Viktor Orbáns Erklärung im Anschluss an den Migrationsgipfel mit dem serbischen Präsidenten und dem österreichischen Bundeskanzler
3. Oktober 2022, Budapest

Guten Tag, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Wir sind Serbien dankbar, dass sein Präsident gekommen ist, und wir sind den Österreichern dankbar, dass ihr Bundeskanzler hier bei uns ist. Wie dies voraussehbar war, ist das das Eröffnungstreffen einer längeren Reihe. Weshalb wir zusammengekommen sind, das ist die Migration. Die führenden Politiker dreier Länder stehen jetzt vor Ihnen, die auf die denkbar schwerwiegendste Weise durch diese Frage betroffen sind. Wir alle drei leiden unter der illegalen Migration. Dies verbraucht gewaltige Energien, Lebenskraft und riesige Summen, während wir mit der Lage überhaupt nicht zufrieden sind, die sich herausgebildet hat. Wir mussten feststellen, dass die Grenzwächter der Serben, die Grenzwächter der Ungarn und die die österreichische Grenze schützenden Polizisten und Soldaten einen heroischen Kampf im Interesse der Eindämmung der Migration und gegen die Menschenschlepper führen. Wir können nur mit der höchsten Anerkennung über die Leistung unserer Uniformierten sprechen. Dennoch ist die Lage immer schwieriger, die Zahlen und die Fakten sind immer erschreckender. Während die Welt heute andere, brennende Probleme besitzt, auch konzentriert sich die Aufmerksamkeit in erster Linie auf diese, denn da ist der russisch-ukrainische Krieg, da sind die uns alle quälenden hohen Energiepreise und das Problem der Sanktionen, und es richtet sich keine ausreichende Aufmerksamkeit auf die Migration, dabei ist das eine zumindest so wichtige Frage wie die beiden anderen. Wir haben jetzt den Versuch unternommen, der Situation ins Auge zu blicken und Maßnahmen auszuarbeiten. Ungarn hat dieses Treffen aus dem Grund initiiert, denn wir sind in der speziellsten Situation, denn wir haben aus zwei Richtungen ein Migrationsproblem. Infolge des russisch-ukrainischen Krieges sind mehr als eine Million Flüchtlinge aus östlicher Richtung, aus der Richtung der Ukraine gekommen, während unsere Grenze auch aus südlicher Richtung unter ständiger Belagerung steht. Allein dieses Jahr mussten wir etwa 180.000 illegale Versuche, die Grenze zu überqueren, neutralisieren.

Wenn wir die Zukunft betrachten, dann sehen wir uns einigen Entwicklungen gegenüber, die die Lage weiter erschweren werden. Zuerst einmal sehe ich nicht, dass die der Migration einen Anreiz gebende, die Pull-Faktoren verstärkende Brüsseler Politik sich ändern würde. Die Neuverteilungsquoten gelangen wieder und immer wieder auf die Tagesordnung. Hier vor uns liegt die als Post-Cotonou bezeichnete große gesamteuropäische Vereinbarung, ein wegen des Krieges und der Sanktionen erfolgter weltwirtschaftlicher Rückfall und eine schwierige Lage in der Welternährung. Diese werden gemeinsam alle das Gewicht der illegalen Migration erhöhen. Von den nach Europa führenden Migrationsrouten ist die Westbalkanroute am schwerwiegendsten betroffen, hier kommen die meisten. Hinzu kommt noch, dass wir beobachtet haben, dies bereitet besonders uns, Serben und Ungarn Schwierigkeiten, dass die Aktivität der illegalen Migration und der Menschenschlepper ein neues Niveau, ein neues qualitatives Niveau erreicht hat: Sie gebrauchen auch scharfe Waffen in den Konflikten untereinander und auch gegen unsere Grenzwächter. Diese drei Staaten verteidigen nicht nur ihre eigenen Grenzen – natürlich spreche ich in erster Linie im Namen von Ungarn –, sondern wir verteidigen ganz Europa. Ungarn erfüllt die aus der Schengen-Mitgliedschaft entspringenden Verpflichtungen, doch wäre es in unserem Interesse, im Interesse von ganz Europa und von uns dreien, die wir hier stehen, diese Schutzlinie so weit wie möglich nach Süden zu verschieben. Heute ist die primäre Verteidigungslinie die serbisch-ungarische Grenze, und es ist im Interesse von uns allen, dass diese Verteidigungslinie weiter in den Süden kommt. Auch bisher haben wir, sowohl Ungarn als auch Österreich sowohl Serbien als auch Nordmazedonien Hilfe geleistet, doch haben wir das Gefühl, dass jetzt eine neue Dimension der Zusammenarbeit notwendig wird. Deshalb wird es nach dem heutigen, die Absichten klärenden und die politische Richtung markierenden Treffen bald ein Folgetreffen in Belgrad geben, auf dem sich die zuständigen Minister treffen, auf dem die konkreten Schritte in die entsprechende juristische Form gegossen werden, bzw. wenn es ein gemeinsames Auftreten gibt, was wir möchten, dann werden wir dort auch die finanziellen Bedingungen und jene an Humanressourcen klären. Und wir planen auch ein drittes Treffen, dessen Gastgeber dann der Herr Bundeskanzler in Wien sein wird.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit!