebracht worden sind. Eine Aufgabe ist uns noch geblieben, wir müssen uns der Aufgabe gewachsen zeigen, dass nicht nur ein Tag dem Feiern gehört, sondern wir jeden Tag unsere Freude an unserem Ungarntum finden, so wie László Ravasz uns darauf hingewiesen hat. Hierbei hilft uns dieses beachtenswerte Gebäude, das ein erneutes herausragendes Beispiel für die ungarische Erfindungsgabe und den ungarischen Schönheitssinn ist. Ich gratuliere zu diesem herrlichen Museum, und ich danke Ihnen, dass ich gemeinsam mit Ihnen feiern darf. Gott segne uns alle!