Gábor Gönczi: Ich begrüße im Studio Viktor Orbán, Ungarns Ministerpräsidenten! Wir danken Ihnen, dass Sie zu uns gekommen sind.
Guten Abend!
Wir zeichnen dieses Gespräch am Samstag, dem 26. September auf. Herr Ministerpräsident, wir sind heute Morgen mit zwei sehr wichtigen Nachrichten erwacht. Die eine ist, dass man von Freitag auf Samstag bei 950 weiteren Bürgern die Coronavirusinfektion nachgewiesen hat und die Zahl der Todesopfer um 12 Personen angestiegen ist. Das ist offensichtlich sehr traurig, und hinsichtlich der Sterbedaten ist dies ein Rekord in der zweiten Welle. Die zweite Nachricht ist erfreulicher, nämlich dass eine große internationale Ratingagentur die Einstufung Ungarns hinsichtlich der Kreditwürdigkeit von stabil auf positiv geändert hat. Das eine unserer Augen von uns Durchschnittsmenschen weint, das andere lacht. Wie sieht das für den Ministerpräsidenten aus?
So, dass das eine Auge stärker weint als das andere lacht, denn die Wirtschaft wird man irgendwie in Ordnung bringen können, man wird das Wachstum wieder vorantreiben können, aber die verlorenen Leben können wir nicht zurückbringen, sodass ich den Familien mein Beileid aussprechen möchte, die ihre Angehörigen verloren haben. Es ist eine wichtige Lehre: Die Alten befinden sich auch weiterhin in Gefahr. Wir befinden uns also im aufsteigenden Zweig der Epidemie. Wir können zwar auch gesondert über Wirtschaft und Gesundheit reden, doch unser ganzes Leben wir jetzt von der Epidemiegefahr überschattet, und die Wahrheit ist, dass sich die Epidemie auf einem aufsteigenden Ast befindet. Ich möchte niemanden irreführen, ich möchte also geradeheraus sprechen. Die Lage ist schwierig, und es lastet jetzt ein großer Druck sowohl auf dem Gesundheitswesen als auch auf dem Unterrichtswesen, aber ganz besonders auf unseren Krankenhäusern, und er wird auch in den kommenden Monaten auf ihnen lasten.
Fange wir dann mit den Bezügen zum Gesundheitswesen an. Jetzt ist ja die Verteidigungsstrategie eine grundlegend andere als während der ersten Welle. Was ist die Grundlage dessen?
Ja, aber am ehesten deshalb – dies pflegen nur wenige Menschen zu durchdenken –, da wir dem Punkt näher sind, dass es einen Impfstoff gibt, also die Verteidigung unterscheidet sich jetzt nicht nur darin, dass man das Land nicht auf Sparflamme stellen, die Kontakte nicht einschränken und das Land stoppen musste, was die Menschen im Übrigen meiner Ansicht nach ausgezeichnet gelöst haben, denn die Regierung steuert zwar die Verteidigung, jedoch halten die Menschen das Land am Funktionieren. Und nicht zufällig gehörten wir im Frühjahr zu den 20-25 sich am besten verteidigenden Ländern der Welt, dass wir die Flamme herunterdrehen und die Zahl der Kontakte vermindern mussten. Doch weicht die gegenwärtige Verteidigung nicht nur darin davon ab, dass wir dies nicht tun, wir lassen jetzt das Land funktionieren, sondern auch darin, dass im März noch niemand wusste, wann es einen Impfstoff geben wird. Auch jetzt kann ich Ihnen Ihre unausgesprochene Frage nicht beantworten, wann es den Impfstoff geben wird, aber ich weiß: Wir sind ihm näher. Wir verhandeln ständig mit den Amerikanern, den Japanern, den Chinesen, den Russen, und wir verhandeln nicht nur, sondern wir haben auch Geld in die durch die Europäische Union unterstützten europäischen Forschungsprogramme gesteckt, und spätestens sagen sie jetzt – ich komme im Übrigen jetzt aus Brüssel, gestern und vorgestern war ich dort –, und in Brüssel rechnet man damit, dass es spätestens Mitte des kommenden Jahres den Impfstoff geben wird, doch die Amerikaner halten auch schon das Ende dieses Jahres für möglich.
Das ist ja eine großartige Nachricht, Herr Ministerpräsident! Dies haben wir niedergeschrieben noch nirgendwo gesehen.
Im amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf…
Dies, diese Nachricht haben Sie uns jetzt mitgebracht.
Ja, aber im amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf spricht der Präsident schon darüber und am Donnerstag habe ich die Frau Kommissionspräsidentin getroffen, und dort wurde im Laufe der Gespräche gesagt, wir sollten damit rechnen, dass es vor der Halbzeit des kommenden Jahres sicher keinen geben wird. Die Chancen sind ansonsten nicht schlecht. Den russischen Impfstoff hat – wenn ich das richtig sehe – auch die WHO noch nicht akzeptiert, mit dem sind wir vorsichtiger. Der chinesische ist ziemlich ermutigend und auch die Japaner kommen gut voran, ich habe also den Eindruck, dass vier-fünf große Kraftzentren der Welt den Impfstoff der Welt im kommenden Jahr werden anbieten können, der in der Lage sein wird, das Virus aufzuhalten.
Gut. Das liegt innerhalb einer absehbaren Zeit.
Und dann wird es eine Katharsis, eine Erleichterung, eine Befreiung geben, aber bis dahin wird noch sehr viel…
Wir müssen erst dort ankommen.
So ist es. Jetzt war im Sommer die Frage, wie wir uns dann verteidigen sollen, wenn die zweite Welle ankommt, denn wir wussten, sie wird ankommen. Und aus diesem Grund haben wir die nationale Konsultation organisiert, denn bei der Verteidigung ist nicht nur wichtig, dass sich viele kluge Menschen, Mathematiker, Experten der öffentlichen Verwaltung am richtigen Ort befinden, sondern auch, den Menschen ein Rezept der Verteidigung anzubieten, das sie akzeptieren. Sie sind dadurch nicht glücklich, sie müssen mit ihm nicht einverstanden sein, aber sie sagen: „Wir sehen ein, dass das notwendig ist. Wir helfen den Verteidigungsplan durchzuführen.“ Und man muss Punkte des Einverständnisses schaffen. Dies können wir etwas pathetisch auch als nationale Einheit bezeichnen. Die Nationalen Konsultationen dienen gerade diesem Zweck, und daraus konnte ich herauslesen, was die Menschen denn wollen. Und klar ist, dass sie sagen, sie wollen sich verteidigen, aber sie wollen nicht, dass das Land wieder erstarrt. Also ist die Schlussfolgerung, wie ich das zu sagen pflege, dass das Land, Ungarn, funktionieren muss. Die Regierung soll eine Lösung finden, damit wir die Alten beschützen, die Schulen geöffnet sind und das Leben funktioniert. Da bitten die Menschen nicht um wenig, das ist eine sehr schwierige Aufgabe, doch wenn die im Gesundheitswesen Arbeitenden durchhalten, denn in ihren Händen liegt der Schlüssel zur Lösung der Lage, wenn sie es lösen können, da sie die Arbeit verrichten können, und wenn sie die immer weiter zunehmende Last seelisch ertragen können, die uns in den kommenden Monaten bevorsteht, dann ist es möglich, dann schaffen wir es. Das wird gelingen, ebenso wie es auch im Frühling gelungen ist.
Im Gegenzug haben wir ja versprochen, die Regeln einzuhalten. Halten wir die Regeln ein?
Der Sommer ist ein großer Verführer oder ein großer Kuppler. Das war auch jetzt so, aber der Herbst, der hilft, denn er kühlt das Temperament, und jetzt halten die Menschen die Regeln viel mehr ein als sie es im Laufe des Sommers getan hatten. Es gibt drei einfache Regeln, die Hygienevorschriften, Händewaschen usw., die Maske dort, wo wir uns in geschlossenen Räumen befinden, und zumindest soviel Abstand wie der, der sich jetzt zwischen uns befindet.
Wenn es Probleme gibt, interessiert es ja die Menschen am meisten, ob sie in Sicherheit sind. Was bedeutet die Sicherheit? Können wir im Krankenhaus liegen, erhalten wir Medizin, wenn es ein größeres Problem gibt, erhalten wir ein Beatmungsgerät? Kann jenes Beatmungsgerät jemand einschalten?
Ich besuche die Krankenhäuser, ich kann die Menschen also aus erster Hand informieren und auch Ihnen antworten. Es gibt genug. Es ist schwer, sehr schwer für die Ärzte und die Krankenschwestern, aber es gibt überall Ärzte und Schwestern. Natürlich wünscht man sich überall, und es wäre auch gut, wenn es mehr von ihnen gäbe, doch gibt es überall Instrumente in ausreichender Zahl, ob es sich nun um Betten, Schutzausrüstungen oder eben Beatmungsgeräte handelt. Am schwierigsten ist es mit den Menschen. In solchen Zeiten muss man ja kommandieren, oder – um sanfter zu formulieren – umgruppieren. Das macht niemanden glücklich. Der ist nicht glücklich, der jetzt von der einen Stadt für einige Monate in eine andere Stadt umziehen muss, und auch die sind nicht glücklich, zu denen Menschen kommen, denn natürlich freuen sie sich, dass neue Leute gekommen sind, aber die Neuen muss man einweisen, sie kennen den Ort nicht usw. Das alles bedeutet also zusätzliche Arbeit. Ich verstehe also, dass das Kommandieren und das Umgruppieren nie populär sein werden, aber wir können es nicht anders lösen, damit das Gesundheitswesen funktionsfähig bleibt, nur mit Umdirigieren, da wir ein stufenweises Verteidigungssystem haben. Wir haben die ersten acht Krankenhäuser als Seuchenschutzkrankenhäuser ausgewählt. Jetzt bringen wir die Kranken dorthin. Wenn sie keine Kapazitäten mehr haben, wenn sie voll sind, dann folgt die zweite Stufe. Wenn auch sie voll ist, kommt die dritte Stufe. Und die Menschen, das heißt die Schwestern, die Ärzte müssen immer auf die Weise und dorthin dirigiert werden, wo sie gerade benötigt werden. Das ist das für sie am meisten belastende, ich bin ihnen also dankbar und ich glaube, ich kann in unser aller Namen sprechen, dass wir den Mitarbeitern des Gesundheitswesens Dank dafür schulden, dass sie all das auf sich nehmen.
Sie haben früher erwähnt, Herr Ministerpräsident, dass wir auf Österreich wie auf ein Versuchslabor blicken können, was sich dort bewährt hat, das wird sich auch bei uns bewähren, was sich dort ereignet, das wird sich dann auch bei uns ereignen. Gibt es jetzt ein Land, auf das es sich lohnt zu achten? Oder übt Österreich noch immer diese Rolle aus?
Österreich hat noch diese Rolle, doch hört die Welt nicht an den Grenzen Österreichs auf. Im Großen und Ganzen verstehen wir, verstehe ich, was in der Region geschieht. Ich sehe die Ukraine, ich sehe Rumänien, ich verstehe, warum es so ist, wie es ist. Wir folgen Österreich, da es unsere Meinung ist, dass sich das, was sich in Österreich ereignet, mit einiger Verzögerung dann in Ungarn ereignen wird. Der einzige Ort, den ich nicht genau verstehe, ist Tschechien, wo es wilde Zustände gibt, und irgendwie sind die Zahlen explodiert. Darauf müssen wir achten, die Tschechen kommen ja rüber zu den Slowaken, die Slowaken können noch nach Ungarn kommen, wenn auch nur wegen des Geschäfts, man kann sich bewegen, man muss also auf die Tschechen immer achten. Sie sind im Übrigen zum Teil ein kluges Volk, sie sind ja auch etwas entwickelter als wir, und jetzt ist dort etwas geschehen, vor dem wir uns schützen müssen. Ich halte die Schließung der Grenze auch weiterhin für wichtig, denn es stimmt, das Virus zerstört im Inneren, wir übertragen es also hier aufeinander, doch die Nachschublinien befinden sich an der Grenze, die müssen dort angeschnitten werden.
Sprechen wir ein bisschen über die Wirtschaft. Wir haben ja am Beginn des Interviews erwähnt, dass die Ratingagentur eine sehr vorteilhafte, für uns sehr vorteilhafte Entscheidung getroffen hat. Das ist ja der Beweis dafür, dass der Weg, den wir beschreiten, gut ist. Aber er ist nicht leicht.
Ja. Ich freue mich über die Ermunterung und über jedes positive Zeichen, doch müssen wir uns letztlich auf eine einzige Sache konzentrieren, das sind die Arbeitsplätze. Wenn es Arbeitsplätze, wenn es Arbeit gibt, dann wird es alles Geben, Wachstum, gute Ratings, es wird alles geben.
Wie können wir dies im späteren, im Weiteren schützen?
Nun, wir haben ja drei Möglichkeiten. Die eine ist die, dass – da die Unternehmer am ehesten den anderen Menschen Arbeit geben – wir den Unternehmern dabei helfen, dass sie Arbeit geben können. Steuersenkung, Investition, Entwicklung. Das ist unsere Politik. Die zweite Möglichkeit für den Fall, dass alle Stricke reißen, ist, dass auch der Staat Menschen anstellen können soll. Das ist bereits eine weniger gute Lösung, doch bietet sie den Familien immer noch Brot und eine Möglichkeit. Und die dritte ist die öffentliche Anstellung, also das traditionelle System der öffentlichen Arbeit, was sehr weit davon entfernt ist, in Bezahlung und der zu verrichtenden Arbeit wünschenswert zu sein, aber wenn es nichts anderes gibt, dann ist auch das besser als gar nichts. Es wird dort auf alle Fälle im Übrigen im Laufe des kommenden Jahres notwendig werden, die Löhne für die öffentliche Arbeit anzuheben. Wir verfügen also über die Instrumente dafür. Jetzt können wir nur sagen, mit göttlicher Hilfe – denn wir sind nicht in der Lage, alle ökonomischen Zusammenhänge darzulegen – stehen uns jene Zahlen, jene Fakten zur Verfügung, dass jetzt mehr Menschen in Ungarn arbeiten, als im Januar gearbeitet hatten, ja es arbeiten sogar mehr als im März. Zuletzt habe ich die Zahl gesehen – und die Analysen unterstreichen die Richtigkeit dieser Zahlen –, dass mehr als 4,5 Millionen Menschen in Ungarn arbeiten. Die 4,5 Millionen sind eine Trennlinie. Vor zehn Jahren, als nach den Sozialisten wir die Regierung übernahmen, arbeiteten etwa 3 Millionen 600, 3 Millionen 700 tausend Menschen. Die erste Trennlinie waren die vier Millionen. Viele Menschen hatten nicht geglaubt, dass man die Zahl der Arbeitenden so hoch steigen lassen kann. Das ist geschehen. Doch das haben wir bereits hinter uns, jetzt liegt das wahre neue Zauberlimit, oder die Zaubergrenze bei 4,5 Millionen, und diese haben wir jetzt überschritten. In meinem Kopf findet sich auch ein Ungarn mit fünf Millionen Arbeitsplätzen, aber das ist nicht die Aufgabe der nächsten Monate.
Ja, das haben Sie, Herr Ministerpräsident, damals ja auch versprochen. So viele Arbeitsplätze das Virus zerstört…
Ich habe zwei Versprechungen gemacht, über deren Einhaltung man Rechenschaft von mir fordern kann. Erstens, dass wir so viele Arbeitsplätze wie das Virus zerstört, wieder auferstehen lassen oder schaffen. Und die andere Versprechung stammt von vor zehn Jahren, als ich sagte, wir würden im Laufe von zehn Jahren eine Million Arbeitsplätze schaffen. Hier hat uns das Virus gebremst, wir waren gut vorangekommen, wir waren gerade in der Höhe von acht-neunhunderttausend angekommen, als die Epidemie kam.
Wo liegt jetzt das große Problem im Bereich der Beschäftigung?
Die wirkliche Frage ist jetzt nun, ob die Unternehmer in der Lage sind, derartige neue Arbeitsplätze zu schaffen, die wettbewerbsfähiger sind als die bisherigen. Denn jetzt geschieht nicht nur das in der Welt, was viele annehmen, dass die Arbeitsplätze in der Welt geschlossen wurden, sagen wir im März-April, und jetzt werden die gleichen wieder geöffnet. Sondern es geschieht, dass das, was irgendwo geschlossen worden ist und es eine Nachfrage nach dem Produkt gibt, das wird dann irgendwo anders aufgemacht. Die Betriebe werden dort eröffnet, die Betriebe werden dorthin gebracht, wo man am wettbewerbsfähigsten produzieren kann. Also sagen wir, man hat in Frankreich oder in Deutschland einen Betrieb geschlossen, das bedeutet nicht, dass er auch dort wieder geöffnet wird, sondern es kann geschehen, dass er irgendwoandershin gebracht wird, sagen wir nach Ungarn oder Polen. Doch um das Gleiche als Gefahr zu deuten: Dass man in Ungarn einen Arbeitsplatz geschlossen hat, bedeutet nicht mit Sicherheit, dass er hier wieder eröffnet wird. Wenn wir nicht in ausreichendem Maß wettbewerbsfähig sind, wenn die Regelungen nicht gut genug sind, die Steuern nicht niedrig genug sind, wenn unsere Arbeiter nicht gut genug sind, dann nehmen sie den Betrieb mit sich und öffnen ihn woanders. Es ist also jetzt in der Welt so eine Versetzung, eine Neuorganisation der Arbeitskräfte-, der Produktionskapazitäten. Das ist ein Wettbewerb, denn wir müssen uns dazu anmelden, das ist übrigens die Aufgabe von Péter Szijjártó, diese Anmeldung abzugeben und in diesem Rennen gut zu laufen. Er ist ein flinker Mann, das können auch Sie sehen, meiner Ansicht nach sind die Chancen auch gut.
Ja. Viele Stimmen sagen ja, in Krisensituationen könne man viel wachsen, von dort aus könne man einen großen Sprung machen. In dieser Hinsicht gibt es häufig Menschen, die sich über die Krise freuen.
Unsere Strategie, das heißt die Regierungsstrategie ist die, dass wir die Verteidigung im Gesundheitswesen durch den für das Gesundheitswesen zuständigen Operativen Stab versehen lassen, den Sándor Pintér leitet und zu dem Herr Minister Kásler die medizinische Unterstützung gibt. Den Schutz der Wirtschaft haben wir dem für den Schutz der Wirtschaft zuständigen Stab übertragen, diesen leitet Mihály Varga und er befindet sich gerade in der Kurve beim Überholen, es ist also eine Aufgabe in der Krise einen Vorsprung zu erlangen, und gerade dies, wie man in der Krise die Möglichkeit finden, erkennen und diese zu unserem Vorteil wenden kann, diese Arbeit leitet Péter Szijjártó.
Herr Ministerpräsident, ich bin ein Pester Junge. Wenn ich durch das Land fahre, sehe ich, dass übrigens an vielen Orten das Leben beinahe in seinem alten, gewohnten Rahmen verläuft. Der Sommer war herrlich, allein wenn wir nur an den Plattensee denken. In Budapest habe ich aber doch nicht das Gleiche gesehen. Es war natürlich etwas schmerzhaft, denn wir haben nicht jenes Leben gesehen.
Nun, Sie werden dies für eine Weile auch nicht sehen. Das besitzt einen sehr einfachen Grund. Das Geschäftsmodell der Hauptstadt basiert also – in erster Linie im Tourismus und in der Gastronomie – auf den Ausländern. Auch ich sah mich jetzt mit den Analysen konfrontiert, laut denen in Budapest die Hotelzimmer zu 93% von Ausländern reserviert werden. Jetzt beträgt diese Zahl in Paris fünfzig Prozent oder sechzig, und auch in Rom. Die anderen sind Inländer. Jetzt hat Budapest kein Geschäftsmodell, mit dem es die Ungarn nach Budapest holen und sie überzeugen würde, hier ein Wochenende zu verbringen. Dieses Geschäftsmodell muss unbedingt verändert werden, auch dann, wenn das Leben in sein normales Flussbett zurückkehrt, denn man kann nicht nur auf einem Bein, der durch die Ausländer ausgelösten Nachfrage stehen. Es muss auch Ungarn hier in Budapest geben und auch sie müssen Akteure des ungarischen Tourismus, des Budapester Tourismus und der Gastronomie sein.
Und gibt es dafür im Übrigen gute kurzfristige Ideen?
Nun, wir haben ja sehr viel Geld auch bei den Budapester Unternehmern gelassen. Ich sehe in der ganzen Welt kaum ein Beispiel, keine so starke Solidarität wie jene, die wir durch unsere Entscheidung geschaffen haben, indem wir ein Kreditmoratorium verordnet haben, dass man die Kredite nicht zahlen musste, die Zahlung der anstehenden Raten verschieben konnte, wodurch wir etwa zweitausend Milliarden Forint bei den Familien und den Unternehmen gelassen haben. Das war eine sehr große Hilfe für alle, wir haben für die Unternehmen die Steuern gesenkt. Ich bin also der Ansicht, dass die Regierung sowohl auf dem Land als auch in Budapest getan hat, was möglich war. Hierbei wäre eine zusätzliche Hilfe nicht schlecht. Ich befürworte es also, dass jene Regeln für Restaurants, z.B. die Gebühren für Terrassen, es gibt zahlreiche spezielle Budapester Regelungen, hier könnte man doch den Unternehmern helfen. Ich sehe die Vorschläge der Budapester Handels- und Industriekammer. Meiner Ansicht nach ist das die Leitlinie, die es zu verfolgen sich lohnt.
Herr Ministerpräsident, ich frage Sie jetzt als Privatperson. Wir haben diese schrecklichen sieben Monate hinter uns. Meiner Ansicht nach können wir darin übereinstimmen, dass die Welt jetzt ein Gesicht zeigt, das wir nicht gern haben. Wir sehen die Welt so nicht gerne. Wie erlebten Sie als Vater, als Großvater, als Kind Ihrer Eltern diesen Zeitraum? Zu Hause, oder wenn wir an den Zeitraum der Quarantäne zurückdenken, oder was kann man den alten Familienmitgliedern und den Jüngsten sagen?
Wenn sich die Frage auf meine Person bezieht, so kann ich Ihnen sagen, ich war im März und April doch besorgt. Das ist eine Sache, dass ich gleich zu Beginn sah, da dies die internationalen Studien und die Ärzte klargestellt hatten, dass sich in erster Linie die Alten in Gefahr befinden und meine 99 Jahre alte Großmutter lebt noch, auch mein Vater lässt langsam die 80 hinter sich, es gibt also Personen, um die ich mir Sorgen mache. Doch in Wirklichkeit beobachtete ich, ob – denn der Gegner war unbekannt, wir kannten das Virus nicht – es sich nicht auf einmal herausstellt, dass nicht nur die Alten, sondern auch die Kinder in Probleme geraten, denn das wäre eine Katastrophe gewesen. Wenn das also ein Virus ist, welches nicht nur für die Alten, sondern auch unsere Kinder eine unmittelbare Gefahr bedeutet, dann wäre ich als Familienvater zwar nicht in Panik geraten, denn dies schließt mein Arbeitsbereich aus, aber emotional wäre es sehr schwer gewesen. Also den Schutz der Alten auf irgendeine Weise der Separation, der gesonderten Fürsorge halte ich für möglich, aber Kinder, die sich wie Flöhe in einem Sack aufführen, das ist eine sehr schwierige Angelegenheit. Ich hatte also Angst, es würde sich herausstellen, es sei auch für Kinder gefährlich. Bisher ist keine derartige Mutation des Virus erschienen, die besonders für Kinder gefährlich wäre, also – wenn ich mich auch nicht zurücklehnen darf, aber – ist das doch eine seelisch einfachere Situation für Familienväter wie ich einer bin. Und insgesamt kann ich Ihnen sagen, es wird einen Punkt geben, an dem wir uns aus dieser Situation befreien werden, der Impfstoff wird vorhanden sein, wir werden es organisieren, dass es für Ungarn den Impfstoff geben wird, dieser rechtzeitig für alle erreichbar sein soll, die ihn wollen, und wir werden uns aus diesem Elend befreien, und bis dahin werden wir es aushalten. Das Gesundheitswesen wird funktionieren, die Wirtschaft wird funktionieren und wir werden keinen Schritt zurück machen, sondern werden die Chance dafür bewahren, dass Ungarn aus der Krise gestärkt hervorgeht. Wenn es einmal schon gelungen ist, dann wird es erneut gelingen. Das ist meine Überzeugung. Eine Sache ist bis dahin wichtig: Wir müssen bis dahin aufeinander Acht geben.
Her Ministerpräsident, wir danken Ihnen, dass Sie zu uns gekommen sind.