Exzellenz, Herr Kardinal! Herr Bürgermeister! Sehr geehrte kirchliche und weltliche Würdenträger! Meine Damen und Herren! Liebe Esztergomer!
Die Stadt Esztergom ist die Heimat eines jeden Ungarn. Selbst dann, wenn er nichts davon weiß. Wie der Schriftsteller Babits über Esztergom schrieb: „Eben so wie meine Hügel zu Hause: unter mir, über mir gehört mir ein kleines Stück.” Wir verstehen diese Sprache. Esztergom ist für das Ungarntum das, was die vordere Stube für die Bewohner des Bauernhauses: ein heiliger Ort, den man nur aus dringenden Gründen betreten darf. Ein Teil der Stadt gehört uns. Ein Teil unserer Seele lebt hier. Der bessere Teil von uns ist ein Bürger von Esztergom.
Sehr geehrte Feiernde!
Das Schicksal der Stadt und die Geschichte des Ungarntums sind untrennbar miteinander verbunden. Ich glaube, das ist kein seltsames Zusammenspiel des Zufalls, das hat vielmehr eine höhere Kraft angeordnet, dass es so sei, und hat Esztergom zur ersten Stadt des Landes gemacht. Von hier entsendete Fürst Géza Friedensbotschafter an den deutschen Kaiser, und er bat im Austausch um nichts anderes, als um für die Annahme des Christentums notwendige Missionare. Hier gründete man das erste Erzbistum des Landes, und die Umgebung ist voll von Andenken an das geistige Leben des mittelalterlichen Ungarns. In der Zeit von König Mátyás besuchten die Besten des gebildeten Europa die Stadt: Künstler und Wissenschaftler, Dichter, Astronomen, Geschichtsschreiber, Baumeister. Esztergom ist unser geistiges Zentrum, und zugleich unser wichtigster Kontakt zu der westlichen christlichen Zivilisation, deren Teil wir vor mehr als tausend Jahren geworden sind.
Sehr geehrte Feiernde!
Ohne Esztergom wäre auch die ungarische Staatlichkeit unvorstellbar. Über die besondere Aufgabe der Krönung hinaus gehörte es zu den Pflichten des jeweiligen Erzbischofs von Esztergom auch, den König darauf aufmerksam zu machen, die Verfassung einzuhalten. Wir können ruhig sagen, die Institution des Primas war Ungarns erstes wahres Verfassungsgericht.
Liebe Esztergomer!
Ich stelle mir vor, die einzige Trauer der Esztergomer besteht darin, nicht gleichzeitig an zwei Orten sein zu können: Sowohl in Esztergom als auch in Párkány, weshalb sie nicht wirklich sehen können, wie schön doch ihre Stadt ist. Doch derart rosig ist die Situation nicht. So kostbar Esztergom auch für das Ungarntum ist, so hat doch das Übel auch um die einstige Hauptstadt keinen Bogen gemacht. Die Tataren haben während ihres kurzen, aber erbarmungslosen Aufenthalts die Räume und Säle der ungarischen Könige verwüstet, und dann haben Jahrhunderte später die Esztergom verteidigenden fremden Söldner die Stadt verraten und an die Türken übergeben. Laut den Chroniken waren es unzählbare Schätze, die die ungebetenen Gäste mit sich genommen haben. Ein Großteil dieser ist auch seitdem nicht mehr aufgetaucht, und wir warten auch seitdem darauf, dass sich der ehrliche Finder meldet. Die vergangenen hundert Jahre haben Esztergom mitgenommen, so wie sie das gesamte Land mitgenommen haben. Vor hundertundzwei Jahren haben wir zwei Drittel unseres Landes verloren, und aus dem in der Mitte des Landes glänzenden Esztergom wurde eine Grenzstadt. Die Tragödie ist zwar geschehen, doch die erste Stadt des Landes hatte ihren alten Rang bewahrt. Den Sargnagel schlugen – wie so oft – auch hier die Kommunisten ein. 1950 wurde durch sie das System der alten Komitate liquidiert, und Esztergom, die erste Stadt der Ungarn im Karpatenbecken hörte auf als Komitatssitz, aber selbst auch als Stadt mit Komitatsrecht zu existieren. Was einmal erster war, wurde auch im öffentlichen rechtlichen Sinn nur eines von vielen.
Sehr geehrte Esztergomer!
Heute sind wir hier, um diese, über eine landesweite Bedeutung verfügende Stadt in ihren alten Rang zurückzusetzen. Es gibt Stimmen, nach denen dies keine Bedeutung besitzt, denn man könne das Rad der Zeit sowieso nicht zurückdrehen. Doch jetzt geht es nicht darum. Denn wenn ein Kind sich verirrt, und wir es nach Hause führen, ob wir auch dann das Rad der Zeit zurückdrehen? Wenn das Wasser des Flusses verschmutzt wird und wir es säubern, drehen wir dann das Rad der Zeit zurück? Wenn wir mit einem alten Freund uns wieder versöhnen, drehen wir das Rad der Zeit zurück? Die Antwort versteht sich von selbst: Man muss den nach Hause führen, der verlorengegangen ist, wir müssen säubern, was verschmutzt worden ist, und man muss dort Frieden schließen, wo sich Zwietracht eingenistet hat. Die Wiederherstellung des alten Ranges von Esztergom ist eine alte Schuld des Ungarntums. Und heute begleichen wir das, was wir, Ungarn uns selbst schulden. Und das kann niemand an unserer statt tun. Und zugleich ist das auch die Zeit für die Gratulation. Es ist immer eine Freude, wenn man etwas zurückgewinnt, was einem gehört, sicherlich werden wir noch Anteil an solch einer Freude haben. Es ist aber eine noch größere Freude, wenn man auch mit aller Kraft für den Erfolg gearbeitet hat. Esztergom hat in den vergangenen Jahren durch Taten bewiesen, dass es nicht nur durch seine Geschichte eine der wichtigsten ungarischen Städte ist, sondern auch durch den Fleiß, die Kraft, die Kultur und die Heimatliebe ihrer Bürger.
Ich gratuliere jedem Esztergomer Bürger! Der liebe Gott über uns allen, Ungarn vor allen Dingen! Ich wünsche der Stadt Esztergom Kraft, Gesundheit und glückliche Jahre!