Rückantwort von Viktor Orbán in der Plenarsitzung des Europäischen Parlaments
26. April 2017. Brüssel

Zunächst möchte ich Ihnen allen für diese Debatte danken. Ich danke Ihnen, dass Sie Ungarn Aufmerksamkeit schenken, und ich danke Ihnen, dass Sie Ihre Meinung gesagt haben.

Denjenigen Abgeordneten, die hier heute das ungarische Volk und die von ihm getroffenen Entscheidungen auch öffentlich unterstützt haben, möchte ich meinen besonderen Dank aussprechen. Wir danken Ihnen für Ihre Solidarität! Es gab auch Wortmeldungen aus Ungarn. Ich möchte das Verhalten gar nicht bewerten, wenn Ungarn hier in Brüssel ihre eigene Heimat anprangern. Ich bin überzeugt, dass diese Debatten zu Hause geführt werden müssen. Dem Herrn Abgeordneten Verhofstadt möchte ich sagen, dass ich nicht zum ersten Mal den Eindruck gewinne, dass Sie den Ungarn vorschreiben möchten, was sie zu tun haben. Bitte überlassen Sie dies den wahlberechtigten Bürgern in Ungarn, alle vier Jahre können sie diese Entscheidung selber treffen.

Herrn Timmermans möchte ich auch für seine Rede danken. Ich danke Ihnen, dass Sie uns einen offenen Dialog und einen Dialog zur Sache angeboten haben. Wir sind bereit, alle von Ihnen aufgeworfenen Fragen zu besprechen, und ich habe auch den Eindruck, dass wir in den meisten Fragen leicht eine Lösung finden können.

Leider sehe ich mich gezwungen, auch auf die Worte des Kollegen Abgeordneten Pitella einzugehen, weil ich das Gefühl habe, dass er mir keine Gerechtigkeit widerfahren ließ, als er in seiner Wortmeldung sich gröberer Worte bediente. Gestatten Sie mir, Herr Abgeordneter, einen Ihrer Gedanken zu korrigieren. Die Migranten wollen nicht nach Ungarn kommen, sie wollen über Ungarn nach Österreich, Deutschland und Schweden. In Wirklichkeit verteidigen wir Österreich, Schweden und Deutschland. Wir halten in Wirklichkeit nur das Schengener Abkommen ein, und ich finde es merkwürdig, dass Sie als Abgeordneter des Europäischen Parlaments Ungarn angreifen, weil es sich an das Schengener Abkommen hält, und dies nicht einmal in seinem eigenen Interesse tut, sondern im Interesse von Deutschen, Schweden und Österreichern. Wir Ungarn sind der Meinung, dass wir eher Anerkennung verdienen würden, und nicht Angriffe. Bei den Wortmeldungen, die in der Europäischen Volkspartei Widerstand gegen meinen Standpunkt zu entfachen versuchen, muss ich Ihnen leider sagen, – und wenn ich damit jemanden beleidige, bitte ich um Entschuldigung, aber wir kennen dies schon zu gut – handelt es sich um eine alte kommunistische Taktik: Sie wollen die Europäische Volkspartei wie eine Salami in Scheiben schneiden. Sie wollen sie in Scheiben schneiden, damit sie hier stärker sein können. Wir kennen das alles schon, so haben nämlich die Kommunisten die Demokratie in Ungarn zerstört. Ich schlage der Europäischen Volkspartei vor, diese Lösung nicht gelten zu lassen.

Sehr geehrte Damen und Herren!

Unser Standpunkt in der Migrantenfrage ist völlig klar. Die illegale Einwanderung muss eingedämmt werden, die Flüchtlinge müssen von den Migranten noch außerhalb der Europäischen Union getrennt werden. Den Notleidenden muss die Hilfe dorthin gebracht werden, wo die Notlagen entstehen, und nicht die Notleidenden müssen in die Europäische Union gebracht werden. Wer ist denn nicht bereit die Umverteilung umzusetzen?

Sehr geehrter Kollege Abgeordneter Pittella!

Es wurde weniger als 10 Prozent umverteilt. Es war nicht Ungarn, das sich daran nicht beteiligt hat, da waren nur tausend Menschen betroffen. Nur zehn Prozent der vorgegebenen Quote konnte überhaupt umverteilt werden! Offensichtlich ist die Politik, die eine Relocation vorgesehen und auf verpflichtende Quoten gesetzt hat, gescheitert. Es ist überflüssig, sie zu forcieren, da sie auch von den Staaten, die – im Gegensatz zu uns – sich dem nicht offen entgegenstellen, nicht umgesetzt wird. Das war eine schlechte Idee. Wenn es sich von einer schlechten politischen Idee herausstellt, dass sie gescheitert ist, muss man sie einfach fallen lassen, und man muss sich eben eine andere Lösung überlegen.

Auch zum Thema Geld muss ich ein paar Worte sagen. Die Gelder, die Ungarn von der Europäischen Union empfängt, sind keine Almosen. Von der Kohäsionspolitik profitieren alle. Alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union profitieren davon, auch Sie verdienen daran. Auch die Geldgeber profitieren davon. Und zwar nicht wenig, auch das sollte man mal offen ansprechen. Die Nettozahler sind Nutznießer der Kohäsionspolitik, darüber reden Ihre Kommissare ganz offen, und nennen dabei auch Zahlen. Ich möchte jetzt nicht zitieren, wie viel Prozent von dem an uns gezahlten Geld an Ihr Land zurückfließt. Ich bin überzeugt, dass diese Kohäsionspolitik richtig ist. Wir haben die Zölle abgeschafft, unsere Märkte geöffnet, und den freien Verkehr des Kapitals ermöglicht, obwohl wir nach dem Kommunismus so arm waren, und so wenig Kapital hatten, wie eine Kirchenmaus. Ich bin überzeugt, dass es ohne Kohäsionspolitik auch keinen fairen Wettbewerb gibt. Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, Sie können nicht von uns verlangen, dass wir den Mund halten, und Sie können nicht mit uns reden, als würden Sie uns ein Geschenk geben, oder als wären wir Ihnen verpflichtet, weil Sie uns gekauft haben. Diese Position können wir nicht akzeptieren, Ungarn muss dies zurückweisen.

Bei dem Punkt, dass Ungarn ein autoritär geführtes politisches System ist, und dies obendrein mir zu verdanken ist, – wobei hier offenbar nicht ich, sondern die zehn Millionen Ungarn zur Debatte stehen –, möchte ich Sie darauf hinweisen, dass ich sechzehn Jahre in der parlamentarischen Opposition verbracht habe, und in diesem Jahr erst das zwölfte Jahr meiner Regierungszeit beginne. Ich gehöre zu den wenigen politischen Leadern Europas, die nach der Wahlniederlage nicht ins Business gewechselt, gut bezahlte Posten in Aufsichtsräten angenommen oder Gastvorträge für Riesenhonorare gehalten haben. Als wir die Wahlen verloren hatten, bin ich und auch meine Partei in der Politik geblieben, und wir stellten uns in der Opposition den Debatten und dem Kampf, und wir gewannen das Vertrauen der Menschen zurück. Es ist aus unserer Sicht einfach nicht gerecht und nicht fair, ein solches Land und eine solche Regierungspartei autoritärer Methoden zu bezichtigen, und sie mit autoritär regierten Ländern in einem Atemzug zu erwähnen

Sehr geehrte Damen und Herren!

Ich denke vieles und verschiedene Dinge über George Soros, aber ich denke nicht, dass er jemals einem Menschen ein Stipendium gegeben hat, weil er dachte, damit die Meinung des Stipendiaten für ein ganzes Leben gekauft zu haben. Auch die Vermutungen, die in diese Richtung gehen, muss ich zurückweisen.
Und zum Schluss lassen Sie mich auch ein paar Worte zum Thema illiberale Demokratie sagen, da Sie dieses Thema auch angesprochen haben. Es verhält sich so, dass man in Mitteleuropa denkt, dass es keine Demokratie gibt, wenn die Liberalen bei den Wahlen nicht gewinnen oder nicht an der Regierung beteiligt sind. Das können wir nicht mehr hören! In Wirklichkeit sind wir der Meinung, dass es doch eine Demokratie geben kann, auch wenn die Liberalen nicht gewinnen. Von einer illiberalen Demokratie ist dann die Rede, wenn nicht die Liberalen gewinnen.

Danke für Ihre freundliche Aufmerksamkeit!