Viktor Orbáns Interview in der Sendung „Heute Abend“ des Ungarischen Fernsehens
31. März 2021

Tünde Volf-Nagy: Ich begrüße die Zuschauer und ich begrüße Viktor Orbán, Ungarns Ministerpräsidenten.

Guten Abend!

Die Zahl der Geimpften in Ungarn hat die zwei Millionen überschritten, was so viel bedeutet, dass jeder fünfte Ungar bereits den Impfstoff erhalten hat. Warum haben Sie gerade bei 2,5 Millionen die Grenze gezogen, ab der man öffnen kann? Und bei dem derzeitigen Tempo der Impfungen werden wir dann wohl Mitte April diese Zahl erreichen?

Das Öffnen ist ein trügerischer Begriff, er hört sich an, als ob man an der Eingangstür das Schild von der Seite „geschlossen“ zu der mit der Aufschrift „geöffnet“ umdrehen würde. Doch geht das nicht auf diese Weise, denn öffnen kann man nur schrittweise, deshalb gebrauchen wir lieber das Wort „Neustart“. Man wird das Land und die Wirtschaft dann schrittweise neu starten können, dies war im Übrigen auch der Standpunkt der mehreren hunderttausend Ungarn, die an der Nationalen Konsultation teilgenommen haben. Und die 2,5 Millionen hat uns ein moralisches Gesetz markiert, denn man darf das Land solange nicht neu starten, bis die am ehesten sich in Lebensgefahr Befindenden nicht die Impfung erhalten haben, also nicht der unmittelbar lebensgefährlichen Lage entkommen sind. Dies bedeutet die Menschen im Alter von über 65 Jahren, auf die Alten muss man am stärksten achten, um sie pflegt man sich weniger zu kümmern. Meiner Ansicht nach ist es die Aufgabe der Regierung, sich auch besonders um sie zu kümmern, sich auf sie zu konzentrieren. Nicht nur, weil es sich dabei um unsere Eltern und Großeltern handelt, obwohl auch das ein gewichtiges Argument ist, sondern weil es unermesslich ungerecht wäre, wenn wir uns nicht besonders um jene kümmern würden, die im Übrigen das Land in den vergangenen fünfzig-sechzig Jahren bis hierher auf ihrem Rücken getragen haben, wo wir jetzt sind. Deshalb haben wir ein gesondertes Regelwerk aufgestellt, mit dem wir die Alten schützen. Solange nicht alle Menschen über 65 Jahren, die sich registriert haben, geimpft sind, können wir keinerlei Risiko eingehen. Und wir rechnen damit, dass die Impfung der Menschen über 65, der registrierten über 65 dann geschehen wird, dann beendet wird, wenn wir bereits schon etwa 2,5 Millionen Menschen werden geimpft haben.

Die WHO nennt diese Erscheinung Quarantänemüdigkeit, dass es immer schwieriger wird, die Menschen dazu zu bewegen, die Regeln einzuhalten. Vielleicht ist es auch deshalb so, dass es während der dritten Welle nicht mehr ausreicht, an den guten Willen oder die Einsicht der Menschen zu appellieren, wenn wir zum Beispiel an die Heimwerkersupermärkte denken, die geöffnet haben, und wo man am Wochenende doch Bilder sehen kann, die wir doch eher vor der Epidemie gewohnt waren oder richtig wären, sage ich lieber. Viele Stimmen fragen, ob ein kurzer und ausnahmsloser Lockdown nicht klüger und taktischer gewesen wäre?

Zunächst einmal möchte ich einen jeden darum bitten, die Regeln einzuhalten. Es gibt nicht viele Regeln, aber die sind einfach, klar und verständlich. Es lohnt sich, sie einzuhalten und man kann diese auch einhalten. Wenn wir zum Beispiel aus dem Gebäude hinausgehen oder sehr viele in einem Gebäude sind, da sollten wir eine Maske tragen und die Entfernung einhalten, die uns vor der Ansteckung schützt. Jetzt ist die dritte Welle die Welle der britischen oder englischen Mutante, diese ist viel aggressiver als das frühere Virus, sie verbreitet sich auch schneller. Solange die Ansteckungen vereinzelt vorkamen, hat der Lockdown, das zu Hause bleiben geholfen. Jetzt erfolgt die Ansteckung aber massenhaft, und dies können der Lockdown und die Einschränkungen nur noch verlangsamen, aber nicht mehr aufhalten. Im Frühjahr hatte es ausgereicht, Beschränkungen einzuführen, und damit konnte man die Ansteckungen aufhalten. Dies ist jetzt nicht mehr so ein Virus, hier können wir nur noch verlangsamen, wenn wir beschränken. Es gibt eine einzige Medizin, wir können es auf eine einzige Weise aufhalten, nicht einfach nur verlangsamen, sondern das Virus aufhalten oder töten, und dies durch die Impfung. Deshalb müssen wir jetzt all unsere Kräfte auf die Impfungen konzentrieren.

In der dritten Welle erleben viele Menschen, dass in ihrer Umwelt viele erkranken, bzw. in ihrer Familie, von ihren Freunden viele sterben, auch die Jüngeren. Hat deshalb nicht vielleicht der Umstand eine schiefe Optik, dass die Regierung in diesem Moment bereits über die Strategie der Öffnung spricht?

In der Tat haben viele von uns ernsthafte Verluste erlitten, Freunde, Arbeitskollegen, Familienmitglieder. Das nimmt die Menschen auch mit, wir alle sind mitgenommen. Wenn wir an dem Punkt angekommen sein werden, dass wir das Impfen hinter uns gelassen und wir die Epidemie aufgehalten haben, wird man dann das Land nicht nur im wirtschaftlichen Sinn neu starten müssen, sondern auch das gemeinschaftliche Leben muss neu gestartet werden, wir müssen Wege zueinander finden. Jetzt hat ein jeder die Heiterkeit und die gute Laune verloren, vielleicht auch das Gefühl des Glückes, ganz Europa bietet ein ziemlich unglückliches Bild. Wenn ich also über den Neustart spreche, da spreche ich nicht nur über die Wirtschaft, sondern auch die Wiedererweckung unserer Gemeinschaften. Hierbei wird der Kultur, der Kunst, den seelischen Menschen, den Kirchen, den Priestern eine besonders wichtige Rolle zukommen. Es geht hier also um mehr als einfach nur um den Neustart der Geschäfte oder der Firmen. Wir müssen aber auch wissen, dass das Virus nicht nur Menschenleben beschädigt und uns krank macht, sondern die Arbeitsplätze zerstört und auch die Wirtschaft angreift. Und das Neustarten von Betrieben, von Geschäften, Hotels, Restaurants geht nicht von einem Tag zum anderen. Deshalb ist es wichtig, dass die Menschen wissen, womit wir rechnen können, dass sie ihren eigenen Neustart planen können. Auch die Eltern müssen wissen, womit sie ungefähr zu rechnen haben, wie lange man zu Hause bleiben muss, wann sie wieder die Kinder in den Kindergarten oder in die Schule bringen können. Deshalb müssen wir uns zugleich schützen, müssen impfen und den Menschen dabei helfen, ihren eigenen persönlichen Neustart zu planen.

Und wenn Sie schon die Impfungen erwähnt haben, dank des Ankaufs von Impfstoffen aus dem Osten liegt der Grad der Durchgeimpftheit in Ungarn wesentlich höher als in der Europäischen Union. Während er in der EU 12,5 Prozent beträgt, hat er in Ungarn bereits die ….

20.

… die 20 Prozent überschritten. Das ist ja eine gute Nachricht, nicht wahr. Aber es gibt auch eine schlechte Nachricht, und zwar die Statistik mit den Todesfällen. Wann wird sich wohl diese Statistik in eine bessere Richtung entwickeln können?

Ich höre nur lauter schlechte Nachrichten, denn die Impfung selbst ist auch keine gute Nachricht, wir sollten uns höchstens darüber freuen, dass es Impfstoff gibt, aber die ganze Situation selbst, in der wir uns befinden, entbehrt jedweder Romantik, guter Nachrichten, Glücks usw. Dies ist also eine sehr schwierige Situation, in der sich jeder ungarische Mensch, aber nicht nur wir, Ungarn, sondern ganz Europa wiedergefunden hat. Allein die Impfung hilft, je schneller wir impfen, desto schneller wird die Zahl der erkrankten Menschen abnehmen und umso weniger Menschen werden sterben. Deshalb ist es sehr wichtig, den gegen das Impfen gerichteten Stimmen keinen Platz einzuräumen, diese sollten wir irgendwie beiseiteschieben. Wir sollten ihnen nicht glauben, ihnen nicht auf den Leim gehen. Stimmung gegen die Impfung zu machen, gegen die Impfung zu agitieren, gegen sie anzureden ist mehr als ein Fehler, ich könnte es vielleicht auch schon als Sünde bezeichnen, denn jener, der sich aus dem Grund nicht impfen lässt, da er auf die sich gegen die Impfung aussprechenden Politiker oder Pseudoärzte hört, der kann leicht sterben. Und dann liegt die Verantwortung bei denen, die sich gegen die Impfung ausgesprochen haben. Ich bitte also einen jeden – auch wenn ich verstehe, wenn sich jemand nicht impfen lässt oder Vorbehalte gegenüber der Impfung hat, aber anderen davon abzuraten, die Impfung zu nehmen, das ist meiner Ansicht nach eine schwerwiegende Unverantwortlichkeit.

Wenn Sie schon die Politiker oder die Gegenkampagne erwähnt haben, so konnte man doch in den Sozialen Medien auch sehen, dass sich auch Personen impfen lassen, die früher gegen die Impfung Kampagne gemacht haben. Ja, sie haben sich sogar mit einem Impfstoff impfen lassen, gegen den sie früher ihre Kampagne gemacht haben. Bedeutet dies nicht, dass langsam die gegen die Impfung gerichtete Kampagne zu Ende geht? Ich frage das auf naive Weise.

Schauen Sie, wir sind alle fehlbar, wir sind alle nur Menschen, also möchte ich jetzt über niemanden urteilen und vor allem nicht jemanden verurteilen. Ich bitte nur einen jeden: „Lassen Sie die Ärzte und die Pfleger arbeiten, und führen Sie die Menschen nicht mit Fakevideos, Falschmeldungen in die Irre, sondern wir sollten uns viel mehr mit gutem Willen, mit Gutmütigkeit einander zuwenden und jene zufriedenlassen, die sich impfen lassen wollen, und dazu sich registrieren und dann die Impfung erhalten wollen.“ Wer also der Impfung nicht vertraut, und ich spreche jetzt nicht gegen sie, ich verstehe, dass es solche Menschen gibt, aber dies sollte ihre persönliche Entscheidung bleiben, sie sollen die anderen in Ruhe lassen, diese sollen ihre eigene persönliche Entscheidung treffen können, vielleicht können wir ihr Leben auf diese Weise retten oder sie vor einer schwerwiegenden Erkrankung bewahren.

Hinzu kommt noch, dass im Vergleich zur Impfung die Krankheit mit einem viel-viel höheren Risiko einhergeht. Sie hatten am vergangenen Freitag gesagt, es gebe ausreichend Betten und ausreichend Beatmungsgeräte. In der Zwischenzeit haben sich aber mehrere Institutionen schon darüber beklagt, dass sie schon beinahe die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit erreichen, denn an sich sind Betten und Beatmungsgeräte noch keine Intensivmedizin. Und sie haben das Gefühl, langsam die Kranken nicht mehr auf dem fachlichen Niveau versorgen zu können, das, sagen wir, man für den eigenen Vater wünschen würde, oder das von einem jeden erwartet werden würde, wenn der Vater ins Krankenhaus kommt.

Als erstes sollten wir unsere Hüte vor unseren Ärzten und Krankenschwestern sowie den Hausärzten lüften. Sie verrichten eine übermenschliche Arbeit, besonders in den Krankenhäusern. Am Wochenende des 15. März habe ich sogar zweimal mit allen Krankenhausleitern der Komitatsebene konsultiert, und ich habe gesehen, dass das Menschen mit einer guten Seele sind, entschlossene Menschen, kompetent, und sie setzen sich zu hundert Prozent ein. Ich denke also, von unseren Ärzten, den Krankenhausdirektoren, den Pflegern wird kein einziges Menschenleben abhängen, denn sie verrichten ihre Arbeit mit vollem Einsatz. Im Alltag, an einem Arbeitstag, an einem Feiertag, so wie es kommt. Und ich habe auch gesehen, dass – da wir die Epidemielage, Notlage in den Krankenhäusern erklärt haben – unsere Ärzte und die Vorgesetzten der Ärzte die notwendige Freiheit besitzen, um die Versorgung im Krankenhaus umzuorganisieren. Und soweit ich das sehe, wird es – wenn auch als Ergebnis großer Anstrengungen, aber – ausreichend Personal geben. Wir haben ja bereits auch die Medizinstudenten, die ihren Abschluss gemacht haben, miteinbezogen, auch die absolvierten Assistenzärzte. Das Umdirigieren, das Umgruppieren ist also die Methode, mit der wir diese Lage lösen können. Meiner Ansicht nach werden unsere Krankenhäuser – obwohl ich es noch einmal wiederhole: als Ergebnis übermenschlicher Arbeit, aber sie werden – funktionsfähig bleiben. Das ungarische Gesundheitswesen ist besonders hinsichtlich der Humanressourcen in einem viel besseren Zustand, als das sich vielleicht viele Menschen zuvor gedacht hätten. Im Übrigen ist noch die Hälfte der wegen des Coronavirus separierten, festgelegten Betten frei, und wir haben noch ungefähr doppelt so viele sofort einsetzbare Beatmungsgeräte zusammen mit Betten, als derzeit gerade Betten besetzt sind. Die technische Versorgung ist also gelöst, doch nichts kann unsere Ärzte und unsere Krankenschwestern ersetzen. Vermutlich müssten wir unseren Dank auch jenen aussprechen, die sie an den Universitäten und in den Fachschulen ausgebildet haben, denn an der derzeitigen Leistung ist es ablesbar, welch schöne Arbeit ihre Lehrer verrichtet haben.

Camus schriebt in seinem Werk „Die Pest”, wenn man nur vier Stunden schläft, dann ist man nicht rührselig, sondern man sieht die Dinge, wie sie tatsächlich auch sind. Das stimmt jetzt ja vollkommen auch für die im Gesundheitswesen Arbeitenden. Gibt es noch Reserven?

Auch ich pflege vier Stunden zu schlafen, und ich bin nicht…

…sie sind nicht rührselig.

Und mir mangelt es nicht an Romantik. Das wollte ich sagen. Es bleibt also auch noch Raum für das Gefühlsleben des Menschen. Aber das ist sicherlich schwierig. Dank, Dankbarkeit, Anerkennung und Unterstützung. Ich bitte also einen jeden, unseren Pflegern und den Ärzten jedwede Unterstützung zu geben. Ich sage es noch einmal: Wir sollten ihre Arbeit nicht durch die Verbreitung von Gerüchten erschweren. Jetzt ist zum Beispiel nicht die Zeit dafür, in die Krankenhäuser hineinzugehen, Fakevideos oder falsche Gerüchte herzustellen usw., sondern lassen wir sie arbeiten, die im Übrigen tatsächlich häufig nicht länger als vier Stunden schlafen. Guter Wille, Gutmütigkeit, Hilfe.

Die Intensivstationen sind langsam angefüllt mit an COVID infizierten Kranken. Doch können ja auch andere Kranke selbst auf eine intensive Versorgung angewiesen sein. Von ihnen ist in der letzten Zeit vielleicht wenig, weniger die Rede.

Die ist die gute Nachricht, denn es bedeutet, dass es dort vermutlich weniger Sorgen gibt. Das ist eine medizinische Fachfrage, wie man die Betten zwischen COVID-Kranken und nicht COVID-Kranken separieren muss. Die Fachleute haben in dieser Hinsicht freie Hand. Wir akzeptieren ihre fachliche Entscheidung als Ärzte. Soweit ich das sehe, musste niemand aus der wichtigen Versorgung herausgenommen werden. Ich habe also das Gefühl, dass das Gesundheitswesen in der Lage ist, dem doppelten Druck zu widerstehen, die Versorgung der mit COVID Infizierten und unserer am schwerwiegendsten Erkrankten, der nicht an COVID Erkrankten zu lösen.

Ab morgen beginnt auch das Impfen der Lehrer. Sie werden mit Pfizer- und Moderna-Impfstoff geimpft. Wenn am 19. April die Schulen geöffnet werden, dann bedeutet dies nach menschlichem Ermessen, dass sie wahrscheinlich die ersten Impfungen erhalten können. Bietet ihnen diese bereits einen ausreichenden Schutz? Oder kann man diesen Zeitpunkt noch weiter nach hinten verschieben?

Schauen Sie, als ich die erste Impfung erhalten habe, bin ich zur Arbeit gegangen. Die erste Impfung bedeutet Schutz. Natürlich wäre es bequemer, die zweite abzuwarten, und weiß der Himmel genau, wie viele Tage noch. Auch darüber gibt es eine Fachdiskussion unter den Medizinern. Aber was wir mit Sicherheit wissen, ist, dass bereits die erste Impfung einen sehr ernsthaften Schutz gibt. Und ich verstehe, dass ein jeder möglichst früh die erste erhalten möchte, und danach die zweite, und dann auch noch warten. Und sicherlich denken auch viele unter den Pädagogen so. Doch bitte ich sie darum, auch auf die Interessen der Eltern zu achten, diese zu berücksichtigen, die zu Hause bleiben müssen, die Kinder nirgendwo hinbringen können, dabei müsste man arbeiten, sie müssen auf irgendeine Weise auch leben. Wir haben also den Wunsch der Gewerkschaften erfüllt, die Pädagogen in der Impfreihenfolge nach vorne zu nehmen. Das haben wir getan, sie werden die erste Impfung, soweit ich das sehe, eine gute Woche vor dem Neustart der Schulen erhalten. Meiner Ansicht nach kann man damit schon den Unterricht beginnen. Wenn jemand auch so dies nicht auf sich nimmt, verstehe ich es, aber man sollte nicht gegen das Wiederöffnen der Schulen agitieren, denn man muss sowohl auf die Interessen der Kinder als auch auf die der Eltern Rücksicht nehmen. Und ihr Interesse ist es, dass die Schulen möglichst bald in einem entsprechenden, sicheren Umfeld öffnen können.

Ein neues Wort ist entstanden, es heißt „Impfstoffneid“. Sicher hat ein jeder schon Dinge gehört, wie dass die Nachbarin aber ihn bekommen hat, dabei ist sie jünger als ich. Oder mein Kollege hat ihn bekommen, dabei habe ich viel mehr chronische Krankheiten. Warum ist das so, was ist der Grund dafür?

Dies ist so, weil wir darüber entschieden haben – dies war eine als Ergebnis einer großen Debatte gefällten Entscheidung, –, ob wir über das System der Hausärzte impfen sollen oder nicht. Es gibt Länder, die es versuchen, nur in den Krankenhäusern Impfpunkte aufzustellen, und sie impfen auf diese Weise. Wir haben uns aber ausgesprochen auf den Rat der Fachleute des Seuchenschutzes dafür entschieden, an erster Stelle die Hausärzte mit einzubeziehen. Man muss bei einer Impfung sehr viele kleine, personenbezogene Abwägungen machen, wen wohin, an wievielte Stelle die Hausärzte einordnen, und sie verfügen über die Informationen, die dazu notwendig sind. Wir geben die allgemeinen Gesichtspunkte vor, aber wir ermächtigen die Hausärzte, zwischen den Kranken auf Grund ihrer persönlichen Kenntnis Unterscheidungen zu treffen, und eine Abweichung kann so entstehen. Dafür übernehmen sie auch die Verantwortung. Nicht nur, indem sie jemanden nach vorne nehmen, sondern eventuell auch dadurch, indem sie jemanden nicht nach vorne genommen haben. Dies ist also eine sehr verantwortungsvolle Abwägung, die die Hausärzte durchführen müssen. Und sie kennen die Kranken. Und es gibt Personen, denen sie die Impfung gar nicht empfehlen, und anderen sagen sie, sie haben eine Krankheit, aufgrund der es begründet ist, sie nach vorne zu nehmen. Ich vertraue den Hausärzten, und meiner Ansicht nach tun wir gut daran, wenn wir unseren Hausärzten vertrauen, damit sie diese Abwägungen vornehmen können. Hieraus können Situationen entstehen, die andere als ungerecht empfinden. Aber auch hier bitte ich einen jeden darum, dass wir uns mit gutem Willen unseren Ärzten zuwenden und ihnen gute Absichten unterstellen. Glauben Sie es mir, sie nehmen tatsächlich eine medizinisch-fachliche Abwägung vor.

Vertrauen ist sicherlich der Schlüssel zu dieser Epidemielage. Ich muss gestehen, ich war schockiert, als ich erfuhr, dass Schwangere auf den Intensivstationen liegen bzw. auch an Beatmungsgeräte angeschlossen sind. Sie haben nicht lange mit der Entscheidung gewartet, man hat auch mit ihrer Impfung begonnen. An welchem Punkt ist diese angekommen?

Lange Zeit war es die Hypothese, jene Annahme, dass wir die Schwangeren besser nicht impfen sollten. Dann hat sich irgendwie eine wissenschaftliche, eine allgemeine fachliche Meinung im Rahmen des Seuchenschutzes in ganz Europa herausgebildet, nach der man Schwangere impfen darf. Und da haben auch die ungarischen Ärzte diesen Standpunkt übernommen und dem Operativen Stab geraten, die Schwangeren nach vorne zu nehmen. So kam es, dass wir sie jetzt impfen. Wir haben 42 tausend Schwangere, die in dem Stadium der Schwangerschaft sind, dass sie die Impfung bekommen können. Meiner Ansicht nach stimmt dem jedermann zu, denn in diesen Fällen können im Fall von Problemen nicht ein, sondern zwei Leben in Gefahr geraten. Meiner Ansicht nach ist die Unterstützung für den Gedanken umfassend, dass wenn man die Schwangeren impfen kann, dann sollten wir sie nach vorne lassen.

Auch Österreich bestellt den russischen Impfstoff. Das heißt, das Beispiel des Ankaufs aus dem Osten scheint ansteckend zu sein. Ja, selbst die deutsche Presse spricht positiv über ihn. Dabei ist das ja keine alltägliche Sache.

Wie ein weißer Rabe …

Wie ein weißer Rabe. Über die ungarische Strategie: Haben Sie damit gerechnet?

Ich versuche auf bescheidene Weise zu formulieren, doch kann ich es nicht weicher, als dass ich mir darin ganz sicher war. Man konnte also bereits irgendwann um den November sehen, dass die bestellten, aus dem Westen bestellten Impfstoffe nicht rechtzeitig ankommen werden. Die Kommission hat ja die Impfstoffe bestellt, und hier hat man irgendetwas falsch gemacht. Und auf einmal habe auch ich gesehen, dass sie in Großbritannien, den Vereinigten Staaten, in Israel, in Serbien mit dem Impfen weiter voraus sind und auch sein werden als Europa. Und da musste man die Entscheidung treffen, da wir das Recht dazu besitzen, also jeder Mitgliedsstaat der Europäischen Union besitzt das Recht, auf Grund der eigenen Notlagenregelung auch Impfstoff aus anderen Teilen der Welt zu bestellen, nur hat dies außer uns in Europa kaum jemand auf sich genommen. Vielleicht haben das die armen Slowaken gemacht, aber das hat sie ihren Ministerpräsidenten wegen der daraus entstandenen Debatten gekostet. Wir haben dieses Risiko auf uns genommen, ich sitze noch hier. Meiner Ansicht nach unterstützt das ungarische Volk den Gedanken, dass man die Ideologie beiseitelegen und einen Unterschied zwischen Impfstoff und Impfstoff nicht aufgrund dessen treffen muss, ob es ein westlicher oder ein östlicher ist, sondern ober er sicher und zweckmäßig ist. Wenn er sicher ist und nützt, dann ist es gleichgültig, wo er hergestellt worden ist, dann muss man ihn den Menschen zugänglich machen. Aus dem Impfstoff eine politisch-ideologische Angelegenheit zu machen, ist eine Eselei. Aber vielleicht sollte ich dafür einen stärkeren Ausdruck gebrauchen, denn es kann Menschenleben kosten. Wenn wir keine chinesischen und russischen Impfstoffe bestellt hätten, die die Westler zunächst runtergemacht haben, und jetzt wollen auch sie schon ihn, dann stünden wir dort, wo jetzt die Westler stehen, das heißt wir hätten etwa nur die Hälfte der Menschen impfen können, die wir bis jetzt haben versorgen können. Meiner Ansicht nach haben wir also richtig entschieden. Es war keine Entscheidung ohne ein Risiko. Sie haben es selbst sehen können, Sie lesen die internationale Presse, was für Angriffe, was für niederträchtige Bezichtigungen sie erleiden mussten, aber meiner Ansicht nach haben wir richtig entschieden, und die Leben vieler tausender Menschen gerettet und werden sie in Ungarn retten, weil wir Impfstoffe nicht nur aus dem Westen, sondern auch aus dem Osten haben.

Die deutsche Presse schreibt jetzt, die Menschen beruhigend, jetzt würde aber nach Ostern der europäische Impfstoffankauf nun wirklich auf Touren kommen und das massenhafte Impfen auch in Deutschland wirklich beginnen. Wissen die etwas, was wir nicht wissen, oder betrifft dies auch uns?

So war es doch auch im November, damals hat sich auch jeder Hoffnungen gemacht, dann hat es Brüssel vermasselt, jener Fehler musste korrigiert werden. Manchen gelang dies, wie uns, und anderen gelang es nicht. Ich habe so eine kleine allwissende Tabelle. Ich will die Zuschauer damit nicht langweilen, aber ich arbeite aufgrund dieser. Hier ist in wöchentlicher Aufteilung zu sehen, wann wie viel Impfstoff im Land ankommen muss. Heute befinden wir uns bei einer für 2.011.029 Menschen zugänglichen Menge an Impfstoff, und ich kann Ihnen sagen, bis zum 4. April werden wir 2 Millionen 356 tausend Dosen an Impfstoff haben, und Anfang Mai werden es 4 Millionen 121 tausend sein. Hierbei handelt es sich also nicht nur um den Impfstoff aus dem Osten, sondern auch aus dem Westen. Die Deutschen mögen Recht haben. Nach meinen Erwartungen, laut meiner Papiere muss im Laufe des Monats April auch eine größere Menge an Impfstoff auch aus dem Westen ankommen, und dann können wir bis Ende Mai, Anfang Juni bis zur Menge von sieben Millionen Dosen Impfstoff gelangen, die für die erste Impfung zugänglich sind. Wir werden also Anfang Mai mehr Impfstoff haben als sich Menschen registriert haben, ich hoffe also, dass irgendwann Ende April, Anfang Mai all jene, die sich registriert haben, die erste Dosis des Impfstoffs erhalten können, und diese Hoffnung scheint nicht unbegründet zu sein. Impfen, impfen, impfen!

In der Zwischenzeit haben Sie in der letzten Woche Gespräche mit den Vertretern der Kammer geführt, und Sie haben auf Ihrer Social-Media-Seite geschrieben bzw. gesagt, sie seien Kämpfer, sie wollen wieder öffnen, und sie hätten auch Recht, während die Fachleute für den Seuchenschutz unter Verweis auf medizinische Gründe lieber schließen würden. Wie kann man diese beiden Dinge in Einklang bringen, sagen wir angesichts der Erfahrungen aus den ersten beiden Wellen?

Überhaupt nicht, das sind zwei einander ausschließende Standpunkte. So wie sie sich einander annähern werden, werden sie sich ändern, und die Veränderung wird die Durchgeimpftheit auslösen. Denn so, wie die Zahl der geimpften Menschen anwächst, so werden auch immer weniger Menschen krank und es sterben dann immer weniger von ihnen. Wir sind hier noch nicht angekommen, die Zahlen sehen nicht gut aus. Auch die heutigen Zahlen haben nicht gut ausgesehen. Über 10 tausend liegt die Zahl der sich in den Krankenhäusern befindenden Menschen, über 1.500 die Zahl der an Beatmungsgeräte Angeschlossenen, die Impfung konnte also die Epidemie noch nicht brechen, das Virus nicht aufhalten und töten, aber so wie die Zahl der geimpften Menschen anwächst, wird dies eintreten. Und so wie sich die Infektionszahlen verbessern und die Durchgeimpftheit anwachsen wird, wird es in Ungarn umso mehr eine Übereinstimmung in der Frage geben, wann und wie man den nächsten Schritt des Neustarts machen kann. Wir haben eine Nationale Konsultation gestartet, etwa 600 tausend Menschen haben ihre Meinung zum Ausdruck gebracht. Wir wissen genau, was sie denken. Man muss schrittweise öffnen. An erster Stelle müssen die Schulen geöffnet werden, und an zweiter Stelle muss man den Hoteliers und den in den Restaurants Arbeitenden eine Arbeitsmöglichkeit geben, und danach können die anderen Schritte erfolgen. Es gibt also einen Volkswillen, den es gelang, einzuholen, es gibt eine bestimmte Menge an Impfstoff, es gibt Ärzte, es gibt einen Impfplan und es gibt die Zahl der Ansteckungen. Wenn wir diese Dinge alle addieren, dann wird dieser erste Schritt, die Durchgeimpftheit dieser 2,5 Millionen Menschen irgendwann nach Ostern eintreten. Wir können die Schulen öffnen, wir können die Geschäfte – versehen mit einem neuartigen Sicherheitssystem – öffnen, auf je zehn Quadratmetern darf sich ein Kunde in ihnen aufhalten, und danach kann der nächste, der dritte, der vierte Schritt kommen. Über diese möchte ich noch nicht reden, denn jetzt stehen sich noch zu sehr die hohen Zahlen der täglichen Ansteckungen und die Zahl der Dosen des zugänglichen Impfstoffs gegenüber. Doch so wie die Menge des Impfstoffs zunimmt, wird dies die Zahl der Ansteckungen verändern, wird dies unsere Stimmung verändern, unser Verhältnis zu der gesamten Problematik, und man wird immer rationaler, immer vernünftiger über den jeweils anstehenden nächsten Schritt des Neustarts sprechen können. Ich werde die Öffentlichkeit immer eine Woche vor dem anstehenden nächsten Schritt darüber informieren, welchen nächsten Schritt des Neustarts der Operative Stab beschlossen hat.

In der Zwischenzeit erfolgt auch der Neustart der Wirtschaft, denn Sie sind ja gerade heute Vormittag aus Usbekistan nach Hause zurückgekommen, wo auch wirtschaftliche Verhandlungen geführt worden sind. Sie sagten früher, Sie würden so viele Arbeitsplätze schaffen, wie die Epidemie auflöst oder kaputtmacht. Wenn wir die heutigen Arbeitslosen- bzw. die weiteren wirtschaftlichen Zahlen und Indikatoren betrachten, kann man dann dieses Versprechen einhalten?

Die Tatsachen zeigen, dass im Vergleich zu den Zahlen des Februar im vergangenen Jahr die Zahlen in diesem Februar – diese stehen jetzt zur Verfügung – anzeigen, dass jetzt hunderttausend Menschen weniger arbeiten als vor einem Jahr. Wenn wir also unsere Verpflichtung einhalten wollen, so viele Arbeitsplätze zu schaffen, wie das Virus kaputtgemacht hat, dann müssen mindestens hunderttausend Arbeitsplätze geschaffen werden. Und das wird auch gelingen, ich halte es ein, die Regierung hält es auch ein und verpflichtet sich dazu. Anstelle jedes verlorengegangen Arbeitsplatzes werden wir einen neuen schaffen, ja ich hoffe sogar, dass es nach der Epidemie einen wirtschaftlichen Start geben wird, der mehr Arbeitsplätze schafft, als das Virus uns genommen hat.

Wenn wir schon über die gegen die Impfung gerichtete Kampagne gesprochen haben: Gestern hat ein Analyst in einer Fernsehsendung gesagt, die Opposition müsste die Trauernden besser nutzen, denn nach seinen Berechnungen sind das etwa zweihunderttausend Menschen, die potentielle Wähler sein können. Was kann man denn hierauf nur sagen?

Die Linke war schon bisher auf brutale Weise gegen die Impfung aufgetreten, sie ist auch jetzt gegen sie, doch hoffe ich darauf, dass auch sie nur Menschen sind, eine Mutter hat auch sie geboren, sie haben ein Herz, und meiner Ansicht nach lässt man solche Meinungen nicht einmal auf der linken Seite zur Geltung kommen.

Sie empfangen am Donnerstag in Budapest Matteo Salvini und Mateusz Morawiecki. Bisher haben wir ja eher über die Epidemie gesprochen, doch geht das Leben weiter, wie dies das auch zeigt. Salvini sagte noch letzte Woche in mehreren Interviews, die Zeit dafür sei noch nicht gekommen, die Zeit dafür – gemeint war ein Treffen – wird noch kommen. Warum ist trotzdem dieses Treffen morgen wichtig und notwendig geworden?

In Europa ist dadurch eine klare Situation entstanden, dass die Verbindung zwischen dem Fidesz und der Europäischen Volkspartei aufgelöst worden ist. Man kann es jetzt schon deutlich sehen, dass es sehr viele Wähler, solche Menschen in Europa gibt, die über keine Vertretung, über keine eine entsprechende Kraft besitzende Vertretung in der europäischen Politik verfügen. Wir sind viele, die wir keine Migration wollen, für die aber die traditionelle Familie wichtig ist, wir wollen keinen Multikulturalismus, wir wollen unsere Nation schützen, wir wollen unsere nationale Identität erhalten, wir wollen nicht in einem europäischen Imperium mit der Zentrale in Brüssel leben, sondern wir möchten unser Leben in den gewohnten, nationalen Rahmen führen. Wir sind also viele, viele zehn oder vielleicht hundert Millionen in Europa, die so denken, und diese Parteien, diese Wähler besitzen heute keine oder höchstens eine fragmentierte Vertretung. Dem versuchen wir morgen Abhilfe zu schaffen, wenn der polnische Ministerpräsident und auch der – so hoffe ich – zukünftige italienische Ministerpräsident hier sein werden, und wir eine Plattform, eine Organisierung, einen Prozess starten, als dessen Ergebnis die an die traditionellen europäischen Werte glaubenden Bürger eine Vertretung mit entsprechendem Gewicht in Europa haben werden.

Und wenn wir am Ende noch ein bisschen auf die Epidemie zurückkommen – jetzt wagen vielleicht viele Menschen auch schon in die entferntere Zukunft zu blicken, und sie fragen, was für einen Sommer wir haben werden, wie dieses Öffnen wohl gelingen wird, wann wir wohl unser altes Leben werden zurückbekommen können? Und wir sind ja vor Ostern und die christliche Welt feiert die Auferstehung. Was kann uns in dieser schwierigen Situation Hoffnung verleihen?

Die Auferstehung ist der Sieg, und wir stehen jetzt im Tor eines Sieges. Ich glaube, wir werden noch zwei-drei schwierige Wochen haben, aber danach werden die zweifelnden, unsicheren Stimmen immer weiter verstummen, und wir werden immer mehr Energien für den tatsächlichen Neustart des Landes aufwenden, und unser Sommer wird schön, sonnig und fröhlich sein. Doch jetzt ist unser Herz noch eher bei denen, die ihre Angehörigen, Arbeitskollegen, irgendeinen ihrer Lieben verloren haben. Wir beten für sie, und wir wünschen den Familien viel Kraft, die einen Verlust erlitten haben. Und dabei bereiten wir uns darauf vor, unsere Gemeinschaften neu startend unser heiteres, glückliches und hoffnungsvolles Leben zurückzuerhalten, und glauben Sie es mir, dies ist nur noch eine Armeslänge von uns entfernt. Und ich sehe die Angaben, ich sehe die Zahlen, ich sehe die Fähigkeit des Landes, die Ärzte, die Krankenhäuser. Glauben Sie mir, wir machen noch zwei-drei Schritte, und am Ende werden wir siegen, und wir erhalten unser altes Leben zurück. es wird nicht sofort so sein, wie es war, als das Virus es uns weggenommen hat, aber wir werden dorthin zurückfinden, zu dem Zeitraum, der tatsächlich voller Optimismus war, als die Epidemie unser Leben unterbrach. Erinnern wir uns nur, mit welch hoffnungsfrohen Plänen wir uns, sagen wir im Februar 2020, als die Epidemie noch nicht am Horizont erschienen war, uns auf das vor uns stehende Jahr vorbereiteten, ganz gleich ob es sich dabei um die Wirtschaft, die demografischen Zahlen, die Daten bezüglich der Familien handelte. Aus allem, aus allen Daten, Informationen strömte der Optimismus, die Lebenskraft. Hierher müssen wir zurückkehren, wenn auch nicht in einem einzigen Schritt, aber nach meiner Überzeugung mit Sicherheit bis zum Ende des Sommers.

Vielen Dank!