Katalin Nagy: Ungarn hat am 8. April gewählt. Fidesz–KDNP haben einen Sieg mit einer Zweidrittelmehrheit errungen. Das Endergebnis war für den Fidesz, so scheint es, eine angenehme Überraschung, doch die Opposition ist dadurch erstarrt, geschockt. Im Studio begrüße ich Ministerpräsidenten Viktor Orbán. Wir lautet ihre Bewertung?
Guten Morgen! Ich sitze hier gut gelaunt und ich bin glücklich.
Die Wahl war selbst nach Ihrer Meinung eine Überraschung mit dieser Zweidrittelmehrheit. Es haben zwar alle Meinungsforscher einen Sieg des Fidesz vorausgesagt, aber vielleicht am vorletzten Tag gab es ein Institut, das meinte, eine Zweidrittelmehrheit sei möglich.
Schauen Sie, das ist eine philosophische Frage, wie man auf die Wahlen blickt. Ich halte die Wahl für eine rätselhafte Sache. Es liegt darin etwas Mystisches, dass sich viele Millionen Menschen aufmachen, alle denken über die gleiche Frage etwas, und sie gehen und wählen. Das ist auch biblisch, die Menschen rufen Barabbas, sie rufen Jesus, es besitzt eine Rätselhaftigkeit, wie ein gemeinsamer Wille aus vielen Millionen individuellen Willen entsteht. Wer es unternimmt, diesen vorherzusagen, verdient Respekt, doch ist das eher eine andere Profession, das ist der Beruf jener, die sich mit Erhebungen beschäftigen. Den Politikern ist vielmehr die Demut zu empfehlen, es kommt wie es kommt, und man wird es zur Kenntnis nehmen müssen, wie die Menschen entschieden haben. Ich erinnere mich an das Jahr 1994, ich habe es noch lebhaft in Erinnerung, als wir sehr schlecht abschnitten, die Menschen haben uns gerade so ins Parlament einziehen lassen. Das saßen ein Haufen Fidesz-Leute niedergeschlagen in der Parteizentrale, und dann kam Herr Professor György Bence an, der ein herausragender Professor der alten Opposition im Untergrund war, die auch Samisdat-Veröffentlichungen herausgebracht hatte, und er sagte nicht „guten Abend“, sondern er sagte: „Wir schimpfen nicht über das Volk, das Volk hat immer Recht“, und das ist wahr.
Das müsste ein jeder lernen, nicht wahr?
Schauen Sie, wir befinden uns in einer einfachen Lage, also die Sieger haben es einfach, sie sollten keine klugen Ratschläge verteilen, das ist unsportlich. Zu verlieren, ist eine bittere Angelegenheit, man muss sich dem eher mit Verständnis zuwenden als denn mit Belehrung. Was uns angeht bzw. unsere Aufgabe ist es, grundsätzliche Fakten doch festzuhalten, denn diese werden der Ausgangspunkt unserer Arbeit in den kommenden vier Jahren sein. Die erste Tatsache ist die, dass jetzt viel mehr Menschen für uns gestimmt haben als vor vier Jahren, wir verfügen auch über eine genaue Zahl: Es waren etwa 650 tausend Menschen mehr. Und um mehr als 336 tausend Menschen haben ihre Stimme uns gegeben oder uns ihr Vertrauen geschenkt als insgesamt allen oppositionellen Parteien, die es in Parlament geschafft haben. Das ist eine riesige und starke Ermächtigung, und das einzige, was man in dieser Situation mit dem notwendigen Respekt sagen kann, ist, dass man sich bei allen ungarischen Wählern bedankt, die zur Wahl hingegangen sind – denn die Wahlbeteiligung war sehr hoch –, die sie tatsächlich als einen Feiertag, die Wahl als ein Fest der Demokratie angesehen haben. Wir bedanken uns bei denen, die die Wahl durchgeführt haben, und wir sprechen unseren besonderen Dank jenen aus, die uns mit ihrem Vertrauen beehrt haben. Hinzu kommt noch, dass wir in jedem Siedlungstyp gewonnen haben, zwar in unterschiedlichem Maße, aber doch in jedem: In den Dörfern, in den Kleinstädten, in den Kreisstädten und auch in Budapest haben wir uns bei weitem als die stärkste Partei erwiesen.
Sie pflegen zu solchen Anlässen zu sagen, wir haben die Arbeit verrichtet, auch die Mitarbeiter des Fidesz haben gut gearbeitet und die Wähler haben gewählt, aber woran hat es trotzdem gelegen, denn die Opposition hat ja alles unternommen, um Sie und Ihre Partei sogar dessen zu bezichtigen – es gab so eine Formulierung –, dass Sie das ganze Land „auseinanderstehlen“ würden oder dass das für das Gesundheitswesen und das Bildungssystem aufgewendete Geld, das die Regierung für beide Bereiche ausgegeben hat, nicht ausreiche.
Meiner Ansicht nach lohnt es sich immer, auf die Meinung der Opposition zu achten, doch muss man nicht den Standpunkt der Opposition vertreten, denn wenn wir das Gleiche vertreten würden wie die Opposition, dann wäre keine von uns beiden nötig. Unsere Deutung über die Lage und die Zukunft Ungarns – und hierin auch unsere Heimat im weiteren Sinne, Europa miteingeschlossen – ist, dass die wichtigste, einschneidendste und schiksalsentscheidendste Frage die Einwanderung sein wird. Wenn man daran glaubt, weil man die Zukunft so sieht, dann ist es die moralische Pflicht, hierüber zu sprechen, und den Wählern zu empfehlen – denn entscheiden werden natürlich sie dann –, dass sie diese Frage an die erste Stelle setzen sollen, wenn sie ihre Entscheidung fällen. Damit das, was man denkt, in jedes Haus gelangt, also dass die Einwanderung die wichtigste Frage ist, dass eine Gefahr besteht, dass man das Land schützen muss, dass in Europa tatsächlich eine große Schlacht zwischen den die Einwanderung zurückweisenden und den diese unterstützenden Ländern im Gange ist, dass wenn die Einwanderung eintritt, wir dafür einen großen und hohen Preis werden zahlen müssen, denn sie ist ein Fehler, den man später nicht mehr wird korrigieren können. Also wenn wir wollen, dass all dies in jedem Haus, auch in dem allerletzten Haus des kleinsten Dorfes ankommt, dann müssen wir dies hundertmal, und wenn es sein muss, auch tausendmal wiederholen. Und ich werde nicht müde, wenn ich es im Interesse des Landes für wichtig halte, es hundertmal und tausendmal dazulegen. Das erfordert die Fähigkeit, Monotonie ertragen zu können, dies hätte der Dichter Vörösmarty schöner als „Beharrlichkeit“ bezeichnet, nehme ich an, aber das muss man so machen. Es ist ein wichtiger Bestandteil unserer Profession, die Menschen zu gewinnen, sie zu überzeugen, das als eine wichtige Frage anzusehen, was auch wir für die wichtigste Frage halten, und dann vor allem darüber nachzudenken. Dies ist geschehen, deshalb befindet sich die überwiegende Mehrheit der Wähler Ungarns, selbst im europäischen Maßstab eine herausragende Mehrheit auf derselben Wellenlänge mit ihren politischen Führern.
Die Opposition ist durch dieses Ergebnis geschockt, sie wurde dadurch gelähmt. Man musste übrigens zehn Tage warten, bis auf der anderen Seite eine nüchterne Analyse veröffentlicht wurde. In dem Nachrichtenmagazin HVG sagte Gábor Filippov, den man – ebenso wie das Blatt – nicht dessen bezichtigen kann, Fidesz-Anhänger zu sein…
Wie schade!
Er hat gesagt, der Fidesz kenne die Wähler besser, und das ist auch die Erklärung für seinen Sieg. Er sagte auch, man könne nicht 2,8 Millionen Stimmen durch Betrug zusammentragen, denn, nicht wahr, am vergangenen Samstag gab es und laut den Nachrichten auch am kommenden Samstag wird es Demonstrationen geben, und diese Demonstrationen beginnen damit, dass dort formuliert wird, sie seien die Mehrheit, und die Wahl sei verschoben worden.
An diesem Punkt lohnt es sich, einige grundsätzliche Tatsachen, Herangehensweisen festzuhalten. Auf Grund der Parlamentsmandate können wir tatsächlich sagen, dass wir das dritte Mal nacheinander über eine Zweidrittelmehrheit verfügen. Auch jetzt – so wie bisher immer – strebe ich danach, dass unsere Regierung nicht die Regierung der zwei Drittel, sondern jene der drei Drittel sein soll. Ich muss, wir müssen auch jenen, auch jenen unserer Mitbürger dienen, die nicht für uns gestimmt haben, uns nicht mögen, eventuell hässliche, schreckliche Dinge auf der Straße schreien, aber auch dann: Auch sie sind Teil der ungarischen Nation, wir müssen auch ihre Interessen auf irgendeine Weise vertreten, und ich werde dann auch den Versuch hierzu unternehmen. Andererseits steht jedem das Recht auf die freie Meinungsäußerung zu. Man kann sich also versammeln, man kann seine Meinung äußern, das ist ein wesentlicher Bestandteil der Demokratie. Ich bitte die Demonstrierenden nur, dies friedlich zu tun, und den Rahmen der öffentlichen Ordnung nicht zu übertreten. Und zur Frage der Neuzählung der abgegeben Stimmen würde ich angesichts des vorliegenden Stimmenverhältnisses nur sagen, ich pflege Fußballspiele zu besuchen, und das wäre jetzt so, als ob, nachdem wir mit 4:0 gewonnen haben, die Opposition oder unser Gegner fordern würde, die Tore neu zu zählen. Das Spiel ist abgepfiffen worden, das war‘s.
Ja, aber es kann doch immer Kräfte geben, in deren Interesse es steht, Unfrieden zu stiften, und wir müssen uns nicht sehr weit wegbewegen, um zu erraten, wer das ist, in wessen Interesse das steht. Antal Rogán hat ja auch letzte Woche gesagt, dass es sehr stark den Anschein hat, dass diese Demonstrationen nicht von der heimischen Opposition organisiert würden, sondern von außerhalb.
Schauen Sie, bevor ich hierüber sprechen würde, möchte ich noch soviel sagen, dass ich sehe, wie führende Politiker der Opposition im Begriff sind, die Politik zu verlassen. Dies verdient letztlich doch eine allgemeine Bemerkung. Ich war bisher sechzehn Jahre in der Opposition und zwölf Jahre an der Regierung. Wenn der liebe Gott mir hilft, und ich jetzt diese vier Jahre bis zum Ende dienen kann, dann werde ich im Großen und Ganzen im Gleichgewicht sein. Es ist also keine gute Sache, zu verlieren, aber in der Politik verliert man häufiger als dass man gewinnt, und damit sollten Politiker gleich zu Beginn kalkulieren. Wir sind also keine Geschäftsleute, die – wenn dies nicht geklappt haben sollte – dann einfach etwas anderes versuchen werden. Das ist ein Dienst, und der Kapitän darf, also meiner Auffassung nach darf der Kapitän das sinkende Schiff nicht verlassen – vor allen Dingen nicht als erster. Es muss also ein jeder für sich entscheiden – und dies ist auch für uns eine große Lehre –, was er dann mit seinem Leben anfangen möchte, ob wir jetzt Politiker sind? Dieser Beruf wird zwar von den Menschen übel kommentiert – weil das ein Beruf ist, über den die Menschen nicht viel Gutes zu sagen pflegen, dabei wissen auch sie selbst, dass wir politische Führer brauchen –, doch müssen wir uns entscheiden, ob wir Politiker sind, der Logik dessen folgen, dementsprechend leben, dementsprechend arbeiten, oder ob wir nach einer Karriere suchen, wie man das im Geschäftsleben oder auf anderen Berufsbahnen zu tun pflegt, und wir uns im Zickzack vorwärtsbewegen, indem wir immer dorthin springen, wo sich die besten Möglichkeiten bieten. Das ist der große Unterschied zwischen der Politik und allen anderen Professionen. Soweit ich das sehe, haben nicht alle in ihrer Jugend oder zur rechten Zeit entschieden, wer sie sind und was sie machen wollen. Dem Land musst Du, wenn Du ein Politiker bist, dienen; auch wenn Du verlierst, auch wenn Du gewinnst, dort muss man dienen, da muss man sich dorthin stellen, wohin die Menschen Dich stellen, aber dessen ungeachtet musst Du noch dienen. Man versucht es immer umzudeuten, aber ich halte nach wie vor meine Meinung aufrecht, dass die Heimat nicht in der Opposition sein kann. Du kannst in der Opposition sein, aber die Heimat niemals. Du musst also auch dann der Heimat dienen, wenn Du Dich gerade in der Opposition befindest. Denn wir alle haben, über den Köpfen der Regierung und der Opposition, in der Höhe eine Heimat. Man kann miteinander ringen, aber nicht auf Kosten der Heimat, der Heimat muss man dienen. Wer das nicht versteht, ist als Politiker ungeeignet, und es ist besser, wenn er sich davonmacht.
Ja, kann es sein, dass sich darüber auch George Soros und auch sein Netzwerk im Klaren sind? Organisieren sie nicht aus diesem Grunde diese Demonstrationen?
Sie sind Spekulanten. Sie denken also über die Politik wie über die Karriere, wie über eine Möglichkeit zu einem Geschäft, wie ein Spekulant denkt: Er setzt auf etwas, entweder auf diesen Akteur oder auf jene politische Partei. Wenn es nicht funktioniert hat, dann hat er verloren. Jetzt sind sie gerade dabei, zu verlieren. Die Schadenfreude ist keine schöne Sache, aber erlauben Sie mir, nicht zu verbittern, weil George Soros und sein Kreis von Finanzspekulanten auf das falsche Pferd gesetzt haben, und jetzt gerade im Begriff sind, zu verlieren. Auch jene Profession, die des Finanzspekulanten, besitzt ihre eigenen Gesetze. Ich weiß, dass sie das Ergebnis der Wahl nicht akzeptieren werden, sie werden alles Mögliche organisieren. Sie verfügen über unbegrenzte finanzielle Möglichkeiten, wir sprechen hier über Summen die höher sind als zehn Milliarden Dollar. Auch jetzt hatten sie schon schrecklich viel Geld und Energie mobilisiert, damit die Opposition siegen kann. Für sie ist jene Regierung, die gegenwärtig besteht, nicht gut. Für sie ist es nicht gut, wenn es eine nationale Regierung gibt, für sie ist es nicht gut, wenn es eine die Einwanderung ablehnende Regierung gibt, für sie ist es nicht gut, wenn es eine Regierung gibt, die das Land vor Finanzspekulanten schützt. Sie wollen eben Geld verdienen, das verstehe ich. Sie wollen verdienen, wir aber sind Ungarn, und an uns sollen sie nichts verdienen. Und meine Sache ist es, den Interessen der ungarischen Menschen Geltung zu verschaffen. Das sage ich ohne jeden Zorn und ohne drohend die Faust zu schwingen und ohne pathetische Bemerkungen. Das ist meine Sache, und ich werde Ungarn beschützen, so lange dies meine Berufung, meine Profession ist. Ich werde Ungarn vor den Spekulanten schützen.
Gerade gestern Abend haben wir die Nachricht erhalten dass die Open-Society-Stiftung Budapest verlässt. Sie zieht, so scheint es, nach Wien.
Wenn ich keine Krokodilstränen vergieße, werden dies die Zuhörer vielleicht verstehen.
Dass die Open-Society-Stiftung jetzt Budapest verlässt, bedeutet nicht, dass die Art von Einfluss, den sie auch bisher ausgeübt hat, verschwinden würde. Denn wir haben ja gerade gehört, dass zum Beispiel im Europäischen Parlament ein Vorschlag angenommen wurde, laut dem man aus dem Geld der Europäischen Union diese sogenannten NROs unterstützen müsste, denn sie versehen eine sehr wichtige Aufgabe.
Ich kenne die Finanzspekulanten seit sehr langem, auch George Soros selbst. Das ist eine Beschäftigung, das ist eine Sicht auf die Welt, das ist eine Denkweise, die es niemals aufgibt. Es ist gut, wenn wir das wissen. Schlachten kann man gewinnen, aber dass Du den Krieg endgültig gewonnen hättest, so etwas gibt es nicht. Diese Welt der Profitjäger ist eine Welt, diese Denkweise ist eine Welt, die immer und immer wieder zurückkehrt. Sie wird dann neue Methoden, neue Pfade finden, aber dadurch sollte man sich nicht verbittern lassen, denn wer sich diesem Beruf hingibt, dem der Politik, der kann nicht hoffen, dass auf einmal die beste aller Welten entsteht und er dann nichts anderes zu tun haben wird, als nur einfach so „herumzumanagen“. Die Politik ist also ein Kampfsport. Es gibt immer Menschen, Menschengruppen, die der Gemeinschaft, die du vertrittst, in diesem Fall den Ungarn, nichts Gutes wünschen beziehungsweise aus uns einen Profit ziehen, Einfluss gewinnen, sich in unsere Entscheidungen einmischen, es in die Richtung gestalten wollen, dass sie Ungarn zu einem Einwanderungsland machen. Das ist jetzt die schärfste Frage und wir müssen dies verhindern. Wenn sie glauben, man müsse in Budapest stark präsent sein, um ihr Ziel zu erreichen, dann sind sie in Budapest stark präsent, wenn sie der Ansicht sind, es ist besser, wegzugehen und dann von außen zu kämpfen, dann gehen sie weg und kämpfen dann von außen, aber sie denken nie, dass sie aufgeben würden. Das ist ein Kampfsport.
Offensichtlich ist das auch ein Instrument des Kämpfens von außen, dass im Europäischen Parlament die Mitgliedsstaaten zur Unterstützung des Migrationspakets der UNO, ja sogar zu einem einheitlichen europäischen Standpunkt aufgefordert worden sind.
Ja, aber das machen sie vergeblich. Wir haben uns für ihre Meinung bedankt, wir bedanken uns für das Zureden, Ungarn wird aber seinen eigenen Interessen folgen. Die UNO möchte den Standpunkt einnehmen und will die Mitgliedsstaaten auf den Standpunkt drängen, dass wir erklären sollen, die Migration sei eine gute Sache, weshalb man diese organisieren und unterstützen müsse. Die ungarischen Menschen denken darüber anders. Das haben sie jetzt bei den Wahlen auch mitgeteilt. Auch ich denke anders darüber. Die Migration ist eine schlechte Sache, sie ist eine Erscheinung der modernen Welt, die man nicht ermuntern, sondern zurückdrängen muss. Man muss den Menschen nicht dabei helfen, von dort wegzugehen, wo sich ihre Heimat befindet, sondern man muss ihnen dabei helfen, dass sie zu Hause bleiben können. Man muss die Hilfe dorthinbringen, und nicht die Probleme hierherholen. Wenn also die UNO und die UNO-Staaten eine Pflicht haben, so ist diese gerade das Aufhalten, das Bremsen der Migration, und man muss dazu beitragen, dass ein jeder dort leben kann, wohin ihn der liebe Gott durch seine Geburt bestellt, wohin er ihn gesetzt, wo er den Rahmen seines Lebens festgelegt hat, dass er dort sein Glück finden kann. Hierbei müsste man den Menschen helfen, und nicht sie von dort weglocken, gerade nach, sagen wir, Europa und jene Kultur christlicher Zivilisation zerstören, auf dessen Grundlage es im Übrigen steht. Unabhängig davon, ob gläubig oder nicht, aber ganz Europa und alle europäischen Menschen stehen auf der Grundlage der christlichen Zivilisation und der christlichen Kultur. Die Freiheit, die Religionsfreiheit, die Gleichberechtigung von Mann und Frau, das wirtschaftliche Wachstum, die Arbeit, die Verdienste, das sind alles wichtige Dinge hier in Europa. Und die Einwanderung macht dies kaputt. Jedoch ist es auch unsere Aufgabe, auch die Entscheidung der Wähler bedeutet dies, die auf christlicher Grundlage stehende europäische Zivilisation in Ungarn zu verteidigen und wenn es möglich ist, dann im europäischen Zusammenhang auch in Brüssel. Ich werde dies ehrlich, geradeheraus und klar tun. Ich sehe, es gibt hier Diskussionen um die Frage der Aufdeckung des Soros-Netzwerkes, um diese Auflistung. Meine Meinung ist, dass das Wesentliche der europäischen Politik die Durchschaubarkeit ist, denn die europäische Demokratie baut darauf auf, dass die Menschen entscheiden, in welche Richtung das Land weiterschreiten soll. Damit sie eine Entscheidung fällen können, müssen sie die grundlegenden Tatsachen kennen. Sie müssen wissen, wer das ist, der sich als ihre Vertretung, zur Beeinflussung ihres Denkens meldet, wer bezahlt ihn, warum macht er das, was er macht? Wenn die Menschen das nicht wissen, dann können sie auch keine gute Entscheidung fällen. Die Transparenz, die Durchschaubarkeit ist also eine Schlüsselfrage. Und ich ermuntere die Mitarbeiter der Presse ausdrücklich, den Menschen dabei zu helfen, die Tatsachen kennenzulernen. Sie sollen möglichst viele Netzwerke, möglichst viele Beispiele der Zusammenarbeit aufdecken, all das an die Oberfläche bringen, was sich ansonsten in der Tiefe befindet, und wenn jemand ansonsten kein Problem damit hat und sich nicht schämt, Geld von Ausländern anzunehmen, dann soll er sich auch nicht schämen, dies zuzugeben.
Im Juni möchte man auf dem Gipfel der Europäischen Union endlich recht wichtige Fragen abschließen. Zum Beispiel die Frage der Migration in dem Sinne, dass man die verbindliche Quote annehmen lassen will. Sie sagten früher, damit Ungarn widerstehen könne, brauche es im Juni eine Regierung mit einer sehr starken Ermächtigung. Diese Ermächtigung haben Sie bekommen, was kann man tun?
Hier stehen wir einem ernsthaften Dilemma gegenüber. Auch das letzte Mal habe meinen Kollegen auf dem Gipfel der Ministerpräsidenten zugehört, und ich musste sehen, dass wir nicht auf die gleiche Weise denken. In einem Jahr gibt es Wahlen zum Europäischen Parlament, die Migrantenkrise hat sich tatsächlich, hat sich in ihrer Vollständigkeit im Jahre 2015 entfaltet. Die letzten Wahlen gab es 2014, wir haben es also mit einer neuen Erscheinung zu tun, die die Zukunft Europas bestimmt. Meiner Ansicht nach nimmt jener, der jetzt, ein Jahr, sogar weniger als ein Jahr vor den europäischen Wahlen das Tempo beschleunigend solche neuen Beschlüsse, Beschlüsse über die Einwanderungspolitik, die eine vollendete Situation schaffen, und dann für die im Rahmen der kommenden Wahlen ins Europäische Parlament gewählten führenden Politiker den Grundsätzen der Demokratie entgegengesetzt sind, also wer ein Jahr vor den Europawahlen auf die endgültige Regelung dieser ganzen Einwanderungsfrage drängt, der nimmt meiner Ansicht nach den europäischen Menschen das Recht, selber zu bestimmen, in welche Richtung man die Frage der Einwanderung wird regeln müssen. Deshalb unterstütze ich die Regelung jetzt im Juni nicht, obwohl viele diesen Standpunkt einnehmen. Die die Einwanderung befürwortenden Länder haben Angst vor dem Volk, und sie möchten alle diese Frage abschließen, aber ich unterstütze das nicht. Denn meiner Ansicht nach müssen wir demokratisch abwarten, dass die Menschen im Rahmen der europäischen Wahl, deren Hauptfrage nichts anderes sein kann als die Einwanderung – denn das ist gegenwärtig die brennendste Frage in Europa –, die Richtung festlegen. Und das muss man respektieren. Das Wesen der Demokratie ist, es gibt diese Definition, sie stammt aus der Neuen Welt, doch vermeinen wir eine Inspiration durch Lajos Kossuth hinter ihr entdecken zu können, dass die Regierungen aus dem Volk, mit dem Volk und für das Volk wirken müssen. Und deshalb wäre es nicht fair, nicht demokratisch, ein Jahr vor der Wahl in der Frage der Einwanderung eine vollendete Situation zu schaffen. Ich würde den führenden Politikern Europas davon abraten.
Wie gestalten sich die Verhandlungen über die Regierungsbildung? Ist es Ihnen gelungen, mit all jenen zu sprechen, mit denen Sie reden wollten
Zunächst einmal ist es wichtig, festzuhalten, dass die Ziele unverändert geblieben sind. Wir müssen die Entscheidung der Wähler richtig verstehen, und meiner Ansicht nach haben die Wähler die grundlegenden Ziele bekräftigt. Es soll Wirtschaftswachstum geben, die budgetären Angelegenheiten sollen in Ordnung sein, wir sollen auch weiterhin nach der Vollbeschäftigung streben, ja sie auch erreichen – sie ist eine Armlänge entfernt, meiner Meinung nach können wir sie erreichen –, wir garantieren die Sicherheit, in der Einwanderungspolitik sollen wir Europa nicht nachgeben, Ungarn soll ein ungarisches Land bleiben, auch die Familien sollen weiter unterstützt werden, und die Renten sollen ihren Wert behalten, ja durch das System der Rentenprämie sollen wir – wie wir das auch im vergangenen Jahr getan haben – versuchen, den Rentnern noch mehr zu helfen. Das sind meiner Ansicht nach die Ziele. Die neue Regierung muss sich also für die Verwirklichung dieser Ziele einsetzen. Wahr ist allerdings auch, dass sich seit 2014 vieles in der Welt ereignet hat, gerade darüber haben wir vorhin gesprochen, siehe die Einwanderung, aber es gibt auch andere, wirtschaftliche Entwicklungen in der Welt. Es genügt, wenn wir an die neue Welthandelspolitik des amerikanischen Präsidenten denken. Es gibt hier also neue Dinge, neue Entwicklungen, auch die Technologie ist nicht stehengeblieben: Digitalisierung, Robotisierung, eine sich wandelnde, eine im schnellen Rhythmus im Wandel begriffene moderne Weltwirtschaft. Auch wir sind Teile dieser. Man muss sich also anpassen. Also alte, unveränderte Ziele, aber eine neue Regierungsstruktur und zum großen Teil neue Leute. Es bleiben auch welche von den alten, es wird aber auch neue geben, deshalb würde ich dahingehend formulieren, dass die Menschen nicht für die Fortsetzung der Arbeit der gegenwärtigen Regierung gestimmt haben, sondern sie wollen Kontinuität im Dienste der Verwirklichung der Ziele. Und ich hoffe, sie werden es akzeptieren, dass ich im Rahmen einer anderen Regierungsstruktur und zum Teil, in bedeutendem Maße mit neuen Leuten die kommenden vier Jahre angehen werde, diese Regierung sie angehen wird. Die Situation ist die, dass ich die Verhandlungen fortsetze, denn Herr Staatspräsident János Áder hat für mich die Möglichkeit dazu geschaffen, indem er mich mit der Regierungsbildung betraut hat, und die Gespräche laufen auch. Ich komme gut voran, wir werden schnell eine neue Regierung haben.
Kann es sein, dass es ein neues Ministerium, dass es neue Ministerien geben wird?
Davor würde ich uns bewahren. Noch genauer würde ich so formulieren: Was sich bewährt hat, das muss man nicht reparieren. Also dass es große Ministerien gibt, und an ihrer Spitze über eine große Autorisierung verfügende, ernsthafte Qualitäten besitzende, anerkannte und respektierte Leute stehen sollen, ist ein Grundsatz, an dem man festhalten sollte. Vielmehr möchte ich den zentralen Teil, die Gehirnzentrale der Regierung umformen, diese nennen wir auf unbescheidene Weise das Ministerpräsidentenamt. Hier möchte ich eine andere Art von Führungsstruktur erschaffen. In dieser Angelegenheit hatte ich gestern, und werde auch heute und auch noch am Wochenende ernsthafte Gespräche haben.
Können wir einen Zeitpunkt nennen, bis wann es eine Regierung geben wird?
Das lohnt sich nicht, denn vielleicht kann ich den Zeitpunkt nicht einhalten. Es lohnt sich nur Dinge zu versprechen, die man einhalten kann. Am 8. Mai konstituiert sich das Parlament, und ich bin daran interessiert, dass die Regierung schnell gebildet wird, meiner Ansicht nach ist auch das Land daran interessiert. Ich wünsche mir, dass das neue Parlament noch vor der Sommerpause den Haushalt Ungarns für das Jahr 2019 auf die Weise annimmt, wie wir das in den vergangenen Jahren getan haben, weil dies Ruhe, Stabilität, Planbarkeit und Berechenbarkeit mit sich bringt. Gestern habe ich bereits mit Herrn Minister Mihály Varga darüber gesprochen, wie die Arbeiten am Haushalt stehen, was ich von ihm wünsche, worauf er achten soll. Daraus kann man sofort wissen, dass er die Person bleibt, die auch in Zukunft als Leiter des Wirtschaftskabinetts für das Budget arbeiten wird.
Hierauf hätten viele von uns gewettet.
Ja, und ich rechne auch mit seiner Arbeit, denn es geht nicht nur darum, dass wir über einen äußerst talentierten Minister sprechen, sondern auch über einen äußerst erfahrenen Minister, der schon alles gesehen hat. Schnee, Schlamm, Regen, hier hat es schon alles gegeben, was er erlebt hat, Krisen und Erfolge, und wir konnten immer Schulter an Schulter kämpfen. Ich zähle also auch im Weiteren auf Mihály Varga als auf den Leiter des Wirtschaftskabinetts.
Wir haben nur noch wenig Zeit. Die Demografie ist für Ungarn eine sehr-sehr wichtige Frage. Wird die Unterstützung der Familien weiter ausgebaut?
Ich möchte mit den ungarischen Frauen eine umfassende Vereinbarung treffen, denn die Demografie steht und fällt letztendlich mit ihnen, sie hängt von ihrer Entscheidung ab. Ich halte es für wichtig, dass sie uns mitteilen, und wir es genau verstehen, was sie wollen, denn das Kinderkriegen ist die persönlichste Angelegenheit, doch ist sie für die Gemeinschaft zugleich eine wichtige Angelegenheit. Also eine persönliche Angelegenheit, die auch für die Gemeinschaft eine wichtige Sache ist, ich könnte auch sagen, die persönlichste öffentliche Angelegenheit, und diese können nur die Damen entscheiden. Meine Aufgabe ist es, glaube ich, und es ist die Aufgabe der Regierung, ihre Entscheidung zur Kenntnis zu nehmen, und wenn sie ein Kind kriegen wollen, und wenn sie es erklären können, wie die Kindererziehung und das Zusammenhalten der Familien besser und einfacher gehen könnte, dann müssen wir uns das anhören, wir müssen es verstehen, und danach müssen wir eine Vereinbarung treffen. Nicht für vier Jahre, sondern für fünfzehn-zwanzig-dreißig Jahre, denn das Wesen der Demografiepolitik ist die langfristige Planbarkeit. Schließen wir ein Abkommen miteinander. Ich möchte also mit den ungarischen Frauen, den ungarischen Damen über die ungarische Zukunft, über die Rolle, die sie in ihr spielen, und über die seitens der Regierung ihnen zu gewährende, berechenbare Perspektive ein Abkommen schließen.
Sie hörten Ministerpräsident Viktor Orbán.