Katalin Nagy: Die gewählte Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, hat den ungarischen Kandidaten László Trócsányi für den Posten des Kommissars für Erweiterung und Europäische Nachbarschaftspolitik nominiert. Die Sirenengesänge haben ihn für diesen Posten früher als chancenlos ausgerufen, doch hat László Trócsányi diesen Posten dennoch bekommen. Ich begrüße im Studio Ministerpräsident Viktor Orbán. Warum ist es wichtig, dass László Trócsányi diesen Posten erhält?
Guten Morgen! Ich begrüße die Zuhörer! Er hat den Posten nicht erhalten, man hat ihn dazu nominiert. Aber wir sollten zuerst den Bären erlegen, und erst danach mit dem Kürschner reden, sagt die politische Weisheit. Also die Präsidentin der Kommission hat ihn für diesen Posten nominiert, jedoch steht noch eine Auseinandersetzung bevor, denn das Europäische Parlament wird die Kandidaten anhören und danach seine Meinung über sie äußern. Und erst hiernach wird die Nominierung zur Ernennung. Ich rechne damit, dass wir hier noch heiße Momente erleben werden. Dies hat auch die die ungarische Opposition in Aussicht gestellt, die im Übrigen mit Volldampf oder mit der gesamten Übermacht László Trócsányi, unseren ehemaligen Minister und den Vertreter Ungarns, angreift und sich auf ihn eingeschossen hat. Aber auf jeden Fall ist der zwischenzeitliche Erfolg auch ein Erfolg. Wir sollten also dies nicht ganz von uns weisen und ruhig aussprechen, dass Ungarn einen großartigen Menschen delegiert hat. Hier ist die persönliche Eignung eine Schlüsselfrage, und dies zeigt doch die intellektuellen und geistigen Fähigkeiten der ungarischen Politik, und der Ungarns im Allgemeinen, auf die wir meiner Ansicht nach mit der nötigen Bescheidenheit, jedoch ruhig stolz sein sollten, da wir einen Menschen vorgeschlagen haben, der – darüber hinaus, dass 53% der Wähler ihn unterstützt haben, denn er hat die Liste bei den Wahlen zum Europäischen Parlament angeführt – ja doch ein Professor ist, ein Professor mit frankophoner Bildung, von dem mehrere Bände, wissenschaftliche Arbeiten auch im Ausland erschienen sind. Der auch Verfassungsrichter war, der ein erfahrener internationaler Diplomat ist, denn er war ja auch als Botschafter tätig, und hat im Übrigen in der Venedig-Kommission, in der Ungarn gegenüber recht kritischen Venedig-Kommission lange-lange Jahre zugebracht. Aus welcher Perspektive wir diesen Menschen auch betrachten, man findet nichts zum Aussetzen an ihm. Man kann hier nur eine einzige Sache gegen ihn anführen, also vom Gesichtspunkt der ihn Angreifenden, nämlich dass es für sie vom falschen Ort kommt, da er ja ein Ungar ist. Aber wir sind ja so viele Ungarn, etwa zehn Millionen, sodass wir diese Beanstandung nicht akzeptieren können.
Ist das nur ein Erfolg der ungarischen Diplomatie oder der Durchsetzung der Interessen, oder sieht man hier auch die Erstarkung der V4 in der Europäischen Union?
Wenn wir einen Kassensturz über die diplomatischen Gefechte der vergangenen zwei-drei Monate und über die Frage machen, was für Kräfteverhältnisse sich nach den europäischen Wahlen in der europäischen Politik herausgebildet haben, dann sehen wir folgendes: Die Visegrád-Länder haben zwei Vizepräsidentenposten erhalten, was es niemals zuvor gab; wir haben einen slowakischen bzw. wir werden einen slowakischen Vizepräsidenten und eine tschechische Vizepräsidentin. Die Polen haben das Portefeuille der Landwirtschaft erhalten, was eine der wichtigsten Politiken der ganzen Europäischen Union darstellt. Das meiste Geld steckt hierin und es betrifft auch die meisten Menschen. Und Ungarn hat die Erweiterung und die Nachbarschaftspolitik erhalten. Das bedeutet den gesamten Westbalkan, es bedeutet die Ukraine, das ist für uns besonders wichtig, die mit den kaukasischen Ländern erhaltenen Beziehungen und es bedeutet – und das ist wegen der Migration besonders wichtig – die nordafrikanischen Länder, die jenseits des Meeres ebenfalls die Nachbarn Europas sind. Die Visegráder Vier haben also sehr bedeutende Positionen und Portefeuilles erhalten. Und wenn wir hierzu die im Allgemeinen in der Öffentlichkeit hiermit nicht verbundene, jedoch zu der komplexen Welt der Verhandlungen dazu gehörende Tatsache hinzufügen, dass es auch zu einer Veränderung an der Spitze des IWF, des Internationalen Währungsfonds kommt, von der eine französische Dame ausscheidet – und wir ein großes Gefecht in der Frage geschlagen haben, wer ihre Nachfolgerin sein soll, es sollte eine europäische Kandidatin sein, und wer diese genau sein sollte –, und da gelang es uns, eine bulgarische Dame gut zu unterstützen, und wahrscheinlich wird sie diese Position auch einnehmen können. Hierüber wird es bald eine Entscheidung geben, die V4 haben sich in erster Linie dafür eingesetzt, dann müssen wir sagen, unsere gesamte Region befindet sich – an der Spitze mit den V4 – in einem Prozess der kontinuierlichen Aufwertung. Es ist immer wichtiger und besitzt immer mehr Gewicht, was wir sagen, tun, denken. Dies öffnet auch vor der Durchsetzung der ungarischen Interessen die Tür etwas weiter. Nur die Probleme in unseren Beziehungen mit den aufgeführten Ländern zeigen, wie wichtig das für uns ist. Es gibt auch Fragen, die mit der Ukraine geklärt werden müssen, die Zukunft des Westbalkan berührt in erster Linie unsere Sicherheit, auch wegen der Migration sind wir in erster Linie betroffen. Ich glaube also, dass all das, was geschehen ist, vom Gesichtspunkt der ungarischen nationalen Interessen aus gesehen ein vorteilhafter Prozess und eine gute Nachricht ist.
Im Westen mag man es nicht, wenn über die Erweiterung gesprochen wird, vor allem über die in Richtung auf den Westbalkan. In den vergangenen fünf Jahren hat die Europäische Union, hat die Europäische Kommission beinahe keinen einzigen Schritt vorwärts in dieser Frage getan. Sind Sie zuversichtlich, dass es in den kommenden fünf Jahren – vielleicht unter der Leitung von László Trócsányi – gelingen wird, voranzuschreiten, sagen wir in der Angelegenheit der Serben oder der Mazedonier?
Wir haben uns eine große Aufgabe gestellt, als wir uns zu der Erweiterung bekannt haben, denn tatsächlich, es gibt eine Erscheinung, die im europäischen Blabla oder im Rotwelsch als „Erweiterungsmüdigkeit“ bezeichnet wird. Die Ärmsten sind von der Erweiterung erschöpft. Das bedeutet die Westler, denn im Westen gibt es eine Deutung der Probleme der europäischen Wirtschaft, nach der die westliche Hälfte des Kontinents viel bessere Ergebnisse aufweisen könnte, wenn es nicht zu der Erweiterung gekommen wäre und die damit zusammenhängenden Diskussionen nicht viele Energien verbraucht hätten. Meiner Ansicht nach ist das erstens nicht wahr, natürlich ist es nicht wahr, denn ein ansehnlicher Teil des Wachstums der Europäischen Union kommt aus Mitteleuropa, und die Vergrößerung eines Marktes, und unser Beitritt hat dies bedeutet, stellt immer eine zusätzliche wirtschaftliche Energie dar. Die Erweiterung nimmt also nicht weg, sondern gibt immer etwas dazu. Aber unabhängig davon, wenn jemand keinen Erfolg hat – Sie wissen ja, wie das ist – dann muss er auf jemanden zeigen, dieser sei verantwortlich dafür. Und wenn ich zwar die Ursache von etwas bin, aber nicht möchte, dass man mich als Verantwortlichen benennt, dann muss ich auf jemanden anderen zeigen. Deshalb kehrt sehr häufig Mitteleuropa als Erklärung für die schwächere westeuropäische politische Leistung wieder. Doch ist meine Logik genau das Entgegengesetzte. Denn wenn wir es genau betrachten, was in den vergangenen Jahren geschehen ist, dann kann ich mit Sicherheit sagen, wenn die EU nicht gezögert, sondern die Erweiterung fortgeführt hätte, und sagen wir Mazedonien, Montenegro und Serbien schon in der Union gewesen wären, dann wären die Migranten, die illegalen Migranten, 2015 nicht bis nach Deutschland gelangt. Denn dann wären sie nach Griechenland nicht in einem Niemandsland angekommen – in dem Sinne Niemandsland, dass es dort nur nationale Zuständigkeiten gab. Dort verfügte die Europäische Union weder über Möglichkeiten noch über Rechte, denn die Migranten sind in Ländern angekommen, die im Übrigen keine Mitglieder der Europäischen Union waren. Deshalb konnten wir von ihnen auch keine Rechenschaft fordern, und auch Hilfe konnten wir nur auf eine verquere Weise leisten. Wenn es also im Balkanraum nicht diesen weißen Fleck gegeben hätte, sondern dieser ausgefüllt gewesen wäre, und sich auch dort Mitgliedsstaaten der Europäischen Union befunden hätten, dann wäre der nächste Ort nicht Ungarn gewesen, an dem wir die Migranten hätten aufhalten können, nachdem sie durch Griechenland hindurchgekommen waren, sondern Montenegro, Mazedonien und Serbien. Ich sehe es also genau andersrum als die Westler. Ich werde auch versuchen, sie hiervon zu überzeugen, denn dies ist natürlich die Aufgabe von Herrn Minister Trócsányi, in der Kommission diese Politik zu vertreten, aber in der Zwischenzeit wird es auch eine Debatte unter den Ministerpräsidenten darüber geben, ob es eine Erweiterung geben soll und wann? Deshalb haben die V4 sich gestern in Prag mit den führenden Politikern der Westbalkanländer getroffen, auch ihre Ministerpräsidenten waren anwesend, und in einer gemeinsamen Erklärung hat sich nicht nur Ungarn, sondern auch die anderen mitteleuropäischen Länder eindeutig zur Erweiterung bekannt, denn Europa braucht mehr Märkte, mehr Arbeitskräfte, ein größeres wirtschaftliches Potenzial, ein größeres Wachstum und eine bessere Sicherheit. Und das alles können wir vom Westbalkan erhalten.
Die Leiterin der Europäischen Kommission hat, als sie die Posten der Kommissare verteilt hat, diese etwas umbenannt. Es gibt einen interessanten, denn sie hat nicht gesagt, der für die Migration verantwortliche Kommissar, sondern der für den Schutz der europäischen Lebensweise verantwortliche Kommissar. Das hat nun die Liberalen überkochen lassen. Wie bewerten Sie das?
Das ist eine traurige Geschichte und leuchtet in jenes Dunkel hinein, das heute in manchen Köpfen in Europa herrscht. Leider auch in den Köpfen von Politikern. Der Schutz der Lebensform ist ja – unabhängig davon, ob er ein Liberaler, ein Christdemokrat oder ein Sozialist ist – doch für jeden Politiker die erstrangige Aufgabe, denn die Menschen leben irgendwie, sie haben sich eine Lebensform ausgebildet. Das geschieht nicht zufällig, dass die Menschen sich eine Lebensform ausbilden. Sie haben sie offensichtlich deshalb auf diese Weise eingerichtet, weil sie so leben möchten. Wenn sie nun so leben wollen, dann ist es unsere Aufgabe, die Auswirkungen der äußeren Zwänge, die dies verändern wollen, zu mindern, oder sogar auf null zu minimieren. Wenn es also eine wichtigere und schönere Aufgabe gibt – sofern überhaupt schöne und wichtige Aufgaben in der Politik existieren –, dann ist es gerade die, dass wir die durch die Menschen frei ausgebildete eigene Lebensform zu schützen versuchen. Wozu sind wir sonst da? Letztlich gibt es die Politiker hierfür. Die Menschen machen, was sie machen müssen, sie leben ihr leben, sie arbeiten, doch gibt es gemeinsame Angelegenheiten, zum Beispiel die Frage unserer Lebensweise, mit der sich irgendjemand beschäftigen muss. Das wären wir, die man wählt. Ich verstehe gar nicht, wie jemand so etwas sagen kann, dass der Schutz einer bestimmten Lebensweise, der Schutz der Lebensweise seiner eigenen Wähler ihn nichts angeht. In der Debatte geht es wahrscheinlich eher darum, als was wir die Migration betrachten. Als eine natürliche, organische und wünschenswerte Veränderung unserer Lebensform, als ein Zaubermärchen, aus dem sich dann etwas Schönes und Gutes ergeben wird, oder betrachten wir sie als eine Gefahr? Und die Mehrheit der europäischen Menschen, die selbst hautnah Erfahrungen sammeln konnten, betrachten dies als eine Gefahr. Ich halte es also für richtig, dass sich die Europäische Union gegenüber der Migration verteidigt. Die Anhänger der Einwanderung, unter ihnen übrigens auch mehrere ungarische europäische Abgeordnete, die Oppositionellen gehören im Allgemeinen hierzu, unterstützen die Einwanderung. Darum geht es in der Debatte. Wenn natürlich nun ein Ungar der Präsident der Kommission wäre, und nicht eine deutsche Dame, dann hätten wir nicht die Benennung „Schutz der europäischen Lebensweise“ gewählt, sondern wir hätten gesagt, „Schutz der christlichen Kultur“, was dann vollkommen zum Skandal geführt hätte. Selbst das Wort „Lebensweise“ ist zu viel. Dies zeigt sehr gut, dass es ein Problem gibt. In der europäischen Politik fehlt also der notwendige Konsens selbst in den grundlegendsten Fragen. Damit müssen wir in den kommenden Jahren zusammenleben, aber man muss darüber nicht jammern, sondern danach streben, dass wir in der Mehrheit sind.
Nur kurz darüber, dass es so scheint, als ob der Präsident der scheidenden Europäischen Kommission diese Denkweise nie verstanden, sie nie als die seine deklariert hat. Gerade jetzt gab es ein Interview mit Jean-Claude Juncker, und natürlich hat man nach seinem Verhältnis zu ihnen gefragt. Und er sagte, ihr persönliches Verhältnis sei im Grunde nicht schlecht, sie pflegen gemeinsam Witze zu machen, doch sei nun Viktor Orbán kein europäischer Politiker, denn für ihn sei nur Ungarn wichtig. Er nannte Sie einen blinden nationalen Politiker.
Es ist schwer, sich die Welt mit dem Kopf eines Luxemburgers vorzustellen. Der Präsident der Kommission war ja ein Luxemburger. Während der Verhandlungen pflege ich dort manchmal darüber nachzudenken, wie wohl die andere Seite, mein Partner die Welt sieht? Was sagt also ein Luxemburger, wenn er auf sich oder seine Nation stolz sein will, oder wie ist das Ganze überhaupt? Auch weil es für einen Ungarn offensichtlich ist, dass wenn wir etwas möchten, dann möchten wir am ehesten, dass Ungarn angesehen, respektiert werde und man auch in uns Ungarn sehen soll. Wir wollen also jene unbestreitbare Tatsache, dass wir Ungarn sind, nicht von uns abstreifen, sondern ich persönlich, aber vielen von uns geht es so, wir halten es für den wichtigsten Moment unseres Lebens, dass wir als Ungarn geboren worden sind. Und hieraus folgen Dinge: Wir sind Teil einer phantastischen Kultur, wir sprechen eine phantastische Sprache. Mir tut der Teil der Welt leid, der nicht ungarisch spricht, denn er ist von der phantastischen Belohnung abgeschnitten, die angefangen mit Márai bis sagen wir Móricz hier erschaffen worden ist. Dann besitzen wir eine phantastische Geschichte, dessen Wesen die Standhaftigkeit ist: In den schwierigsten Zeiten, unter den schwierigsten Bedingungen gegenüber einer riesigen Übermacht zu bestehen, sich hinzustellen und etwas zu verteidigen. Dann ist da unser Land, das ein herrliches Land ist. Es ist also eine phantastische Sache, Ungar zu sein. Was könnte denn wichtiger als dies sein? Ich kann mich also deshalb nicht in die Lage meines Freundes Juncker hineinversetzen, der wahrscheinlich nicht auf die gleiche Weise über sein eigenes Luxemburgertum denkt wie ich über mein eigenes Ungarntum denke. Ich bin Europäer, weil ich ein Ungar bin. Wenn ich kein Ungar wäre, könnte ich auch kein Europäer sein. Deshalb bin ich der Ansicht, dass die Europäische Union sich aus Nationen, aus nationalen Identitäten und aus dem nationalen Stolz als ein gemeinsames Zuhause aufbauen muss. Dann werden sich auch Menschen, die so wie ich national fühlen, in Europa zu Hause fühlen, und auch die Institutionen der Europäischen Union akzeptieren können.
Die Kooperation mit den V4 scheint ungebrochen und weiterführbar und gut zu sein. Aber was ist mit unseren anderen internationalen Verbündeten, den Italienern und den Österreichern? Salvini ist nicht mehr in der Regierung, in Österreich ist die Regierung auch zurückgetreten beziehungsweise man hat sie gestürzt, es wird neue Wahlen geben. Verändert sich unsere Bündnispolitik auf diesem Gebiet?
Ich hatte ja eine Strategie und einen Plan, worin nicht das von Interesse ist, dass sie in meinem Kopf entstanden sind, sondern dass wir sie im Laufe langer Debatten heranreifen ließen. Ich habe dies vielmehr nur zusammengefasst. Die außenpolitischen Experten der Regierung, der Außenminister, meine Berater, also jene Welt, die neben, die hinter der gegenwärtigen Regierung die Außenpolitik Ungarns gestaltet, wir haben also eine Strategie zusammengestellt, die wir durchführen möchten, da wir uns davon überzeugt haben, dass dies den Interessen Ungarns dient. Der Ausgangspunkt dessen ist die Stabilität Ungarns. Es hat also keinen Sinn, über ausländische Beziehungen zu reden, so lange die Dinge zu Hause nicht in Ordnung sind: Monetäre Stabilität, wirtschaftliches Wachstum, Arbeitsplätze, und so weiter. Das ist also der Ausgangspunkt der Strategie. Das zweite Element dessen war, wir sollten unser Bündnis mit den V4 stärken, die Solidarität soll so groß wie möglich sein. Das ist gegeben. Das dritte Element war die Ausweitung der guten Beziehungen mit den nicht zu den V4 gehörenden Nachbarn, zum Beispiel mit Serbien. Das ist auch mehr oder weniger verwirklicht worden, mit den Rumänen erwarte ich jetzt im Vergleich zu früher einen qualitativen Fortschritt, und vielleicht werden wir auch mit den Ukrainern unsere offenen Fragen klären können, denn dort gibt es einen neuen Präsidenten und ein neues Parlament. Also auch dieses Element ist da. Meine dritte Vorstellung war, das dritte oder vierte Element unserer Strategie war, unter den alten Mitgliedsstaaten der Europäischen Union Länder zu finden, die in der für uns wichtigsten Frage – und das ist die Frage der Migration – den gleichen Standpunkt wie wir vertreten, sie also mit uns in ihr übereinstimmen, unsere Verbündeten sein können, wir gemeinsam mit ihnen gegen die für uns nachteiligen Forderungen wie zum Beispiel die Verteilung, die Aufnahme von Flüchtlingen, von Migranten, die Quote und in ähnlichen Angelegenheiten auftreten können. Die also die EU schützen wollen, über die Fähigkeit des Grenzschutzes verfügen und im Übrigen keine Migranten hereinlassen wollen. Solch ein potentieller Partner war ja Österreich, das man erlegt und unter nebulösen Umständen noch vor der europäischen Wahl neutralisiert hat – damit möchte ich jetzt die Zuhörer nicht langweilen. Aber jetzt wird es dort bald Wahlen geben, noch in diesem Monat, und wenn uns der liebe Gott hilft, dann entsteht wieder jene Situation, wie es sie vor dem Sturz der Regierung gegeben hat: Also dass die Freiheitliche Partei Österreichs und die Österreichische Volkspartei wieder gemeinsam die Regierung bildet, und dann werden wir – so wie vor dem Sturz der Regierung – wieder enge Beziehungen ausbilden können. Deshalb war in diesen Tagen der Bundesparteiobmann der Freiheitlichen Partei Österreichs bei mir und ich werde heute übrigens auch den Landeshauptmann des Burgenlands empfangen, dessen Standpunkt in der Frage der Migration, der Einwanderungspolitik mit dem ungarischen Standpunkt übereinstimmt. Und das Schlüsselland ist Italien. Italien ist wichtig, denn es müsste Europa und so auch Ungarn auf dem Meer vor den Migranten verteidigen. Und lange Zeit hat Italien diese Aufgabe nicht auf sich genommen, sondern hat lieber die Migranten hereingelassen, manchmal schneller, manchmal langsamer, letztendlich ließ es sie aber herein, hat eine positive Einstellung zu dieser Erscheinung gezeigt, hat sie dann aber natürlich weitergeschickt, oder hätte sie gerne weiterschicken und in Europa verteilen wollen. Da kam unser Freund Salvini, der ein großer Freund Ungarns ist, ein mutiger Mensch, ein seriöser Mann – der erste unter den Italienern, der sagte, man könne Italien und Europa auch an den Meeresgrenzen verteidigen. Und im vergangenen Zeitraum, in den vergangenen ein-zwei Jahren waren wir auch in Sicherheit, solange er der Innenminister war. Doch ist dort jetzt ein Durcheinander entstanden, und er hat die Regierung verlassen. Und schon fehlt er. Es ist – sagen wir – nicht einmal eine Woche her, dass er ging, und schon fehlt er, denn sie lassen die Schiffe herein, sie nehmen die Migranten auf. Sie sind zur alten linken italienischen Einwanderungspolitik zurückgekehrt, was für ganz Europa und auch Ungarn gefährlich ist, und schon wieder beginnen die Italiener zu fordern, dass die sich bei ihnen befindlichen Migranten verteilt werden sollen, auch wir sollen welche von ihnen bekommen. Die alte „Wirtschaft“ ist wiedererstanden. Ich bin also in diesem Augenblick nicht optimistisch, obwohl ich der italienischen Regierung viel Erfolg wünsche, aber ich hoffe, die italienische Regierung wird schließlich eine gegen die Einwanderung gerichtete Position einnehmen, obwohl es dafür heute kaum eine Hoffnung gibt. Aber Salvini lebt noch.
Es ist schon etwas länger her, als Sie im August bei uns waren, seitdem aber nicht mehr. Sie haben Bundeskanzlerin Merkel aus Anlass des dreißigsten Jahrestages des Paneuropäischen Picknicks getroffen. Angela Merkel sagte einen sehr wichtigen Satz, laut dem Ungarn die EU-Quellen gut nutzt. Dies kann aus dem Grunde wichtig sein, da in Ungarn die Opposition und die liberale Presse tagtäglich darlegt, die ungarische Regierung würde die EU-Gelder stehlen.
Schauen Sie, ich erwarte die Lösung der ungarischen innenpolitischen Debatten nicht von ausländischen Politikern. Das werden wir dann entscheiden, und das werden dann die ungarischen Menschen entscheiden, wie sie die Dinge sehen und was sie über sie denken. In dieser Angelegenheit kann ich nur sagen: In einem Land, in dem die Zahl der arbeitenden Menschen stetig zunimmt, in dem es eine Entwicklung gibt, in dem es Investitionen gibt, in dem das Wirtschaftswachstum hoch ist, dort ist auch laut den Lehrbüchern die Korruption ein Problem, denn es ist überall ein Problem. Aber dass es kein bestimmendes Problem ist, das ist sicher, denn dann würde sich das Land nicht weiterentwickeln. Man kann die unter der Korruption leidenden Länder daran erkennen, dass sie sich nicht entwickeln, denn das Geld wird gestohlen. Ich könnte welche nennen, nur wäre es nicht elegant, wenn ich in die Zeit vor unserer Regierungsperiode zurückgehen würde, doch könnte ich Zeiträume in der neuesten Geschichte Ungarns nennen, in denen wir uns nicht entwickelt haben, und das stand mit dieser Frage – also mit der Korruption – im Zusammenhang. Doch jetzt gerade entwickeln wir uns. Meiner Ansicht nach ist diese Frage ganz anders, als sie die ungarische Opposition formuliert. Ich sage es aber noch einmal: Dies werden die ungarischen Wähler entscheiden, danach, wie sie es sehen, wie sie es auffassen. Die deutsche Meinung ist in dieser Hinsicht wichtig, aber nicht unter dem Gesichtspunkt der Entscheidung der ungarischen Diskussion, sondern weil die Deutschen Investoren sind. Und wenn sie sagt, wenn die führenden Politiker bedeutender Länder sagen – und nicht nur die Deutschen sagen das im Übrigen, sondern dies sagte auch Herr Präsident Trump, als ich ihn traf –, dass für die amerikanischen und die deutschen Investoren Ungarn ein attraktiver Ort sei, dort gehen die Dinge in die richtige Richtung, dort nutzt man die Chancen gut, man nutzt die EU- und auch die eigenen Quellen gut, dann bedeutet das für die Unternehmer ihrer Länder eine Ermunterung, dass Ungarn ein interessantes Land sei, es lohne sich hierherzukommen, es sich anzuschauen, es zu untersuchen und nach Möglichkeiten zu suchen. Und die Deutschen haben dies auch genutzt, denn die größten ausländischen Investoren in Ungarn sind gerade die Deutschen. Hunderttausende ungarischer Menschen verdienen das Brot für ihre Familie in deutschen Betrieben und Fabriken in Ungarn. Und ungarische Menschen betreiben diese Fabriken, nicht nur als Arbeiter, was keine einfache Sache ist. Wenn jemand schon in so einer modernen deutschen Fabrik war, dann hat er gesehen, dass es auch als Arbeiter nicht einfach ist, dort seinen Mann zu stehen, aber auch die Leitung der Fabriken wird von Ungarn besorgt. Wir erhalten also nicht nur eine wirtschaftliche Möglichkeit von den deutschen Investoren, sondern auch eine Möglichkeit, dass die talentierten ungarischen Menschen die modernsten Fabriken, die modernsten Technologien kennenlernen und erfolgreich betreiben können. Dies hebt uns also an, dies erhöht unser Niveau und vergrößert auch unsere Kraft. Es ist also sehr wichtig, wie die deutsche Bundeskanzlerin die ungarisch-deutschen Beziehungen sieht, und ich freue mich, dass wenn dies auch ein holpriges Auf und Ab ist, so haben wir jetzt gerade das Auf und nicht das Ab. Diese Beziehungen befinden sich gerade in einem besseren Zustand als früher. Unsere Diskussionen mit Deutschland pflegen nicht wirtschaftlicher Natur zu sein, sondern politischer, und im Mittelpunkt dieser steht die Frage der Migration, der Einwanderung. Deutschland verfolgt eine die Einwanderung befürwortende Politik und errichtet eine Einwanderungsgesellschaft. Und Ungarn verfolgt eine die Einwanderung ablehnende Politik und möchte seine eigene christliche Kultur und Lebensform verteidigen. Dieser Unterschied verursacht zwischen den beiden Seiten manchmal Diskussionen, aber davon abgesehen können wir im Wirtschaftsleben mutig und breit kooperieren.
Wenn für die Investoren eine stabile Wirtschaft gut ist, dann ist die stabile Wirtschaft sicherlich dazu geeignet, dass eine Regierung eine entsprechende Familienpolitik verfolgen kann. Kann hierauf die ungarische Regierung auch jetzt noch bauen? Möchte sie auch in der Zukunft hierauf bauen?
Wenn wir nicht eine voranpreschende und immer bessere Leistungen erbringende ungarische Wirtschaft hinter uns hätten, dann besäßen wir auch keine Ressourcen für die Familienpolitik. Was wir nicht erwirtschaften, können wir auch nicht verteilen, so einfach ist das. Wir müssen also arbeiten, Erfolge erreichen, und die Wirtschaft muss in Ordnung sein, dann können wir über alles andere reden. Und in dem Bereich des alles anderen stehen für mich an erster Stelle die Familien. Besonders auch aus dem Grund, denn es ist natürlich auf nationaler Ebene und in nationaler Hinsicht schmerzhaft, aber auch als Privatmensch halte ich es für schmerzhaft, dass die ungarischen Jugendlichen mehr Kinder haben möchten, als sie dann am Ende haben – was zeigt, dass sie sich nicht von der familiären Lebensweise entfremdet, von ihr enttäuscht oder sich von ihr abgewandt haben, denn sie besitzt ja ihre eigenen attraktiven Schönheiten, sondern sie stoßen im Laufe ihres Lebens auf Hindernisse, die es ihnen nicht erlauben, so vielen Kindern das Leben zu geben, wie sie sich das gewünscht hatten. Es gibt hier noch ein Hindernis. Ich bin der Ansicht, aber nicht jede Regierung meint, sie hätte mit dieser Frage zu tun, denn das ist eine sensible Frage, tatsächlich. Man kann sie so darstellen, als ob sich die Regierung in das Leben der Familien einmischen wollte. Das steht mir fern. Aber ich sehe hier ein Hindernis, ohne das die Menschen glücklicher wären und die Jugendlichen besser zu Recht kämen. Und ich zähle es zu den Aufgaben der Regierung, dieses Hindernis zu beseitigen. Das nennen wir Unterstützung der Familien und Familienpolitik. Schauen Sie, vieles ist in Ungarn in dieser Angelegenheit geschehen, ich sitze also nicht hier, um mein eigenes oder um unser Pferd zu loben, aber ich meine, unter unserer Regierung sind die meisten guten Dinge den Familien widerfahren. Aktionsplan zum Schutz der Familie, Unterstützungen zur Heimgründung. Ich bin also der Ansicht, die Regierung hat hier vieles getan. Vielleicht hat sie auch alles getan, was sie konnte – doch ist dies zu wenig, mehr als das ist nötig. Ich möchte also noch mehr, auch einen weiteren zweiten und dritten Aktionsplan zum Schutz der Familie. Doch noch ist nicht einmal der erste abgelaufen, wir sollten also nicht ungeduldig sein, aber in meinem Kopf fügen sich schon die Einzelheiten des zweiten und des dritten die Familien unterstützenden Aktionsplans zusammen.
Wir haben noch eine Minute. Am 13. Oktober wird es Kommunalwahlen in Ungarn geben. Wie sehen Sie die Chancen? Die Opposition berichtet über ziemlich viele Sorgen.
Wenn die Frage lautet, was wir für den Sinn der Sache, also der Kommunalwahl halten, wozu sie ist? Ich gehöre zu denen, die der Ansicht sind, wir müssen jetzt geeignete Menschen finden, um das Leben unserer Städte und Dörfer gut leiten und organisieren zu können. Geeignete Leute. Für mich ist es ein Beweis für die fehlende Eignung, wenn jemand meint, die Kommune sei dazu da, um danach gegen die Regierung zu kämpfen. So ein Mensch ist ungeeignet, um Bürgermeister oder Abgeordneter zu werden. Denn ein guter Bürgermeister muss im Interesse der Siedlung und der dort lebenden Menschen mit allen zusammenarbeiten. Die Aufgabe ist also nicht, sich mit allen zu zerstreiten und Feinde zu sammeln. Eine Stadt und ein Dorf muss Verbündete, Freunde sammeln. Man muss zum Beispiel auch mit dieser Regierung zusammenarbeiten. Wenn jemand das Gegenteil dessen ankündigt, und ich sehe, dass in Budapest der Kandidat der Opposition das Gegenteil verkündet hat, dann ist er ungeeignet, denn er versteht nicht, worum es bei der Kommune geht und worum es bei den Kommunalwahlen geht. Im Gegensatz zu István Tarlós, der im Übrigen schon seit Jahren das Leben dieser Stadt auf sehr gute Weise leitet und organisiert, und obwohl es Diskussionen zwischen uns gibt, in großer Zahl und zeitweise auch tiefgründig, so will er doch zusammenarbeiten, denn er sieht auf die Interessen der Budapester. Ich empfehle also an die Spitze der Siedlungen solche Menschen oder solche möchte ich dort sehen, denn dann wird sich auch Ungarn schneller entwickeln.
Vielen Dank. Sie hörten Ministerpräsidenten Viktor Orbán.