Katalin Nagy: Es ist drei Minuten nach halb acht. Die Rechtskommission des Europäischen Parlaments hat einen Interessenkonflikt zwischen der Position von László Trócsányi als Kommissar sowie den staatlichen Aufträgen für die Anwaltskanzlei Nagy und Trócsányi festgestellt, und deshalb hat man den Kandidaten mit 11 zu 9 Stimmen niedergestimmt. Ich begrüße im Studio Ministerpräsident Viktor Orbán. Wie bewertet die Regierung diese Wendung, und was werden wir tun?
Ich wünsche den sehr geehrten Zuhörern einen guten Morgen! Zunächst einmal hat sich die Grundsituation nicht geändert. László Trócsányi ist ein hervorragender Mensch, ein Rechtswissenschaftler von internationalem Ansehen, und ein erfahrener Diplomat. Meiner Überzeugung nach ist er der geeignetste Mensch, um ein Mitglied der Europäischen Kommission zu sein und um ein Kommissar zu werden. Wir, Ungarn, können auf László Trócsányi, auf sein bisheriges Lebenswerk, die von ihm verfassten Bücher, und auf seine wissenschaftlichen Vorträge stolz sein. Eine Schuld lastet auf ihm, niemand ist ohne Fehler. Seine Schuld besteht darin, der Regierung und mir persönlich dabei geholfen zu haben, Ungarn vor der Migration zu schützen, und er hat mitgeholfen, damit niemand ohne Dokumente das Staatsgebiet Ungarns betreten kann. Das reiben sie uns jetzt unter die Nase, denn zur Verteidigung des Landes sind nicht der Zaun, Soldaten und Polizisten notwendig, sondern auch Rechtsvorschriften, die dem behördlichen Auftreten eine Grundlage verschaffen. Und diese hat die Regierung, haben wir tatsächlich mit seiner Hilfe geschaffen. Nun kann man natürlich nicht aussprechen, dass dies ein Grund wäre, der ihn ausschließt, denn jedes Land hat die Aufgabe, beziehungsweise die Justizminister in jedem Land haben die Aufgabe, jene Rechtsvorschriften zu schaffen, die die gewählten Vertreter, in diesem Fall das ungarische Parlament, der Regierung als Aufgabe stellen. Damit kann man ihn doch nicht attackieren. Man greift auch nicht von vorne an, sondern hat einen hinterhältigen Griff angewandt, und man hat ihn auch gar nicht in der außenpolitischen und der Fachkommission zu Fall gebracht, sondern sie haben die ganze Angelegenheit in eine eigenartige Rechtskommission für Interessenkonflikte getragen und dort haben sie – unter Berufung hierauf, auf einen juristischen Interessenkonflikt – schließlich auf Parteigrundlage 11 zu 9 gegen ihn gestimmt. Das ist die Situation. Ich habe bereits gestern mit Frau Ursula von der Leyen gesprochen, denn es gibt jetzt eine Situation, die auf diese Weise sich herausgebildet hat, und die gelöst werden muss. Das werden wir, das werde ich auch lösen. Ich bin mit der Kommissionspräsidentin darin verblieben, dass wir abwarten, bis die Meinung dieser Rechtskommission niedergeschrieben vorliegt, denn über juristische Dinge auf Parteigrundlage abzustimmen ist eine Sache, doch wenn man die Dinge niederschreiben und die Tatsachen benennen muss, dann ist das schon eine schwierigere Angelegenheit. Wir warten es also ab, bis diese Kommission ihren Beschluss schriftlich aufsetzt, und danach werde ich erneut mit der Frau Kommissionspräsidentin konsultieren.
Aber was für eine Lobbytätigkeit hat man hier wohl ausgeübt? Denn letzte Woche hatte ja die Kommission das Dossier des Kandidaten abgeschlossen. Dann hat man es erneut geöffnet. Warum wohl?
Weil ein harter Kampf im Gang ist, und er auch in den kommenden Jahren zwischen den europäischen die Einwanderung ablehnenden und den diese befürwortenden Kräften, was wir in alten Begriffen auch als Kampf zwischen der Rechten und der Linken ausdrücken können, weitergeführt werden wird. Und die Linke ist hinterlistig und beständig, sie gibt also keinen Ball verloren, so eine Art Mittelfeldspieler ist die Linke. Sie gehen so lange, so lange der Gegner sich bewegt, bis sie eine Rechtslücke finden. Wenn es sein muss, dann holen sie von jenseits der Seitenlinie Hilfe, besprechen es mit dem Schiedsrichter. Sie lassen sich also alles Mögliche einfallen. Dies ist also eine große Schlacht, wenn man sich gegen die Linke wenden muss. Aber auch wir sind ja nicht von Gestern. Das wird schon gehen.
Wenn dieser Beschluss in schriftlicher Form ankommt, was kann man dann machen? Muss die Regierung über einen weiteren Kandidaten nachdenken?
Es ist die Aufgabe des Ministerpräsidenten, da er über mehr Informationen verfügt als die Menschen im Allgemeinen, im Voraus zu denken. Wenn ich die Frage also so verstehen soll, dann befindet sich in meiner Tasche eine zweite, eine dritte und vierte Lösung.
Wir werden dann sehen, welche Sie hervorziehen! Am vergangenen Wochenende waren Sie in Rom, wo Sie auf einer Veranstaltung aufgetreten sind, auf der auch der alte und zugleich neue Ministerpräsident der Italiener auftrat. Interessant war nur, dass die Italiener ihren eigenen Ministerpräsidenten ausgepfiffen, und dem ungarischen Ministerpräsidenten applaudiert haben. Was ist der Grund dafür?
Zunächst einmal ist die Stimmung der mediterranen Politik eine andere. Wir hier in Ungarn können uns dies also nur schwer vorstellen, obwohl wenn wir in Schwung kommen, dann können auch unsere Gefühle sich selbst bis zum Himmel hochschwingen. Doch ist dies in Italien eher eine tägliche Routine. Dort sind also die emotionalen Schwingungen groß. Der südliche Mensch ist eben der südliche Mensch, das was er denkt, drückt er auf nachdrückliche Weise aus. Er pfeift, freut sich, singt, was er denkt. Das ist sehr spektakulär und für die Ungarn etwas ungewohnt – wir sind in einer etwas disziplinierteren und vielleicht eingeschränkteren oder beschränkteren Verhaltenskultur aufgewachsen. Die Zurückhaltung gehört irgendwie in Ungarn zu den positiven Tugenden. Selbst dann, wenn man durch sein Herz mitgerissen wäre, wird einem gelehrt, werden wir dazu erzogen, nur langsam und zurückhaltend zu sein. In Italien ist das nicht so. Also würde ich daraus keine großen Schlussfolgerungen ziehen, ob man jemand auspfeift oder ihm zujubelt, weil das ein Teil des alltäglichen Lebens ist. Aber tatsächlich habe ich aus dem Grund die Einladung angenommen, und im entgegengesetzten Fall hätte ich das nicht getan, weil auch der italienische Ministerpräsident dort war. Und es ist immer eine heikle Sache, eine Einladung zur Teilnahme an einer politischen Großkundgebung in einem anderen Land anzunehmen, da dies an sich schon den Verdacht der „Einmischung in unsere Angelegenheiten“ aufwirft. Es gibt diese einzige Ausnahme, wenn man eine Veranstaltung aufsucht, bei der auch der Ministerpräsident des gastgebenden Landes anwesend ist, denn dann erhält dies sogleich eine andere Qualität. Und dies war eine großartige Veranstaltung. Das waren italienische Patrioten, aus dem Holz wie wir, könnte ich auch sagen. Die italienischen Flaggen wehten, der Gesang stieg hoch, es gab Stolz, Selbstbewusstsein, es handelt sich um eine aus der christlichen Kultur hervorgewachsene Organisation. Ich habe mich also wie Zuhause gefühlt. Die Zusammenkunft hat am ehesten an eine Veranstaltung der Bürgerkreise aus den Jahren 2004-2005 erinnert. Damals wehten in Ungarn die Fahnen des Widerstandes so hoch. Auch sie sind im Widerstand, denn man hat die Regierung umgebildet, es gab keine Wahlen. Man hat sie also ohne Wahlen umgebildet. Sehr viele Italiener haben das Gefühl, das was geschah, sei über ihre Köpfe hinweg geschehen. Und hinzu kommt noch, dass sehr viele das Gefühl haben, der Mann, der Innenminister, Herr Salvini, sei aus der Regierung entfernt worden, der die Garantie für die Sicherheit in Italien war, denn er hatte die Häfen vor den Migranten geschlossen, die Kriminalität zurückgedrängt, strenge Regeln geschaffen. Er hat also für die italienischen Menschen gearbeitet, und jetzt fehlt er, denn wie es zu sein pflegt, wenn eine linke Regierung gebildet wird, beginnt dann sofort die Öffnung der Häfen, die Migranten kommen sofort an. Man hält sie nicht auf, sondern man transportiert sie herein, und in der Wirtschaft kommen die Restriktionen und die Steuererhöhungen. Im Großen und Ganzen zeichnet sich vor den Augen der italienischen Menschen so ein Horizont ab, und sie sind nicht in guter Stimmung.
Von Conte hat der ungarische Ministerpräsident ja auch die Kritik bekommen, warum er sich in die italienische Innenpolitik einmische. Es scheint als wäre es Conte gelungen, sich auch der Akzeptanz des linken Standpunktes anzupassen. Demnach hat durch diese Wendung Ungarn einen Verbündeten im Kampf gegen die Migration verloren?
Ja, vorübergehend ja. Aber das Herr Conte mich angegangen hat, ist durch den Umstand provoziert worden, dass ich ehrlicher über die italienische Lage reden musste, denn er sprach vor mir, und er sagte, ich und Ungarn würden den Italienern nicht helfen, also sollten die Italiener mir dies ruhig vorwerfen. Und diese Frage habe ich auch erhalten, und ich habe klipp und klar gesagt, dass dem nicht so ist. Es gibt Dinge, in denen wir helfen können, und es gibt solche, in denen können und wollen wir auch gar nicht helfen. Wir helfen also weder der Linken noch sonst wem, die Häfen zu öffnen, Migranten herein zu transportieren und diese Menschen in Europa zu verteilen, denn die Verteilung ist soetwas wie ein Einladungsbrief. „Man kann hineingelangen, und danach werden sie uns unterbringen“, kann sich ein Migrant denken, „warum sollte ich also nicht losgehen?“ Dies ist also eine Einladung, hierbei können wir nicht helfen. Deshalb können wir die Verteilungsquote auch nicht unterstützen, doch habe ich zwei Formen der Hilfe angeboten. Seitdem herrscht dort hierzu Stille. Ich sagte, wir könnten im Grenzschutz helfen. Wenn also Soldaten oder Polizisten an der italienischen Grenze gebraucht werden, dann können wir welche schicken. Wenn nötig, können wir jeden Teil des italienischen Grenzabschnitts zur Bewachung übernehmen. Wir stehen zur Verfügung. Und eine Verteilungsquote kommt nicht in Frage, aber ich unterstütze eine Rückführungsquote. Wenn Europa also endlich sagen würde, es sind in der Anzahl X, also einige Millionen illegaler Einwanderer und Migranten nach Europa gekommen, wir sollten sie nach Hause bringen, und jeder soll einige zehntausend übernehmen, dann übernimmt Ungarn gerne welche, und wir bringen sie nach Hause. Auch wenn sie sich nicht auf dem Territorium Ungarns befinden. Diese Hilfe habe ich angeboten. Aber offensichtlich wollen sie dies nicht, da es ihre Politik ist, diese Menschen hereinholen zu wollen. Ich will sie mit nichts verdächtigen, aber es ist besser offen zu formulieren, als herumzudrucksen. Die Wahrheit ist: Die Linke öffnet aus dem Grund die Häfen und bringt sie deshalb herein, weil sie später diesen Migranten die Staatsbürgerschaft geben wird, und diese Menschen werden mit der italienischen und jeder anderen europäischen Staatsbürgerschaft immer die Linke unterstützen. Die Rechte, die Christen niemals, denn sie sind ja Einwanderer mit muslimischem Hintergrund. Dies kann also den Wettlauf zwischen der Rechten und der Linken, zwischen der auf christlicher Grundlage und der auf nicht christlicher Grundlage stehenden Parteien entscheiden. Wenn es ihnen gelingt, Menschen in für sie ausreichender Zahl hereinzuholen, entscheidet sich auch langfristig, auch historisch ein europäischer Wettlauf zwischen den christlichen und nichtchristlichen, den rechten und den linken Parteien in Europa. Darum geht es in Wirklichkeit bei dieser Auseinandersetzung. Schamhafterweise reden sie hierüber aber nicht. Und wenn ich darüber rede, dann sind sie beleidigt. Wer aber Augen zum Sehen hat, der versteht genau, was geschieht.
Die Rückführungsquote kann also die Alternative zur Verteilungsquote sein. Doch scheint es sehr stark so zu sein, dass sich auf Malta die Kernstaaten über eine bestimmte Verteilungsquote geeinigt haben. Müssen wir nicht befürchten, wieder dorthin zurückzugelangen, von wo aus wir 2015-2016 losgegangen waren, dass man diese dann auch den kleineren Staaten wird aufzwingen wollen? Also dass die Kernstaaten ihren Willen dann der Peripherie aufzwingen?
Dahin können wir nicht gelangen, sondern wir sind dort. Jetzt ist also ein Rückschritt geschehen. In Österreich, wo es schließlich am Wochenende Wahlen geben wird, gibt es jetzt keine starke rechte Regierung, die ihre Stimme erheben könnte, obwohl das Land betroffen ist, denn in Österreich halten sich sehr viele Migranten auf. Ich hoffe, Montagmorgen werden wir um einen Akteur reicher auf der europäischen Bühne sein, die wir die Einwanderung ablehnen. In Italien ist eine Wende nach links geschehen. Obwohl in Spanien die Linke keine Regierung bilden kann, werden sie doch die Wahlen erst später ausschreiben. Vorerst sind sie also an der Macht, und sie haben das Gefühl, dass diese in zwei-drei Ländern eingetretenen Veränderungen ihnen eine ausreichende Mehrheit bieten, damit die Linken die Verteilungsquote erneut den mitteleuropäischen Völkern aufzwingen können. Das ist die Wirklichkeit. Jetzt ist es einfach, sich diese Situation vorzustellen: Da sitzt also irgendwo unter tatsächlich schwierigen Lebensverhältnissen in Schwarzafrika oder eben in Asien ein junger Mann und seine Familie, und sie denken darüber nach, was sie tun sollen. Hilfe kommt keine, denn die Europäische Union und andere reichere Länder der Welt geben ihnen leider eine viel geringere Hilfe, als sie benötigen würden. Die Welt wird nicht aufgebaut, die ihnen Hoffnung verleihen würde und längerfristig ihnen ein attraktives Zuhause geben könnte. Dann soll eben wenigstens der lebenstüchtige junge Mann irgendwohin gehen, wo man Geld verdienen kann, von wo er Geld nach Hause schicken kann, um dann die anderen Mitglieder der Familie nach sich mitnehmen zu können. Wohin kann man denn gehen? Die reichen arabischen Länder lassen sie ja nicht herein, auch wenn sie Muslime sind, sie lassen sie nicht hinein. Also kann man nach Saudi-Arabien, nach Katar natürlich nicht gehen. Die Vereinigten Staaten schützen sich selbst, gerade jetzt haben sie ihre Quoten gesenkt. Australien bringt sie mit Schiffen auf entfernte Inseln. Es gibt nur einen einzigen Kontinent, der seinen selbstmörderischen Neigungen nachgebend seine eigene Identität nicht schützt, nicht die mittelfristigen Folgen seiner heutigen Entscheidungen ermisst: Das ist Europa. „Dann sollten wir nach Europa gehen. Was geschieht, wenn wir nach Europa gehen? Nun, erstens werden wir hineingelassen. Man muss den Menschenschleppern einige tausend Dollar geben. Die werden uns dann auf das Meer bringen. Dort werden wir dann eingesammelt und in den Hafen gebracht. Und danach werden wir verteilt.“ In diesen durch ein schwieriges Los geschlagenen Regionen, in Afrika und Asien gibt es eine einzige Nachricht: Die europäischen Staaten sind bereit, die illegal angekommenen Migranten zu verteilen. Und dann gehen sie los, sie machen sich auf den Weg. Sie suchen die Menschenschlepper auf, und schließlich werden die Menschenschlepper entscheiden, wer nach Europa hereinkommt, und wer nicht, dass die europäischen Staaten nicht in der Lage sind, nicht bereit sind, sich zu verteidigen. Das ist die Situation. Und Mitteleuropa, Polen, Tschechien, die Slowakei, Ungarn, Kroatien, Slowenien stehen dem entschieden gegenüber. Wir wollen das nicht, die Westler wollen es aber deutlich sichtbar aus politischen Überlegungen. Sie verfolgen eben solch eine Politik.
Ja, allerdings kam diese Woche doch interessanterweise von Manfred Weber das Statement, dass die Quote bereits eine abgelaufene Angelegenheit sei. Es besteht also die Hoffnung, dass innerhalb der Volkspartei auch noch eine andere politische Gemeinschaft sagt, es sei nicht sicher, ob es eine gute Idee ist, ein Rezept hervorzukramen, welches sich offenkundig nicht bewährt hat?
Es besteht eine Chance hierfür. Es gibt zwei Gründe für diesen linken Gegenangriff, der jetzt geführt wird. Vergessen wir nicht, dass die österreichische Regierung abgeschossen worden ist, noch vor den europäischen Wahlen. Den italienischen Innenminister hat man vom Volk und von der Regierung losgelöst, und auch die Regierung hat man vom Volk losgelöst. Im Europäischen Parlament gibt es eine Mehrheit der Befürworter der Einwanderung. Die Bayern, die seit einiger Zeit mit uns waren, haben wegen der Eigenheiten der deutschen Innenpolitik einen Rückzieher weg von dieser Position gemacht. Wir befinden uns also jetzt in einer Phase, in der als Ergebnis der Wahlen zum Europäischen Parlament die Linke, wenn sie ihre Kräfte vereint, im Europäischen Parlament über eine Mehrheit verfügt. Heute besteht also im Europäischen Parlament eine Mehrheit der Befürworter der Einwanderung. Doch ist unter den Ministerpräsidenten nicht dies die Situation, denn es ist leicht, im Europäischen Parlament ein Anhänger der Einwanderung zu sein, aber die Ministerpräsidenten müssen noch nach Hause gehen, sie müssen sich vor ihr eigenes Volk hinstellen, und sie müssen dann sagen, wie es denn nun steht. Und wenn sie eine die Einwanderung befürwortende Position einnehmen, dann werden sie in den meisten Ländern aus dem Amt gescheucht, sehr richtigerweise. Und ich hoffe, dass die Zahl solcher Länder auch zunehmen wird. Deshalb knüpfe ich meine Hoffnungen daran, dass es erneut gelingen wird, die Verteilungsquote zurückzuweisen, nicht an das Kräfteverhältnis innerhalb des Europäischen Parlaments, sondern vielmehr an das Kräfteverhältnis unter den Ministerpräsidenten, und dort haben wir eine Chance. Und wenn sich die neue Kommission konstituiert – denn vergessen wir nicht, dass noch die alte, auf Seiten der Einwanderung stehende Kommission an der Macht ist –, die neue Kommission wird aus den durch die gegenwärtigen Ministerpräsidenten delegierten Mitglieder aufgestellt. Auf diese Weise verfügen die delegierenden Ministerpräsidenten über eine viel größere Wirkung und einen viel größeren Einfluss als das Parlament. Das Parlament will jetzt deshalb den einen oder den anderen Kandidaten der Ministerpräsidenten stürzen, wie zum Beispiel jenen der Ungarn, Trócsányi, denn wenn diese in die Kommission kommen, dann wird auch die Kommission mehr dem Rat ähneln als dem Parlament. Also deshalb gibt es auch einen solchen Konflikt zwischen dem die Einwanderung befürwortenden Parlament und dem vielleicht die Einwanderung ablehnenden Rat der Ministerpräsidenten. Und in diesem Raum zwischen den beiden befindet sich die Kommission, um deren Zusammensetzung jetzt gekämpft wird.
Ja, aber vielleicht wollen sie aus diesem Grunde die Vereinbarung von Malta – über die sie sagen, dies sei nur ein Entwurf – dem Rat der Innenminister zusenden und dort erreichen, dass sich ein jeder diesem Vorschlag anschließt.
Ja, das pflegen sie auf diese Weise zu tun. Ich hatte gestern eine lange Unterredung mit unserem Innenminister. Wir haben uns auf dieses nächste europäische Gipfeltreffen der Innenminister vorbereitet. Wir haben die Lage überblickt, und dort sehen wir – von den Tatsachen ausgehend –, dass jene Länder, die jetzt in Malta am lautesten neue Quoten fordern, noch nicht einmal jene erfüllt haben, zu denen sie sich früher verpflichtet haben. Und ich habe den Innenminister gebeten, dies auch vorzutragen. Also Deutschland – ich will jetzt keine Namen nennen, doch gibt es Länder, die dort in Malta waren und Vorkämpfer der Verteilungsquote sind. Und sie haben die Quoten, zu denen sie sich auf Grund ihrer früheren Entscheidungen verpflichtet haben, auch nur zu einem Drittel, einem Viertel erfüllt. Dies sollten wir aber vortragen, bevor die Innenminister über neue Quoten entscheiden wollen.
Und wenn dann dies auch Sándor Pintér ausführt, wie werden dann die Innenminister entscheiden? Weil wir bereits früher gesehen haben, dass als die Innenminister etwas angenommen haben, danach man in der Europäischen Kommission so getan hat, als wäre das ein auf einer höheren Ebene angenommener, sagen wir gar ein im Rat angenommener Beschluss gewesen.
Tatsächlich hat es schon Beispiele dafür gegeben, dass man uns ausgetrickst hat. Auf ministerialer Ebene übers Ohr gehauen, in die Falle gelockt, aufs Glatteis geführt, wie es gefällt, hat man die Ministerpräsidenten. Aber wie sagt die ungarische Volksweisheit: Der gute Priester lernt bis zum Ende seines Lebens, auch wir haben daraus gelernt. Ich halte es für ausgeschlossen, dass es ihnen noch einmal gelingen sollte, die Ministerpräsidenten mit so einem üblen Trick zu betrügen, wie das vor einigen Jahren gelungen ist, weil auch wir besser aufpassen, und ich hoffe, wir werden auch auf der Ebene der Innenminister die Einführung der Verteilungsquote aufhalten können. Und wenn nicht, dann öffnen wir die juristischen Möglichkeiten dafür, dass die Angelegenheit vor den Rat der Ministerpräsidenten kommen soll, und dann werden wir dort die Arbeit verrichten.
Am Wochenende gibt es den Kongress des Fidesz. Nach 9 Jahren Regierung und einer Geschichte von 31 Jahren hinter dem Rücken – worüber wird der Ministerpräsident auf dem Fidesz-Kongress reden?
Jetzt ist erst noch Freitagmorgen, und ich muss am Sonntagnachmittag reden. Ich habe also noch Zeit. Auch so bin ich immer aufgeregt, also vergrößern Sie, bitte, meine Beklemmung nicht. Ich werde dann irgendetwas sagen, doch ist das Wesentliche der Sache, das es tatsächlich eine besondere Verantwortung ist, der Vorsitzende des Fidesz zu sein. Vor allem deshalb, da der Vorsitzende des Fidesz in den vergangenen neun Jahren zugleich auch Ministerpräsident ist. Und das ist eine schwierige Arbeit, eine schöne Arbeit. Also beschwere ich mich keine einzige Minute. Es ist vielleicht die schönste Arbeit, aber auch schwer, und nicht nur ich selbst muss diese Last tragen, sondern es ist auch schwer, eine Regierungspartei zu sein. Nicht nur für mich, sondern auch für die Mitglieder, denn wir leben in sehr schwierigen Zeiten. Da ist zum Beispiel diese Einwanderungsschlacht, dann gab es eine Finanzkrise 2008-9, ein bankrottes Ungarn, das auf die Beine gestellt werden musste. Dann hat Ungarn eine Vorstellung über sein eigenes Leben, das sich von dem unterscheidet, was uns sehr viele im Westen zudenken. Da muss man sich doch hinstellen, und kämpfen. Die innenpolitischen Debatten sind in Ungarn brutal. Vor sehr langer Zeit waren sie derart gewöhnlich und derb wie heutzutage. Aber jetzt leben wir schon seit Jahren darin. Es ist also auch nicht leicht ein einfaches Mitglied der Regierungspartei, kein Ministerpräsident, sondern ein einfaches Fidesz-Mitglied zu sein. Kein Wunder, dass die anderen es auch nicht ausgehalten haben. Wenn ich also auf den Systemwechsel zurückblicke, ich bin ja seit dreißig Jahren Parlamentsabgeordneter und bin seit der Mitte der achtziger Jahre in der Politik, ich erinnere mich auch konkret an Personen und auch an Organisationen, und sie sind alle von unserer Seite verschwunden, nicht mehr übriggeblieben, denn diese Arbeit ist schwer. Sie nutzt den Menschen ab, legt ihm ein Gewicht in den Nacken. Man muss es aushalten, und sehr viele sind einfach darunter zusammengebrochen. Wo sind heute schon solche Parteien wie das MDF, der SZDSZ, die Partei der Kleinen Landwirte, und ich könnte noch weitere aufzählen. Also müssen auch die Mitglieder, die Fidesz-Gruppen, auch die Regierung und auch der Ministerpräsident sich dessen bewusst sein, dass es eine große Aufgabe ist, und dass es eine große Tatsache ist, dass wir noch auf den Beinen sind. Man muss dem lieben Gott dankbar sein! Man muss es den Menschen danken, dass sie uns in unserer Arbeit unterstützt und bis zuletzt an unserer Seite ausgeharrt haben. Im Übrigen werde ich sicherlich über die Zukunft sprechen, nur weiß ich noch nicht, wie ich die Zukunft anpacken soll, um sie dort auf das Podium zu zerren, aber bis Sonntagnachmittag wird sich auch dies herausbilden.
Sicherlich wird auch zur Sprache kommen, wie die Regierung auf dem internationalen Schauplatz dafür kämpft, um jene Vorstellungen, die die Partei gemeinsam geschaffen hat, verwirklichen zu können. Und welche Unterstützung ist hierzu vorhanden?
Auch hierüber muss man sprechen, und wir befinden uns ja am Vorabend einer Kommunalwahl. Wir haben ja eine Vielzahl von Bürgermeisterkandidaten, nie gab es so viele. Wir wachsen aber, wie die Palme, mit dem Gewicht, und wir sind immer größer und stärker. Ich bereite mich also auf einen optimistischen und in guter Stimmung verlaufenden Kongress vor, der vor dieser großen Probe, aber nach meinen Hoffnungen einen weiteren Zuwachs mit sich bringenden Probe, der Kommunalwahl, stattfindet. Budapest ist besonders wichtig. Ich sehe hier die Ereignisse des Wahlkampfes, die ich nicht kommentieren muss, denn das ist nicht die Aufgabe des Ministerpräsidenten, sondern der miteinander ringenden Kandidaten für das Amt des Oberbürgermeisters. Aber der Kandidat der Linken für den Posten des Bürgermeisters, Herr Karácsony, war ja auch mein Herausforderer, er war ja auch Kandidat für den Posten des Ministerpräsidenten. Wenn ich jetzt diese Tonaufnahme höre, und wenn ich sehe, wie er herumstolpert und schwankt, dann beginnt er mir tatsächlich langsam leid zu tun, in so unmögliche Situationen manövriert er sich hinein. Aber ich hoffe doch sehr, dass die Menschen dann geeignete Leute wählen werden, nicht nur in Budapest, sondern auch anderswo. Und der Fidesz muss im Bewusstsein um seine Verantwortung für diese Zukunft diesen seinen Kongress abhalten. Und mit dem Bewusstsein der Verantwortung geht auch einher, dass wir unseren Kopf nicht in den Sand stecken und wir keinen Illusionen hinterherjagen dürfen. Wir müssen also unsere Lage gut, genau, lebensnah ermessen, und man muss sehen, dass auch ganz Europa, das unsere weitere Heimat ist, große und schmerzhafte Veränderungen durchmacht. Das ist mit Schlachten, mit Auseinandersetzungen verbunden. Ganz gleichgültig, ob wir es wollen oder nicht, wir sind darin eingebunden. Auch ich wünsche mir eine ruhige und langweilige internationale Politik, doch wird diese auch in den kommenden Jahren nicht so sein. Und wenn wir wollen, dass Ungarn ein sicheres und erfolgreiches Land sein soll, dann müssen wir uns für unsere eigenen Interessen und für Ungarn einsetzen. Dem Fidesz stehen also schwierige, häufig auf ungerechte Weise schwierige Jahre bevor.
Ja, aber die Wirtschaft befindet sich zum Glück in einem guten Zustand. Gerade heute haben wir hier in der Morgensendung darüber berichtet, dass der Vorsitzende des Jász Manager Clubs sagte, es mag sein, dass das Weggehen oder das halb bis mehr oder weniger Weggehen von Electrolux jetzt die Arbeit von 800 Menschen wegnimmt, aber Gott sei Dank ermöglicht es die Entwicklung der früheren Jahre diesen Menschen, woanders eine Stelle zu finden. Vor zehn Jahren hätte so etwas keine einzige Person gesagt, die an der Spitze irgendeiner Berufsorganisation stand.
Nun ja, das war ja eine andere Art von Regierung. Als sich also diese Nachricht herausstellte, habe ich anderntags bereits zwei Minister nach Jászberény geschickt, und ihnen gesagt, sie sollen sich mit allen hinsetzen, sollen mit allen Gespräche führen, denn die Regierung wird – wenn es notwendig sein sollte – helfen, damit niemand ohne Arbeit bleibt. In einer anderen Welt war es nicht so. Unter den Sozialisten herrschte eine andere Denkweise. Jetzt leben wir in einer Welt, in der ein jeder arbeiten will und auch arbeiten kann, und die Regierung hilft den Leuten dabei, eine Arbeit zu finden. In der Zeit vor der Fidesz-Regierung haben alle versucht, zu tricksen, und haben versucht, aus Hilfen und von staatlichen Zuwendungen sowie unter Ausnutzung verschiedenster Rechtslücken durchzukommen, da es sehr schwer war, von ehrlicher und anständiger Arbeit richtig zu leben. Ich sage nicht, es sei unmöglich gewesen, wir sollten dies denen nicht in Abrede stellen, denen das auch schon damals gelungen war. Es war also sicher möglich, nur war es schwer. Jetzt ist es die allgemeine Praxis. Man kann also aus Arbeit, aus einer anständig, ehrlich verrichteten Arbeit seine Familie ernähren. Ich sage nicht, wir hätten das Schlaraffenland, es ist nicht das Land, in dem Milch und Honig fließen. Das wird es sein, aber bis dahin wird es noch dauern, dafür muss noch viel Arbeit geleistet werden, jedoch befindet sich Ungarn in einer ganz anderen Situation als früher. Und man sieht es ihm auch an. Man sieht es nicht nur daran, dass wir geordneter sind, das Land und unsere Städte und unsere Dörfer und auch die Menschen sind geordneter. Auch unser Verhalten ist etwas geordneter, wir sind noch weit davon entfernt, ein großzügiges und höfliches Land vor uns zu sehen, aber auch das wird kommen. Jedoch schreiten wir in diese Richtung voran, meiner Ansicht nach. Zusammenhalt, Selbstsicherheit. Wir sind in der Lage, unsere eigenen Probleme zu lösen, denn das wird es nie geben, dass wir keine Probleme haben sollten, jedoch können wir sie bewältigen, man muss nicht erschrecken. Wir können unser Haupt erheben, wir können Partner bei der Lösung der Probleme suchen, und schließlich wird es gemeinsam sowieso gelingen. Und jeweils einzeln kann es auch gelingen, der Schwierigkeiten Herr zu werden. Jene Stimmung, die ein Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen gibt, ist heute viel stärker als es zehn Jahre vor der Regierung des Fidesz war, und das können wir ruhig auch dem Fidesz zurechnen. Nicht nur ihm, aber auch ihm.
Vielen Dank. Sie hörten Ministerpräsidenten Viktor Orbán.