Guten Tag, Zalaegerszeg! Guten Tag, Ungarn!
Ruhmreich ist dieser Tag und dem würdig ist der Schauplatz: Zalaegerszeg, Sitz des Komitats Zala. Die Zalaer haben viel unter der Herrschaft der Kommunisten gelitten, doch eines ist sicher: Sie haben durchgehalten, solange es ging. Die Egerszeger waren unter den ersten, die im Oktober 1956 keine Minute zögerten, um auf die Straße zu gehen, und sie waren es, die unter den letzten die Waffen streckten: im Dezember. Noch einen Monat nach der Niederschlagung des Freiheitskampfes mussten sowjetische Panzer die Egerszeger Streikenden auflösen. Die hiesigen Menschen haben alles gelernt und nichts vergessen. Als die Zeit gekommen war, nahmen sie bei der ersten sich bietenden Möglichkeit Revanche. Die Zalaer gehörten zu jenen wenigen, die noch vor dem Systemwechsel, im September 1989 einen oppositionellen Abgeordneten ins kommunistische Parlament wählten. Das Schicksal besitzt einen Sinn für Humor: Der damalige siegreiche Kandidat der Opposition, der seitdem Ehrenbürger von Zalaegerszeg geworden ist, hieß Dr. Gyula Marx. Ich erinnere mich, als ich jung war, hatte auch ich noch das Glück an der Seite von Onkel Gyula in den Wahlkampf zu ziehen. Am Ende ist der Marxismus dann doch noch Wirklichkeit geworden, denn ein Marx hatte die Marxisten besiegt. Gott segne und gebe dem 92 Jahre alten Onkel Gyula Gyula bácsit gute Gesundheit! 1989 sprachen die Zalaer unter den ersten ihr Urteil über das kommunistische System aus. Und ihrem Beispiel folgte das ganze Land. Es bedurfte damals kaum noch einiger Monate und die Herrschaft der Kommunisten zerfiel endgültig.
Die auf uns, Menschen vom Land, mit mitleidvoller Miene herabblickende Linke meint, es sei unangebracht, heute in Zalaegerszeg zu feiern. Wie sie es sagen: „Nur in Zalaegerszeg.” Sie verstehen nicht, dass Budapest nicht mit dem Land identisch ist. Sie verstehen nicht, dass 1956 nicht die Revolution einer Stadt, sondern die des ganzen Landes, ja der gesamten Nation war. Danke, Zalaegerszeg, dass wir hier sein dürfen! Danke, dass wir gemeinsam sein dürfen!
Sehr geehrte Feiernde!
Es gibt nichts, weshalb man sich über die Weisheit, die Ausdauer und die Scharfsinnigkeit der Zalaer wundern müsste. Diese Gegend hat der Heimat mehr als nur einen Weisen geschenkt. Da ist gleich Ferenc Deák, den bereits seine Zeitgenossen den Weisen der Nation nannten. Er zeigte uns, wie man die Sache der Nation mit der über lange Jahrzehnte andauernden, ausdauernden Arbeit voranbringen kann. Er war in der Revolution von 1848, im Freiheitskampf und in dem dann folgenden Widerstand dabei, und auch er war es auch, der bei der ersten sich bietenden Gelegenheit den bis dahin passiven Widerstand zum Angriff nutzte und die allgemein rechtlichen Grundlagen des erfolgreichsten Zeitalters des modernen Ungarn niederlegte. Und diese Region brachte auch einen anderen Weisen der Heimat hervor. Hier in Zalaegerszeg versah József Mindszenty, Erzbischof und Primas, seinen Dienst, der einer der großen, die Sache der Heimat auf ihre Fahnen schreibenden ungarischen Kirchenleute ist.
Die Größten der ungarischen kirchlichen Welt stellen für die Ungarn nicht nur in Fragen des Glaubens einen Bezugspunkt dar. Deshalb suchte unser erster Erzbischof von Kalocsa, der Heilige Astrik, beim Papst auch um eine Krone an und ohne ihn wäre vielleicht der ungarische Staat des Heiligen Stephan auch gar nicht zustande gekommen. Deshalb nahm der Erzbischof von Gran, János Vitéz sich auch der Sache der Hunyadis an. Deshalb starb an der Spitze der ungarischen Heere ein anderer Erzbischof von Gran, der heldenhafte Pál Tomori, den Märtyrertod. Deshalb vermittelte zwischen dem Haus Habsburg und den ungarischen Ständen in der Zeit der größten Gefahren Erzbischof Miklós Oláh. Deshalb nahm Vilmos Apor das Schicksal der Märtyrer auf sich und deshalb trug Áron Márton, der katholische Bischof Siebenbürgens, die Sache des Ungarntums auf seinem Rücken. Diese großen ungarischen katholischen Kirchenführer gingen nicht nur bei der Verkündung des Evangeliums voran, doch sie dienten – in ihrem Leben und auch mit ihrem Tod – durch ihre Wegweisungen, ihre Taten dem Land Marias, Ungarn. Die größten ungarischen Kirchenhäupter haben das ungarische Volk immer als Propheten angeführt und an der Seite der politischen Führer die Aufgabe der geistigen Führung des Landes versehen – oder wenn es sein musste, und es musste häufig sein, auch anstelle der politischen Führer.
József Mindszenty war solch ein Bischof: Während des Dienstes für Gott erfüllte er auch immer seine Pflicht gegenüber seiner Heimat. Er war keiner unser üblichen Führenden. Er schritt mit der Unaufhaltbarkeit einer Feuersäule voran. Der Arbeit seiner Hände ist es zu verdanken, dass in Zalaegerszeg eine Franziskanerkirche und ein -kloster gegründet wurde, und dann auch eine Hochschule für Lehrerbildung entstand. Der Kardinal zeigte uns auch 1956 den Weg, und wir, Ungarn, werden ihm diesen Dienst nie vergessen. Auch im stürmischen Gegenwind beharrte er auf das Recht der Ungarn. Er setzte sich auch dann für die Freiheit unserer Heimat ein, als die Pfeilkreuzler über ihn herfielen, und auch als ihn die Kommunisten verhafteten, folterten und ins Gefängnis warfen. Die Ungarn wussten, dass wir auch inmitten der Revolution eine seelische Stütze benötigen, deshalb befreiten sie Mindszenty aus dem Gefängnis der Kommunisten. Er war es, der das Kind als erster beim Namen nannte: Er sprach nicht von einem Aufstand, sondern vom Freiheitskampf. Seinen Blick für das Wesentliche trübten auch nicht die langen, in der Gefangenschaft verbrachten Jahre, ganz im Gegenteil: Sie schärften ihn. Er sah die Ereignisse genau. Er verstand, was auf dem Spiel stand, und er wusste, was wir zu tun hatten. Wie er es sagte: „Wir, Ungarn, wollen als Bannerträger des familiären, des innerlichen Friedens der europäischen Völker leben und handeln.” Er bekannte mit Überzeugung, dass wir niemandes Feind seien. Wir möchten eine Sache: „Mit jedem Volk und Land in Frieden leben.” Unsere wahre Tragödie ist, dass die Kommunisten mit Hilfe der sie unterstützenden sowjetischen Kalaschnikows zurückkehrten und anstatt des Friedens dort weitermachten, wo sie am 23. Oktober aufgehört hatten: Klassenkampf, Diktatur des Proletariats, Einparteienstaat, politische Gefängnisse, Hinrichtungen. Ruhm den Opfern! Respekt den Widerstandskämpfern!
Liebe Zalaer!
Der ungarische Staat schuldet dem Andenken von József Mindszenty viel, so wie wir auch den oft beiseitegeschobenen Zalaer Menschen viel schulden, die zuerst durch das Friedensdiktat von Trianon und dann nach dem Zweiten Weltkrieg durch den Eisernen Vorhang an den Rand des Landes gedrückt wurden. In den vergangenen Jahren hat die nationale Regierung vieles getan, damit Zalaegerszeg und das Komitat Zala wieder auf die Hauptstraße der Geschichte zurückkehren, und sich wieder zu entwickeln beginnt. Die Stadt wird immer schöner und das Komitat wird zu einem Industriezentrum von Weltniveau, so wie nacheinander die Fabriken aus der Erde hervorsprießen. Wir möchten dem gemeinschaftserrichtenden Erbe von Kardinal Mindszenty und todesverachtenden Mut der 1956-er Helden würdig sein. Wir möchten die Möglichkeit nutzen, dass wir heute nicht für die Heimat sterben müssen, sondern für sie leben können. Deshalb weihen wir am heutigen Tag das vor dem Andenken von Kardinal Mindszenty sich verneigende Mindszentyneum ein, das – so hoffen wir – auch als eine Pilgerstätte fungieren wird. Wir hoffen, dass auch dieser Ort – indem er den Traditionen der durch den Primas gegründeten Institutionen folgt – mit Leben gefüllt sein wird und ein jeder Ungar die Lehren, die Konsequenzen und die Leitsätze des Lebens von József Mindszenty zu seinem eigenen Vorteil wird nutzen können.
Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Heute gedenken wir nicht nur unseres geliebten Kardinals, sondern auch der Helden von 1956. Jener Ungarn, die damals, vor sechsundsechzig Jahren gezeigt haben, was eine echte freiheitsliebende Nation ist. Die Helden der Revolution unterschieden sich sehr wohl, doch die gleiche Idee trieb ihre Taten voran: Sie liebten alle das freie Ungarn. Sie nahmen alle Gefahren und Risiken auf sich, denn sie glaubten daran, dass sie einen Erfolg erringen könnten. Ihre Hoffnung und ihr Glaube waren nicht unbegründet. 1956 gab es eine echte Chance, unsere Unabhängigkeit zu erringen. Als das ungarische Volk beschloss, die sowjetische Unterdrückung nicht weiter zu tolerieren, und sich dem Lager der unabhängigen Völker anzuschließen, waren alle rationalen Bedingungen für einen gewaltlosen Übergang gegeben. In dem Jahr vor 1956 errang und sicherte Österreich seine Neutralität. Nach dem Tod Stalins begann die Entspannung zwischen den beiden Blöcken und wir hatten gute Gründe anzunehmen, die neue sowjetische Leitung wolle ein neues Kapitel in den Beziehungen von Ost und West öffnen. Zurecht konnten wir annehmen, dass auch die Sowjets erkannt hatten, dass man auf eine durch Blutvergießen aufrechterhaltene Unterdrückung kein Imperium aufbauen kann, so wie das Gorbatschow 1990 auch eingesehen hatte.
In den ersten Tagen funktionierte der Plan noch. Hunderttausende von Ungarn haben an der Revolution teilgenommen, die Sowjets kamen durcheinander, und wenn uns der Westen nicht verraten hätte – nach 1945 auch das zweite Mal –, hätten wir Erfolg haben können. In Ermangelung der Unterstützung durch den Westen überlegten es sich die sowjetischen führenden Politiker auf halber Strecke anders: Sie ließen die Panzer umdrehen und sie setzten uns für fünfunddreißig Jahre erneut militärische Unterdrückung und eine Marionettenregierung ins Genick. Unsere Sache wurde hoffnungslos und das Land erwartete erstarrt sein Schicksal. Von den Mitgliedern der Regierung blieb allein István Bibó im Gebäude des Parlaments, der einen Aufruf an die Ungarn und die ganze Welt richtete: „Es wäre eine Verantwortungslosigkeit, über das teure Blut der ungarischen Jugend zu verfügen. Ungarns Volk hat genug Blutzoll entrichtet, um der Welt sein Festhalten an der Freiheit und der Wahrheit zu zeigen.” Das ungarische Blut ist ein derart hoher Wert Europas und der Freiheit, dass wir jeden seines Tropfens schützen müssen – schrieb auch Camus. Man muss es wirklich wertschätzen, denn außer uns wertschätzt es niemand. Weder die Kommunisten, als sie unter uns ein Blutbad anrichteten, als sie mit Panzern Schüler im Teenageralter angriffen und als sie nach der Revolution blutige Vergeltung übten, und das Blut der Ungarn wusste auch die damalige freie Welt nicht zu schätzen, die uns zwar ermutigte, doch dann nicht half. Damals setzte man uns auch auf das Titelbild des Time-Magazins, und dann ließ man uns für vierzig Jahre unter der sowjetisch-kommunistischen Presse – sich dabei denkend, dass wenigstens die Sowjets eine Sorge mehr haben werden.
Die Lehre ist klar: Die Wahrheit der Ungarn können nur die Ungarn der Welt zeigen und nur die Ungarn können ihr eigenes Recht gegenüber den Gefahren schützen. Wenn das Land zugrunde geht, haben wir vergebens für die Freiheit gekämpft. Wenn nur verkohlte Trümmer übrigbleiben, haben wir nichts gewonnen. Wenn Millionen von Menschen das Land verlassen müssen, dann bleibt der folgenden Generation keine Heimat. Wir können nirgendwohin laufen, denn Ungarn können wir nirgendwo anders finden. Dieses muss man erhalten, dieses muss man schützen, hier muss man glücklich werden. Die Lehren von tausend Jahren haben wir 1956 aufgesagt. Die seelische Kraft ist unser bester Schild. Seine Härtung ist die beste Waffe gegen die Tyrannei und die Verweichlichung das größte Geschenk, das wir unseren Feinden machen können. Doch wir sind hart und entschlossen geblieben, deshalb haben wir überlebt und schließlich 1990 gesiegt. Wir haben das freie und unabhängige Ungarn zurückerlangt. Daraus kann die ganze Welt verstehen, wer sich auch immer uns in den Nacken setzen möchte, er ist zur Niederlage verurteilt. Wir waren hier, als das erste erobernde Reich uns angriff, und wir werden hier sein, wenn auch das letzte zusammenbricht. Wie Deák es sagte: „Was Kraft und Macht wegnehmen, können Zeit und günstiges Glück wieder zurückbringen. Doch das zurückzuerlangen, worauf die Nation, Leiden befürchtend, selber verzichtet hat, ist immer schwierig und zweifelhaft.”
Sehr geehrte feiernde Zalaegerszeger!
Wir erleiden, wenn es sein muss, und wir schlagen zurück, wenn es möglich ist. Wir ziehen das Schwert, wenn es die Chance dazu gibt, und wir leisten Widerstand, wenn die Jahre der langen Unterstützung kommen. Devictus vincit. Auch besiegt siegen wir, wie wir das von Kardinal Mindszenty gelernt haben. Wenn Du ein Ungar bist, dann benötigen wir gleichzeitig den Mut des Löwen, die Klugheit der Schlangen und die Arglosigkeit der Tauben. Besonders im kommenden Jahr wird es so sein. Krieg in der Nachbarschaft, Finanzkrise und wirtschaftlicher Rückfall in der Europäischen Union. Migrationsinvasion im Süden, Krieg im Osten und Wirtschaftskrise im Westen. Damit müssen wir kämpfen. Glück im Unglück ist, dass nicht die Linke an der Macht ist. Sie können sich vorstellen, was hier los wäre. Zum Glück haben wir eine nationale Regierung, die stark und einheitlich ist und nicht erschrickt, wenn sich Probleme zeigen. Wir sind in der Lage, die Interessen Ungarns zu Hause und im Ausland gleichermaßen zu verteidigen. 1956 haben wir gelernt: In schwierigen Zeiten kann nur der Zusammenhalt helfen. Kümmern wir uns nicht um jene, die manchmal aus dem Schatten, ein anderes Mal vom Brüsseler Hochsitz aus auf Ungarn schießen. Sie werden dort enden, wo es ihre Vorgänger getan haben. Seitdem Ungarn eine nationale Regierung besitzt, sind wir aus jeder Krise stärker hervorgekommen, als wir in sie hineingegangen waren. Auch jetzt sind wir vorbereitet. Wir bewahren die Stabilität der Wirtschaft, ein jeder wird Arbeit haben, die Senkung der Nebenkosten werden wir verteidigen können und die Familien werden nicht alleingelassen. Wir haben die Kraft dazu, und was noch wichtiger ist: Wir haben die Erfahrung.
Der liebe Gott über uns allen, Ungarn vor allen Dingen! Vorwärts Ungarn!