Zsolt Törőcsik: Wie Sie das auch in unserer heutigen Sendung bereits auch schon hören konnten, ist die Situation in Westeuropa hinsichtlich der Energiepreise immer unhaltbarer und langsam ist tatsächlich nicht mehr die Frage, für wieviel, sondern ob es überhaupt Energie gibt. Ich glaube, nur wenige von uns haben gedacht, dass nach der Epidemie eine noch schwerwiegendere Krise als jene kommen könnte, und die dortige Situation hat auch eine Auswirkung auf Ungarn. In welchem Maße dies so ist, darüber sprechen wir in den kommenden Minuten. Im Studio begrüße ich Ministerpräsident Viktor Orbán. Guten Morgen!
Guten Morgen! In Europa gibt es tatsächlich Kriegspreise. Niemand hätte an jenem – wenn ich mich richtig erinnere – Donnerstag, dem 24. Februar gedacht, dass nicht einfach nur ein Konflikt, ein Krieg zwischen der Ukraine und Russland eingetreten ist, sondern eine Epoche ihren Abschluss findet, und die europäische Geschichte einen neuen Abschnitt betritt, wir die Epoche der Kriege betreten. Und das besitzt Auswirkungen. Es stimmt, dass Ungarn diesem Krieg fernzubleiben versucht, man muss bei Sinnen bleiben, damit sich der bewaffnete Konflikt nicht auf das Territorium Ungarns ausweitet, doch müssen wir auch wissen, dass dieser Krieg nicht nur an den Fronten geführt wird, sondern auch in der Weltwirtschaft, aber zumindest in der europäischen Wirtschaft, und die Erhöhung der Energiepreise ist Teil dieses Krieges, die Kriegsinflation, die Kriegspreise, und das stellt alles in Frage, woran wir uns gewöhnt haben. Sagen wir es so, wir hatten ein modernes und sicheres Leben, die Grundvoraussetzungen dafür waren in ganz Europa vorhanden. Natürlich gab es geschicktere Regierungen, andere waren weniger geschickt, doch hat nichts die Grundvoraussetzungen des europäischen Lebens in Frage gestellt. Doch jetzt muss man um alles kämpfen, was wir bisher als natürlich angesehen haben. Es wird hier zwei große Schlachten geben, davon erleben wir jetzt die erste. Das ist der Kampf um die Energie, die Lebenshaltungskosten, die ertragbaren Nebenkosten, doch wird es hier dann auch den Kampf um die Arbeitsplätze geben, denn alle Prognosen, aufgrund derer ich arbeite, internationale Studien, Analysen zeigen, dass wegen der gemeinsamen Wirkung der Sanktionspolitik und des Krieges die europäische Wirtschaft in die Rezession eintreten, d.h. schrumpfen wird, um Klartext zu reden: Ihre Leistung wird abnehmen. Auch in Ungarn gibt es jetzt noch einen Arbeitskräftemangel, doch rate ich einem jeden, der Arbeit und eine Stelle besitzt, diese zu schätzen zu wissen, und alles zu tun, um diese auch behalten zu können, denn in den kommenden Monaten muss man schon mit einem europäischen wirtschaftlichen Rückfall rechnen.
Doch jetzt erleben wir noch die erste Schlacht, bei der es um die Energie geht. Die Russen haben vor nicht langer Zeit mitgeteilt, man könne das Funktionieren von Nord Stream nicht garantieren, und gestern hat auch Präsident Macron gesagt, man müsse sich darauf vorbereiten, dass im Weiteren kein Gas mehr aus Russland kommt. Muss man hier Zuhause davor Angst haben, dass man die Energie teuer kaufen kann, oder davor, dass es keine geben wird?
Wegen des Krieges ist der Preis des Stromes auf das Fünffache und das des Gases auf das Sechsfache gestiegen. Jetzt gibt es Länder, die engagierte Anhänger der Sanktionspolitik sind. Am wichtigsten wäre, wenn man in Brüssel einsehen würde, dass ein Versehen passiert ist. Also die Sanktionspolitik hat nicht nur die an sie geknüpften Hoffnungen nicht erfüllt, sondern eine entgegengesetzte Wirkung ausgelöst, als man das geplant hatte. Man dachte, die Sanktionspolitik würde den Russen mehr weh tun als den Europäern. Das ist nicht so gekommen, uns tut es mehr weh. Man dachte, man könnte mit Hilfe der Sanktionspolitik den Krieg verkürzen, denn über die Schwächung Russlands könne man schnell einen Erfolg erreichen. Auch das hat nicht funktioniert. Der Krieg wird nicht nur nicht schwächer, nicht nur, dass wir uns nicht seinem Abschluss nähern würden, sondern der Krieg zieht sich – deutlich erkennbar – hin, und die Sanktionspolitik kann dabei überhaupt nichts helfen. Ich muss sagen, anfänglich hatte ich geglaubt, wir hätten uns nur ins eigene Knie geschossen, doch jetzt ist schon erkennbar, dass sich die europäische Wirtschaft in die eigene Lunge geschossen hat und jetzt überall um Luft ringt. Es gibt Länder, in denen das bedeutet, dass es keine Energiequellen geben wird, und es gibt Länder, wo es zwar noch Gas geben wird, doch der Preis wird sehr hoch sein. Wir gehören in die letztere Kategorie, denn wir haben Entscheidungen getroffen, die es ermöglichen, die Energiequellen in der nötigen Menge einzukaufen. Die Frage ist, wie lange Zeit wir deren Preis in einem ertragbaren Rahmen halten können. Wir mussten jetzt die Energienotsituation ausrufen, das ist auf der Regierungssitzung am Mittwoch geschehen. Darüber haben die Zuhörer vieles hören können. Darüber vielleicht weniger, dass ich auch die Aufstellung eines operativen Stabes angeordnet habe, diesen wird dann Gergely Gulyás leiten. Seine Aufgabe wird es sein, diese Beschlüsse, die Energienotsituationsbeschlüsse zu vollstrecken und weitere vorzubereiten, wenn dies notwendig sein sollte. Wir haben die inländische Erdgasförderung der Firmen erhöht oder angeordnet, sie zu erhöhen. Darüber gibt es eine Diskussion, ob dies überhaupt möglich sei. Ich habe mir diese Debatte bis zum Schluss angehört, und wir haben den Beschluss gefasst: Die Förderung, die eigene, die inländische Förderung muss von anderthalb Milliarden auf zwei Milliarden Kubikmeter angehoben werden. Péter Szijjártó haben wir ermächtigt, weitere Gasreserven einzukaufen, gute 700 Millionen Kubikmeter Gas muss der Herr Außenminister einkaufen, er ist auch schon auf dem Weg. Wir haben Ausfuhrverbote für die Energieträger angeordnet, natürlich abzüglich jener Mengen, die wir gegen Lohn lagern, denn für wen wir gegen Lohn lagern, dem werden wir sie zurückgeben, wir sind ja doch Ungarn. Ich musste auch die Erhöhung der Lignitförderung anordnen, und im Mátrai Kraftwerk arbeiten heute zwei Blöcke auf Lignitbasis, und zwei waren in Reserve gehalten, es musste auch die Aktivierung dieser beiden angeordnet werden. Wir mussten auch die Verlängerung der Arbeits-, der Betriebszeiten der bereits arbeitenden Blöcke des Atomkraftwerks von Paks anordnen. Und schließlich mussten wir im Interesse der Senkung der Nebenkosten auch die über dem Durchschnittsverbrauch liegenden Mengen antasten, d.h. wir mussten entscheiden, die Senkung der Nebenkosten auf die Weise zu retten, dass wer Energie in einer durchschnittlichen Menge verbraucht, der soll auch weiterhin gesenkte Nebenkosten haben, wer aber über dem Durchschnitt verbraucht, der muss den Marktpreis zahlen, oder wenn er es kann, dann soll er versuchen, unter das durchschnittliche Verbrauchsniveau zurückzukommen. Ich bitte die Ungarn bzw. die Familien mit dem nötigen Respekt, dass wer über dem Durchschnitt verbraucht, einsehen möge, dass wir jetzt gezwungen sind, auf den über dem Durchschnitt liegenden Verbrauch den tatsächlichen Preis zu erheben; wenn wir das nicht tun würden, müsste man im Übrigen die gesamte Politik der Senkung der Nebenkosten einstellen.
Die Situation ist ja im Gegensatz zu Westeuropa anders, wo man nach dem gesamten Verbrauch den Marktpreis zahlen muss. Ich habe einen deutschen Bekannten, dessen Gaspauschale monatlich 600 Euro geworden ist, das ist ein Fünftel des dortigen Durschnitteinkommens. Trotzdem rechnen jetzt auch hier zu Hause alle, ob sie in den Durchschnittsverbrauch hineinpassen, was man tun könne, um hineinzupassen, es gibt jene, die mit Strom heizen, und es gibt noch ungeklärte Fragen. Ja, es sind auch so ziemlich von der Wirklichkeit vermutlich abweichende Zahlenreihen aufgetaucht, wieviel man dann wir zahlen müssen. Ist es schon ersichtlich, wie dies genau aussehen wird?
Die Regierung hat ihre Beschlüsse so gefasst, dass sie über die genauen Zahlen verfügte. Ich kann Ihnen sagen, dass in Ungarn der monatliche Durchschnittsverbrauch bei elektrischer Energie bei 210 kWh/Monat und bei Erdgas bei 144 m3/Monat liegt. Das bedeutet, das etwa drei Viertel der Haushalte in diese Kategorie gehört. Ungarn ist in einer schwierigeren Lage, als die reicheren Westler, denn es stimmt zwar, dass es dort keine Senkung der Nebenkosten gibt, und sie deshalb den Vollpreis bezahlen, doch das Bezahlen des gesamten Preises der Nebenkosten macht von ihrem Lohn einen kleineren Anteil aus als dies in Ungarn ausmachen würde. Wenn also, sagen wir, die Menschen hier 6.000 Euro verdienen würden, und ein Teil dessen ginge auf die Nebenkosten drauf, dann wäre das zwar nicht angenehm, aber ertragbar. Doch in Ungarn machen die Nebenkosten im Fall zahlreicher Familien nicht nur ein Sechstel, sondern ein Drittel oder in manchen Fällen die Hälfte des Einkommens aus, deshalb musste die Politik der Senkung der Nebenkosten eingeführt werden. Die Politik der Senkung der Nebenkosten muss dort in so einem Land wie Ungarn eingeführt werden, wo die Tarife der Nebenkosten einen zu großen Teil des Einkommens auffressen und so wenig Geld für anderes, für die anderen Ausgaben der Familie bleiben. und deshalb muss man die Familien beschützen. Die Linke war damit niemals einverstanden. Das ist eine große Diskussion noch aus der Zeit um 2012, als die Linke noch sagte, so etwas müsse man nicht machen, man müsse es wie in Westeuropa machen: Ein jeder soll den vollen Preis der Energie zahlen, die er verbraucht. Das ist ein sinnvoller ökonomischer Standpunkt im Allgemeinen und in Westeuropa ist er vielleicht auch noch gültig, aber in Ungarn wären die Folgen dessen äußerst schwerwiegend, da das die Familien in die Armut stoßen würde. Das ist eine alte Debatte zwischen der Linken und der Rechten in Ungarn, deshalb hat die Linke das niemals unterstützt. Die Senkung der Nebenkosten haben wir eingeführt, wir konnten sie über eine lange Zeit hinweg für die gesamte Bevölkerung aufrechterhalten, und jetzt können wir sie hinsichtlich des Durchschnittsverbrauchs verteidigen, und wir wollen diese Politik fortsetzen. Wir wollen die Senkung der Nebenkosten verteidigen.
Und wir haben eine außerordentliche Situation, die außerordentliche Maßnahmen erfordert. Wie sehen Sie es, werden dies die Menschen verstehen, versteht dies die Gesellschaft?
Wir sind nicht gleich. Es wird Menschen geben, die es verstehen, und es gibt Menschen, die es nicht tun. Das werden vielleicht viele einsehen, denn ein jeder führt ja ein Familienbudget, dass es Dinge gibt, die noch möglich sind, und es gibt solche, die nicht mehr. Vor dem Krieg war es möglich, allen eine voll und ganz mit gesenkten Nebenpreiskosten verrechnete Energie zu geben. Jetzt, da es den Kriegszustand gibt und es Kriegspreise gibt und Kriegsinflation, jetzt ist das nicht mehr möglich. Die Wahrheit ist, dass es gut wäre, wenn wir das einsehen würden, aber leider ändert es nichts an den Tatsachen, wenn man das nicht einsieht.
Es gibt ja auch andere Maßnahmen, auch Sie haben diese erwähnt. Sie haben auch ein Ausfuhrverbot eingeführt, worüber sich Manfred Weber wahrscheinlich nicht freuen wird, denn er sprach schon darüber, dass man unter den Ländern der EU das hereinkommende Erdgas auf gerechte Weise verteilen müsste.
Schauen Sie, was der Fraktionsvorsitzende der Europäischen Volkspartei, Herr Weber, gesagt hat, das ist eine von Grund auf imperialistische Annäherung. Das ist ein deutscher Mensch. Was machen die Deutschen bzw. was möchten sie tun? Sie sagen, dass sie die billige Energie produzierenden Atomkraftwerke schließen, jedoch von den anderen Ländern das Gas wegnehmen. Ich kann darauf nichts sagen, das ist schlimmer als der Kommunismus!
Wenn schon Brüssel zur Sprache gekommen ist, nicht wahr, auch Sie haben erwähnt, dass mit den Sanktionen – wie Sie es formuliert hatten – sich die Europäische Union selbst in die Lunge geschossen hat. Inzwischen wird aber doch auch ein siebentes Sanktionspaket vorbereitet. Sie haben nicht aus den Auswirkungen des Ölembargos gelernt, was zur Folge hat, dass die russische Zahlungsbilanz einen seit dreißig Jahren nicht gesehenen Überschuss aufweist, und die Deutschen in dieser Hinsicht nach dreißig Jahren das erste Mal eine Negativbilanz aufweisen?
Schauen Sie, Ungarn hat die Sanktionen schon immer abgelehnt. Wir haben auch im allerersten Augenblick gesagt, das habe ich auch meinen Ministerpräsidentenkollegen gesagt, sie mögen mir glauben, mit Sanktionen werden wir der Ukraine nicht helfen. Ich verstehe, dass ein jeder der Ukraine helfen will, aber man muss auf die Weise helfen, dass das für die Ukraine gut ist und für uns möglichst nicht schlecht. Die Sanktionen helfen der Ukraine nicht, sind jedoch schlecht für die europäische Wirtschaft, und wenn das so weitegeht, verzeihen Sie den Ausdruck, dann werden sie aber die europäische Wirtschaft abmurksen, sie kaltmachen. Das ist unerträglich, was wir jetzt sehen, deshalb muss der Moment der Wahrheit kommen. In Brüssel müssten die führenden Politiker sagen: „Wir haben falsch kalkuliert, die Sanktionspolitik ist von falschen Voraussetzungen ausgegangen, sie muss verändert werden.“ Man muss sich mit den Russen hinsetzen, man muss verhandeln, man muss einen Waffenstillstand abschließen, und danach muss man Friedensverhandlungen führen, denn für diese wirtschaftlichen Probleme bedeutet nur der Frieden eine Lösung.
Sicherlich ist die Embargopolitik, wie wir darüber gesprochen haben, die Ursache für die Kriegsinflation, die man überall in Europa sehen kann, und das war auch eine der Begründungen für die Umformung der Steuer namens „KATA“ (kisadózó vállalkozások tételes adója = Pauschalsteuer für geringbesteuerte Unternehmen, d.h. Einzelunternehmer, Freelancer). Und die andere ist es, eine vorhandene Gesetzeslücke zu schließen. Trotzdem hat die Umformung sehr viel Kritik erhalten, und auch hier rechnen die Betroffenen mit großen Zahlen. Auch László Parragh sagte, die Umformung sei ein bisschen stark geworden, zugleich aber konnten die KATA-Zahler bisher mit Steuern von unter zehn Prozent ihre Verpflichtung zum Tragen der gemeinsamen Lasten erledigen. All das miteinander abwägend – wie sehen Sie diese Umformung?
Ich halte das für eine gute Entscheidung und auch für eine notwendige Entscheidung. 2012 gehörte ich zusammen mit den damaligen sich mit wirtschaftlichen Angelegenheiten beschäftigenden Ministern zu jenen, die sich „KATA“ ausgedacht haben. Früher nannte man diese Leute ja „maszek“ (Abkürzung für „magán szektor“ = privater Sektor), wenn ich so formulieren darf, als ich noch ein Kind war. Es gibt „maszeks“, für die wir eine einfache und handhabbare Form der Steuer schaffen wollten, denn sie sind ja Kleinunternehmen, die für die Bevölkerung Dienstleistungen anbieten. Es gibt zahlreiche solcher Berufe, ein jeder kennt solche aus dem eigenen Leben. Und zu Beginn gab es auch keine Probleme, denn die die KATA wählenden Kleinunternehmen, sagen wir mehr als 90 Prozent von ihnen, haben Rechnungen immer nur für Privatpersonen ausgestellt, für Firmen überhaupt nicht. Doch dann sind die Firmen dahintergekommen, dass es einen Sinn macht, wenn sie die Arbeitnehmer überzeugen, KATA-Steuerzahler zu werden, doch zugleich auch weiterhin im Grunde Angestellte bleiben, jedoch juristisch als Kleinunternehmer gelten, und damit fahren die Firmen besser. Ich pflege die Menschen wegen nichts zu kritisieren, ein jeder lebt, wie er kann, wir leben, wie wir können, auch die Menschen versuchen an der Oberfläche zu bleiben. Das Problem besteht eher mit den Firmen, die ihre Angestellten entweder rumgekriegt oder überzeugt haben, in den Bereich der KATA zu wechseln. Und so ist dann die Zahl dieser Fälle auf 450 tausend hochgestiegen, und soweit ich das sehe, stellen von etwa 450 tausend KATA-Steuerzahlern etwa 300 tausend ihre Rechnungen für Firmen aus, am ehesten für eine einzige Firma, wir haben es also hier in Wirklichkeit mit Scheinverträgen zu tun. Aber auch das wäre noch gegangen. Wenn der Wagen gut läuft, dann hält die Wirtschaft auch dies aus, aber jetzt, wo es Krieg gibt und wir entsprechend der Logik der Kriegswirtschaft denken müssen, geht das ganz einfach nicht mehr. Und es geht nicht wegen des Haushaltes nicht, sondern es geht wegen des Rentensystems nicht. Denn die KATA-Zahler zahlen viel weniger für die Rente ein, als wenn sie ihre Aufgaben im Rahmen eines tatsächlichen Arbeitsverhältnisses versehen würden. Als wir diese jetzige, einschränkende Entscheidung gefällt haben, haben wir aufgrund von Zahlen gearbeitet. Ich habe gesehen, dass eine Krankenschwester durchschnittlich mit 86 tausend Forint zu den Renten- und Gesundheitsausgaben beiträgt, und ein KATA-Zahler mit monatlich 33 tausend Forint. Das wird also nicht gehen, dass 450 tausend Menschen nicht in die Rentenkasse einzahlen, nicht jene Summe einzahlen, die eingezahlt werden müsste, denn sonst wird die Rentenkasse ein Leck bekommen. Und das ungarische Rentensystem ist derart, dass wir aus den Rentensteuereinzahlungen des jeweiligen Monats die Rente des nächsten Monats bezahlen. Wenn also die Einzahlungen abnehmen, dann gerät das Rentensystem in Probleme, bzw. die Rentner geraten in Probleme. Das Land hält 50-150 tausend KATA-Zahler aus, aber es hält keine 450 tausend aus, denn unter den gegenwärtigen Kriegsumständen geht das ganz einfach nicht mehr. Ich bitte also einen jeden, sich anzusehen, was für eine andere juristische Form er beim Steuerzahlen wählen könnte. Es gibt noch andere günstige Formen, die KATA-Gesetzeslücken haben wir geschlossen, wir werden sie auch nicht wieder öffnen, doch man kann die aufgeschlüsselte Form der Steuer wählen, es gibt die KIVA, es gibt EKHO, man kann Kleinunternehmer werden, und letztendlich kann man als Arbeitnehmer zurückgehen, so wie auch ein Großteil der KATA-Zahler im Übrigen vor der KATA Arbeitnehmer war. Diese Veränderungen treten mit dem 1. September in Kraft. Bis zum 25. September können die Betroffenen sich darüber äußern, welche Steuerform sie hinsichtlich der Zukunft wählen. In Klammern merke ich nur an, dass sehr viele von denen, die heute die Entscheidung beanstanden, Personen sind, die die KATA zu Beginn nicht unterstützt haben. Im Parlament haben die Linken, ich erinnere mich sehr gut, nicht einmal dafür gestimmt, ja haben sie vehement kritisiert. Sie hatten nicht Recht, denn meiner Ansicht nach gibt es in Ungarn 50-150 tausend ehrliche Kleinunternehmer, die ihre Dienstleistungen tatsächlich der Bevölkerung anbieten, und für sie war die KATA ausgedacht worden, für die haben wir sie ausgedacht, und für sie erhalten wir sie auch aufrecht, ja für sie werden wir im Übrigen auch noch das Maß der Steuervergünstigung erhöhen, denn die Preise steigen.
Übrigens ist es interessant, was Sie über die Linke sagen, weil sie damals nicht nur nicht dafür gestimmt haben, sondern jetzt geradezu Demonstrationen organisieren, um sie zu behalten. Ist das nicht ein bisschen ein schizophrener Zustand?
Schauen Sie, es wäre leicht, starke Dinge zu sagen und Witze zu machen, doch ich nähere mich lieber von der Seite des Verständnisses hieran an. Sie haben viermal hintereinander mit zwei Dritteln verloren. Chancen haben sie eben so viel, wie sie sie haben. Ich könnte sie vielleicht mit der Wühlmaus im Witz vergleichen. In diesem Wahlkampf, den wir hinter uns haben, haben sie bewiesen, dass man ihnen das Land nicht anvertrauen kann, und unter Kriegsbedingungen erst recht nicht. Jetzt haben sie die Wahlen verloren und sind in aller Stille herumgesessen. Jetzt ist das hier die erste Maßnahme, die Betroffene besitzt, denen das wehtut, die dagegen sind, gegen diese Regierungsbeschlüsse, die nicht zustimmen, und sie reiten auf dieser Welle. Und sie werden sich auf alle Wellen setzen. Auf jede Maßnahme, die infrage gestellt und diskutiert werden kann, wird die linke Opposition aufsitzen, wird versuchen, Stimmung gegen die Regierung zu machen, wenn Sie so wollen, wollen sie einen politischen Nutzen daraus ziehen. Ich kann sagen, ich verstehe das zwar, doch halte ich es für eine sehr schlechte Politik. Da es Kriegszustände gibt, ist der Zusammenhalt die Lösung, wir müssen in Richtung auf den Zusammenhalt vorangehen. Deshalb bitte ich auch die KATA-Zahler, zu verstehen, was jetzt geschieht. Deshalb bitte ich auch die mit der Senkung der Nebenkosten funktionierenden Haushalte, auch sie sollen verstehen, was für eine Situation das ist, sie sollten helfen, damit wir in solch einer Kriegssituation die Funktionsfähigkeit des Landes, das Lebensniveau der Menschen, ihre Arbeitsplätze, ihre Renten schützen können. Auf die Kriegssituation ist der Zusammenhalt die richtige Antwort, und nicht das Schielen auf den politischen Vorteil.
Auch Sie haben mehrfach erwähnt, dass Frieden notwendig ist, um der Kriegsinflation und den wirtschaftlichen Problemen Einhalt zu gebieten. Ja aber die Kämpfe lassen auch an den Fronten nicht nach und immer mehr NATO-Mitgliedsstaaten erhöhen das Bereitschaftsniveau der eigenen Armee, und so hat es im Übrigen auch der ungarische Verteidigungsminister getan, der die Anhebung der Bereitschaft der Streitkräfte angeordnet hat. Ist dies wegen der Prozesse, die an unserer Ost- oder Südgrenze ablaufen?
Das ist wegen des Krieges an der Ostgrenze. Wir vermeiden das Wort „Mobilisierung“, denn das bedeutet in der ungarischen Sprache, dass auch die Zivilisten zur Armee einberufen werden, und davon ist keine Rede, doch ist das Wort „Mobilisierung“ der Streitkräfte deutbar. Die Armee besitzt also einen Friedenszustand und einen Kriegsvorbereitungszustand, einen Notzustand. Und jetzt muss die Armee intern mobilisiert werden, die Entwicklungen müssen um das Zwei-Dreifache verschnellert werden, man muss neue Quellen bestellen. Ich werde in den kommenden Tagen auch jene Verordnungen unterzeichnen, die der Armee zusätzliche Quellen garantieren, denn an die Ostgrenze kommandiert auch die NATO weitere Kräfte und dort müssen wir im Interesse des Schutzes unserer eigenen Heimat und Grenze auch selbst mit dem notwendigen Gewicht erscheinen. Doch haben wir auch ein südliches Grenzproblem, das können wir im Weiteren nicht mehr mit der Armee lösen. Bisher war es mit dem südlichen Grenzproblem so, mit der Migrationsinvasion, nicht wahr, die am Zaun aufgehalten werden musste, aber es kommt noch hinzu, dass nicht nur die Zahl der ankommenden Migranten, illegalen Grenzverletzer wächst, sondern auch deren Aggressivität. Jetzt gibt es bereits bewaffnete Zusammenstöße auf der serbischen Seite, und sie bedrohen die ungarischen Grenzsoldaten von der anderen Seite aus mit Waffen. Die Lage wird dort also schlimmer. Bisher haben wir es so gelöst, dass wir Polizisten und Soldaten dorthin beordert haben. Jetzt können wir die Soldaten dort nicht mehr weiter einsetzen, denn dann wird es keine Soldaten an der Ostgrenze geben. Wir müssen also die Soldaten zurück zu den Übungen, in die Vorbereitung bringen, denn es gibt Krieg in unserer Nachbarschaft. Den Grenzschutz unter solchen Bedingungen durch Soldaten ausüben zu lassen, ist ein Luxus. Zugleich halten das auch die Polizisten nicht lange durch, denn sie haben wir von den verschiedensten Punkten des Landes dort hinbeordert. Dies war über einige Jahre hinweg eine gute Lösung, und wenn die Europäische Union nicht die Migration unterstützen würde, dann könnten wir auch schon über diese Migrationsinvasion hinweg sein, es kämen keine neuen illegalen Grenzverletzer, da die EU es ja hätte deklarieren können, dass sie niemanden aufnimmt, und wenn sie niemanden aufnimmt, hat es keinen Sinn loszugehen. Da aber die EU nicht dieses sagt, sondern das Gegenteil, dass sie aufnimmt, und wir sagen, „dass ihr aber über uns nicht durchgeht“, deshalb entstehen an unserer Grenze solche Situationen. Dies bleibt auch längerfristig so. Also war jene Lösung, die es bisher gab, als eine temporäre Lösung passabel, aber nicht als dauerhafte Lösung. Ich glaube, ich werde heute Nachmittag schon die Verordnung über die Aufstellung der Grenzjägereinheiten unterzeichnen können. Wir haben mit der Anwerbung von 2.000 Grenzjägern begonnen. Ihr Gehalt haben wir eingestellt. Das hat im Übrigen auch eine Wirkung auf das Gehalt der Polizisten und Soldaten, schiebt die Gehälter der Polizisten und auch der Soldaten höher, denn die Grenzjäger, die weniger ausgebildet und geschult sein werden als unsere Polizisten und Soldaten, können nicht mehr verdienen als die Polizisten und die Soldaten, denn dann wird die Ordnung umgestoßen. Wir müssen also auch das Gehalt der Polizisten und der Soldaten an diese neue Situation anpassen. Hinzu kommt noch, dass wir von den jetzigen 2.000 innerhalb von zwei Jahren die Zahl der Grenzjäger auf 4.000 erhöhen müssen. Sie werden dann ihre Arbeit im Rahmen der Bereitschaftspolizei verrichten, doch erhalten sie eine Ausbildung niedrigeren Niveaus und eine auf einen engeren Bereich bezogene Ausbildung. Wir versuchen sie mit einem Dreijahresvertrag anzustellen, und wenn sie darüber hinaus Lust haben, sie den Eindruck haben, es lohne sich, ihnen diese Aufgabe und diese Berufung gefallen, dann können sie weiter bleiben, und dann können sie aus dem Status der vertraglichen Anstellung dann in den Angestelltenstatus hinüberwechseln. Ich lese Tag für Tag die Meldungen der Frontex – das ist der Name der sich mit dem europäischen Grenzschutz beschäftigenden Institution –, in dem bisherigen Abschnitt des Jahres sind um 80 Prozent mehr illegale Grenzübertritte geschehen als ein Jahr zuvor. Der Druck wächst, und auch die Frontex sagt, dass das primäre Ziel, die primäre Route über den Balkan führt, und jene Balkanroute endet am ungarischen Zaun.
Sicherlich ist ein Grund dafür jene Lebensmittelkrise, die ebenfalls der Krieg verursacht. Und wir sehen, dass der Krieg in vielerlei Hinsicht der Verursacher, in vielerlei Hinsicht der Zuspitzer der wirtschaftlichen, der Migrations- und aller Arten von Problemen ist. In wessen Interesse steht es dann denn, dass sich dies fortsetze, wenn es für niemanden gut ist?
Sie meinen der Krieg?
Ja.
Sicher ist, dass es nicht in unserem Interesse steht. Es ist schwierig, gut über den Krieg nachzudenken, denn wenn man die Ursachen sucht, kann man leicht den Fehler begehen, jene als Ursache hinter dem Krieg zu sehen, die Nutznießer des Krieges sind. Doch das ist nicht immer so. Hier ist z.B. der Fall von China. China war hinsichtlich des Öls vollständig den arabischen Ländern ausgeliefert. Es besitzt kaum eine eigene Förderung, ist auf den Import angewiesen, hat diesen aus Arabien eingekauft. Jetzt aber, da die Europäer entschieden haben, ein Ölembargo zu verkünden, fließt plötzlich auch das russische Öl Richtung China. China ist also ein Nutznießer dieses Konflikts, hat aber nichts mit den Ursachen des Konflikts zu tun. Man muss also vorsichtig sein, um nicht in die Falle von Verschwörungstheorien zu tappen. Eine Sache ist sicher: China gewinnt, Amerika verliert nicht, und Europa leidet. Wer sehr viel Geld verdient, das sind Energiefirmen und bestimmte Geschäftsleute. Hier muss man an Geschäftsleute des Typs George Soros denken, die ganz einfach für die Aufrechterhaltung des Krieges argumentieren, ihr Netzwerk mobilisieren, die von ihnen bezahlten Journalisten und Analysten argumentieren alle für die Fortsetzung des Krieges, für dessen gerechten Charakter, obwohl diese Leute à la George Soros nichts anderes sind als einfache Kriegshetzer. Meiner Ansicht nach muss man also das Interesse hinter der Verlängerung des Krieges irgendwo im Umfeld der Geschäftsleute und der Kriegshetzer suchen. Sicher ist, dass das, was geschieht, für Europa eine Katastrophe und auch für Ungarn äußerst schmerzhaft ist. Wir arbeiten Tag und Nacht daran, wie wir einer unglücklichen europäischen allgemeinen Lage bzw. der Verschlechterung der Lage fernbleiben können bzw. wie wir einen Pfad finden, auf dem weiterschreitend Ungarn von den negativen Auswirkungen des Krieges weniger betroffen sein wird.
In den vergangenen Minuten hörten Sie Ministerpräsident Viktor Orbán.