Ministerpräsident Viktor Orbán sprach bereits vor den Spielen darüber, er werde nachts aufstehen, um den Wettbewerben zusehen zu können, und seine Bindung an den Sport ist bekannt. Nachdem das Ungarische Olympische Komitee und die meisten Leiter der einzelnen Sportarten sich bereits zum Abschneiden der ungarischen Sportler bei der Olympiade geäußert haben, fragten wir auch den Regierungschef, wie er die Olympiade von Tokio, die Ergebnisse der Ungarn bewertet, was er im Vergleich dazu bekommen hat, was er erwartet hatte.
„Der Ministerpräsident soll nicht bewerten,“ sagte Viktor Orbán der Zeitung Nemzeti Sport, „denn das ist nicht seine Sache, das ist die Aufgabe der Fachverbände der einzelnen Sportarten und die des Olympischen Komitees. Aber der Ministerpräsident ist auch ein Ungar, und jeder Ungar bewertet. Der Taxichauffeur, der Friseur, der Atomwissenschaftler und auch der Ministerpräsident. Ein ungarischer Mensch kann es sich niemals erlauben, keine Meinung über das Auftreten bei der Olympiade zu haben. Auch ich habe eine. Als kleines Kind habe ich die Olympiade auf dem Schoß meines Großvaters sitzend mal über das Radio und ein anderes Mal vor dem Fernsehgerät verfolgt. Mein Großvater hat mich so erzogen, dass es nichts Wichtigeres geben kann als die im Nationaldress die Arena betretenden Sportler. Das muss man sich ansehen, man muss sie kennen, denn sie sind wir. Auf diese Weise verfolge ich seit meiner Kindheit die Welt des internationalen Sports, innerhalb dieser auch besonders die ungarische. Ich habe beobachtet, dass es auf der Olympiade wenige Überraschungen bei den Goldmedaillen gibt. Die Olympiade gewinnen im Allgemeinen jene, die bereits auf der höchsten Stufe der Meisterschaft stehen. Und ich stelle vor jeder Olympiade eine Schätzung an, wie viele Chancen es gibt, in deren Fall wir nicht einfach nur gewinnen können, sondern wir jene sind, die gewinnen müssen. Und das habe ich jetzt mit dreizehn-vierzehn veranschlagt. Und ich habe auch beobachtet, dass im Allgemeinen davon die Hälfte sich bewahrheitet: Von dem, was wir gewinnen müssten, gewinnen wir auch die Hälfte.”
György Szöllősi: Im Großen und Ganzen ist dies auch geschehen, aber an welche Disziplinen haben Sie gedacht, die zu gewinnen wären, die hätten gewonnen werden müssen?
Ich habe an drei Goldmedaillen von den Fechtern gedacht, dass wir im Säbelfechten, im Säbeleinzel und beim Degenfechten gewinnen werden. Im Schwimmen habe ich zwei vorhergesagt, die eine für Kristóf Milák und die andere für Katinka Hosszú, die diesen Ausfall von vielen Monaten aufgrund der Eigenheiten ihrer Trainingsarbeit nicht nachholen konnte.
Danach haben Sie sich spektakulär auf ihre Seite gestellt. Warum?
Weil wer einmal Meister war, der wird auch immer Meister sein. Es hebe der seine Hand, zu dessen Ehren man bereits auf einem weltweiten Wettbewerb die ungarische Nationalhymne gespielt, die ungarische Flagge gehisst hat! Es sind nicht viele ihrer, und sie verdienen jeden Respekt.
In Ordnung, das sind bisher fünf Goldmedaillen. Setzen wir fort!
Ich habe vier Goldmedaillen für den Bereich Kajak-Kanu vorausgesagt, da ich dachte, drei würden die Mädchen holen und noch eine Bálint Kopasz. Der Sieg von Sándor Tótka war eine Überraschung für mich. Auch im Segeln dachte ich, dass wir die besten wären, dass Zsombor Berecz der beste sei. Und im Schießen nahm ich an, wir hätten die Chance auf zwei Goldmedaillen, auch die internationale Presse hatte dies geschrieben, und ich habe auch mit einer Goldmedaille im Ringen gerechnet. Hingegen sind Polo und Fünfkampf auf Grund der Natur der Sache – obwohl sie sehr viel Arbeit bedeuten – so unsicher, wie im ungarischen Sprichwort „das Abendessen des Hundes“.
Nun ja, den Großteil dieser Chancen haben unsere Sportler auch in Medaillen verwandelt, indem sie den Ungarn unvergessliche Erlebnisse bereiteten. Dabei hatten wir lange Zeit auch Sorge, ob es überhaupt eine Olympiade geben würde, ja selbst in Japan gab es viele Stimmen, die sagten, dies sei jetzt nicht das wichtigste. Ist die Olympiade für die Menschheit und das Ungarntum wichtig, und wenn ja, dann warum?
Wenn es keinen Krieg gibt, wollen die Nationen auch dann ihr Talent, ihre Kräfte messen, diese Versuchung verlässt die Menschheit nie. Die großartige, friedliche, jedoch ähnlich unerbittliche Form dessen ist die Olympiade. Die Wissenschaft, der Sport und die Kultur sind jene Sphären, in denen sich in Friedenszeiten die Instinkte der Nationen zum Wettkampf äußern. In jeder Nation gibt es eine Überzeugung, selbst irgendetwas Singuläres zu vertreten, sonst niemand anderes, und was sich am spektakulärsten in den Meistern, den Siegern manifestiert. Wodurch jemand Ungar, Rumäne, Amerikaner oder eben ein Deutscher ist. Und die Olympiade ist gerade aus dem Grund besonders wichtig, denn dies ist der einzige Wettbewerb, dem die Sportler, die Meister der Welt die Zyklen ihres Lebens und ihrer Laufbahn anpassen. Hier bieten sie die meisten Energien auf, hierauf ist das größte Interesse gerichtet, hier möchte ein jeder der Beste sein. Deshalb ist die Olympiade das besondere Feld für den friedlichen Wettbewerb zwischen den Nationen. Es gibt Länder, die dies zugeben, und es gibt jene, die dies weniger tun. Im Fall Ungarns ist die Olympiade eine Tradition, die nicht in Frage gestellt werden kann. Denn was kann denn ein Land mit einer Bevölkerung von zehn Millionen Menschen der Menschheit hinzufügen? In der Wirtschaft sind unsere Möglichkeiten beschränkt, jedoch hinsichtlich des Talents liegt die Grenze irgendwo in den Sternen, nicht die Vielzahl, sondern die Qualität zählt, und die Wettbewerbsfähigkeit, die Entschlossenheit, der Mut. Die ungarische ist eine der wettbewerbsfähigsten Nationen der Welt. Das ist auch in der Wirtschaft und in der Wissenschaft so, doch am spektakulärsten zeigt dies sich im Sport, und innerhalb dessen auch am deutlichsten auf der Olympiade. Die ungarische Wettbewerbsfähigkeit und die Olympiade sind in den Köpfen der ungarischen Menschen nahe beieinander. Ich sage nicht, es sei ein vollkommen genauer Maßstab, aber unser Abschneiden auf einer Olympiade verrät auch immer etwas darüber, in welchem Zustand sich unsere Heimat gerade befindet.
Und welchen Zustand zeigen die sechs Goldmedaillen von Tokio an? Es bietet sich an, zu bemerken, diese sind genau das Doppelte, sagen wir, der drei Medaillen von Peking. Doch haben wir in der Zahl der Medaillen Sydney, Athen, London und auch Rio übertroffen.
In Peking hatten wir drei Sieger, hatten wir drei Helden, und jetzt sind es doppelt so viele. Aber was wirklich interessant ist, ist der Umstand, dass in Rio die Frauen brilliert haben, von den acht Goldmedaillen haben die Frauen sieben und die Männer eine gewonnen. Und jetzt haben die Männer – bis auf eine einzige Ausnahme – alle Goldmedaillen errungen. Wenn es einmal gelingen sollte, die beiden in Einklang miteinander zu bringen, dann könnten wir auch ein Ergebnis dem ähnlich von Helsinki aufzeigen. Diese Doppelheit des ungarischen Sports verspüre ich auch jetzt. Letztens war ich schon verbittert, dass es den Männern nicht gelungen war. Die Welt der Männer ist in der modernen Zeit so vielen Herausforderungen ausgesetzt, die männlichen Tugenden werden nicht geschätzt, der Respekt für das Physische, für die Verantwortung sowie die Sorge für die Familie notwendige seelische und physische Kraft ist so gut wie von der Welt verschwunden. Und der Mann wird dadurch angetrieben, auch seine sportlichen Leistungen entspringen hieraus. Aber wenn sich jemand die ungarischen Männer betrachtet, die in Tokio eine Goldmedaille errungen haben, so sind sie nicht nur Meister, sondern auch Männeridole. Sportler, auf die verweisend wir unseren Enkeln sagen können: „Siehst du, so sieht ein Mann aus. So sieht seine Physis aus, so kämpft er, so liebt er seine Familie, und so investiert er, wenn es sein muss, zehn Jahre seines Lebens für ein Ziel. Die Ungarn, die jetzt gewonnen haben, haben der Heimat einen großen Dienst erwiesen, und mit ihrer Hilfe können wir vielleicht das Männerideal in das ungarische Leben zurückbringen. Das Frauenideal war schon immer stark, auf die ungarischen Damen konnte man, wenn es Probleme gab, immer zählen, angefangen von den Frauen bei der Verteidigung der Burg von Erlau gegen die Türken im 16. Jahrhundert bis zu unseren Olympiasiegerinnen, da gab es nie etwas Falsches.
Mehrere der Medaillenträger sind Offiziere der Armee.
Ich bin mir sicher, dass die Reorganisierung der Armee, die Einführung des täglichen Sports in der Schule und der Umstand, dass unsere männlichen Sportler erneut dich höchste Stufe des Siegerpodestes erklommen haben, und dass wir erneut Vorbilder unter den Fußballern haben, das alles wird so zusammen Ungarn gut tun. All das ist eine große Hilfe bei der Erziehung der Kinder.
Ist es nicht vereinfachend, auf den gegenwärtigen Zustand des Landes aufgrund der Ergebnisse zu schließen, dabei das, was ihnen vorausging, und viele andere Umstände zu vergessen? Und warum scheinen bei uns häufig nur die Goldmedaillen zu zählen, was wiederum als eine kränkende Vereinfachung erscheinen mag?
Zu einem Sporterfolg ist vieles notwendig, zum Beispiel Glück, aber ohne vorausgehende Ereignisse und Entwicklungen kann man nicht den Titel eines Olympiasiegers erringen. In den ungarischen Erfolgen stecken nicht nur die vergangenen wenigen Jahre oder Jahrzehnte, die Vorbereitung des jeweiligen Sportlers, sein früheres Verhalten und der momentane Zustand des Landes, sondern unzweifelhaft auch die vergangenen hundert Jahre. Wir betrachten unsere Champions, unsere Goldmedaillenträger immer als eine gesonderte Kategorie. Das ist nicht unbegründet. Denn ein vierter, ein fünfter Platz, eine Bronzemedaille, eine Silbermedaille stellen eine fantastische Leistung dar, und sie zeigen, dass der, der das erreicht hat, zu den besten der Welt gehört. Davor muss man den Hut ziehen und das ist auch erhebend, aber der erste Platz ist eine besondere Kategorie. Das ungarische Denken nimmt das sehr genau wahr. Es ist eine Sache, unter den besten zu sein, aber unter den Besten der Beste zu sein, das ist eine andere Sache. Deshalb besitzen die Goldmedaillen in Ungarn eine Mythologie. Und wenn wir uns unsere Olympiameister ansehen, so waren sie alle fantastische Persönlichkeiten, ganz zurück bis Alfréd Hajós. Einer der größten Mängel des derzeitigen Zeitraumes ist, dass wir noch immer nicht das Museum unserer olympischen Helden errichtet haben, in dem wir nicht Gegenstände zeigen, sondern Menschen, ihre Lebenswege in Erinnerung rufen. Wir besitzen fantastische Persönlichkeiten, jeder unserer Champions ist für sich genommen ein Heldengedicht. Dies ist eine große Schuld, wir arbeiten daran, dies in der kommenden Legislaturperiode zu verwirklichen, wenn das der liebe Gott und auch die Wähler wollen.
Was ist die Bedeutung dessen, in welchen Sportarten wir erfolgreich sind?
Außer der Zahl der Goldmedaillen ist auch die „Breite“ unserer Ergebnisse auf der Olympiade wichtig. Der ungarische Sport ist dadurch besonders, dass er ein breites Spektrum besitzt. Wir haben drei klassische Sportarten, in denen wir immer etwas nach Hause bringen, das Schwimmen, das Fechten sowie Kajak- und Kanufahren, zuletzt in Rio haben wir nur in diesen Sportarten gesiegt. Jetzt ist das Ringen an ihre Seite zurückgekehrt, was eine fantastische Sache ist, wir warten auf die Wiederauferstehung des Turnens und wissen nicht genau, an welchem Punkt unsere Boxer sind. In diesen Sportarten besaßen wir immer Wissen, Traditionen, Werkstätten, dazu hatten wir Talent. Wir verfügen über noch eine traditionelle Sportart, in der ich mit einem Erfolg gerechnet habe, aber seit Diána Igaly gelingt es uns nicht, zurückzuklettern. Das ist das Schießen, aus dem wir manchmal für die Zeit von drei-vier Olympiaden verschwinden. Es ist auch ein Rätsel für mich, warum wir im Bogenschießen nicht unter den Guten dabei sind – mit dem Legendar, das das Verhältnis der Ungarn und des Bogens charakterisiert. Das ungarische Sportleben ist also breit, denn es baut sich grundlegend auf Werkstätten auf. Aus unseren weltberühmten Sportlern werden Trainer und sie betreiben dann diese Werkstätten, die Tradierung erfolgt kontinuierlich.
Diese breiter werdende Basis zeigt an, dass wir in Tokio Medaillen in neun, Punkte in zwölf Sportarten errungen haben. Wir waren erfolgreich in neuen oder bei uns lange Zeit in den Hintergrund gedrängten Sportarten. Segeln, Triathlon, Mountainbike, Karate…
Es ist natürlich wichtig, dass wir nicht nur in unseren traditionellen Sportarten aufschließen, obwohl es stimmt, das Segeln ist keine unserer neuen erfolgreichen Sportarten, ich bin schon so alt, dass ich mich zum Beispiel an die olympische Medaille der Brüder Detre erinnere, aber Zsombor Berecz hat dies jetzt auch überflügelt. Meiner Ansicht nach ist auch das Radfahren eine Sportart, in der wir eine Zukunft besitzen, Kata Blanka Vas ist eine fantastische Frau, die im Alter von 19 Jahren, hinter drei Schweizerinnen die vierte geworden ist, was das bisher beste ungarische Ergebnis aller Zeiten in dieser Sportart ist. Dieser vierte Platz ist besonders wertvoll. Der alte Ruhm ist wichtig, aber wir müssen auch für das Neue offen sein, denn offensichtlich verfügen wir auch darin über Talent, über immer weitere Sportarten stellt es sich heraus, dass die Ungarn gut in ihnen sind.
Viele Stimmen bringen häufig zur Sprache, wann angesichts des vielen Geldes, das in den ungarischen Sport fließt, ein Einfordern der Ergebnisse zu erwarten sei. Zuletzt hatten Sie Nemzeti Sport gegenüber gesagt, nach der Olympiade sei der Zeitpunkt dafür richtig. Dann ist also die Zeit dafür gekommen?
Wie verläuft die Unterstützung des Sports in Ungarn? Die erste Ebene ist der schulische Sportunterricht, der Amateursport, die tägliche Bewegung. Dazu gehört, dass das Land vollkommen begehbar sein sollte, wir müssen unsere Wanderrouten, unsere Seen in Ordnung bringen, wir müssen Fahrradwege bauen, und wir müssen in jedem Kreis eine öffentlich für alle zugängliche Sporthalle, Schwimmbäder errichten – nicht nur für den Leistungssport, sondern für alle. Das ist der erste Schritt, der für die Bewegung notwendig ist, denn der Ungar bewegt sich ja nur schwer. Die Ungarn arbeiten sehr viel, deshalb folgt nach der Arbeit bei vielen von ihnen nicht der Sport, sondern das Ausruhen. Damit nach den über den europäischen Durchschnitt hinausgehenden Arbeitsstunden die Menschen noch Lust haben, sich zu bewegen, müssen Bedingungen geschaffen werden, damit sie nicht auch noch mit den Elementen zu kämpfen haben, weil die Wanderrouten nicht in Ordnung sind oder man nicht zu den Seen gelangen kann oder die Kinder in der Schule die grundlegenden Elemente der Bewegung nicht gelernt haben und ihnen der Sport fremdgeblieben ist. Nachdem man uns unsere natürlichen Ressourcen nach dem Ersten Weltkrieg weggenommen hat, ist in diesem Land alles, was uns gehört, aus Arbeit entstanden. Es reicht nicht aus, einfach in den Boden hineinzubohren, große Berge ergießen die Erze und Holz für die Gebäude nicht über uns, und so weiter. Hier muss man alles aus Arbeit erschaffen, deshalb müssen wir dafür sehr viel arbeiten. Deshalb muss man helfen, damit die Sportmöglichkeiten leicht zugänglich sein sollen, damit der Sport nicht nur eine Frage der individuellen Entschlossenheit ist, sondern für die Familien eine natürliche Form, um Zeit zu verbringen. Damit die Familie sich aufmachen kann, um Rad zu fahren, zu Zelten, eine Tour zu machen.
Die wichtige Frage des Resümierens, der Bewertung nicht vergessend, erlauben Sie mir einen Einwurf: Sie haben den Schul- und den universitären Sport nicht erwähnt, der ebenfalls ein wichtiger Teil des Sports der Amateure ist.
Nachdem wir das universitäre System im Ganzen erneuert haben, wird es eine Voraussetzung für die Unterstützung des akademischen Unterrichts sein, dass es auch an den Universitäten Sport geben soll, und wir geben dann Geld, wenn sie in gewissen klassischen Sportarten wie Basketball, Volleyball, Rudern, Fünfkampf in der Universitätsmeisterschaft Mannschaften an den Start schicken. Auf diese Weise holen wir also die Universitäten zurück auch in die Welt des Amateur- und des Leistungssports.
In den die Regierung unerhört viel Geld investiert hat, seit sie 2010 den Sport erneut zu einem strategischen Zweig erklärt hat.
Ja, die zweite Ebene der Sportentwicklung in Ungarn ist die Erziehung des Nachwuchses. Hier erscheint schon die Möglichkeit des Profisports vor den Jugendlichen, deshalb entwickeln wir diesen Bereich mit Hilfe von langfristigen Verträgen, die wir mit den Fachverbänden der einzelnen Sportarten abgeschlossen haben. Die Fachverbände sagen, was sie auf sich nehmen. Jetzt geht ein Abschnitt zu Ende, früher hatten wir eine Vereinbarung für zwei Olympiaden getroffen, diese hat sich wegen der Pandemie bzw. der Verlegung der Olympiade um ein Jahr verlängert, und die Fachverbände der einzelnen Sportarten reichen jetzt ihre Berichte ein, deren Kontrolle bald beginnen wird. Die fachliche und finanzielle Kontrolle, über die die Regierung im Januar-Februar des kommenden Jahres einen vollständigen Bericht erhalten wird, wird die Grundlage für jene langfristige Vereinbarung bilden, deren Dauer unseren Plänen nach 3+4+4 Jahre betragen wird, denn die nächste Olympiade wird in drei Jahren veranstaltet. Wir möchten mit jedem Fachverband noch vor den Wahlen eine Vereinbarung über die Entwicklung der Sportart abschließen. Die Fachverbände der einzelnen Sportarten sind gute Partner, doch muss man hier der Situation ehrlich ins Auge blicken, es sind acht-neun Jahre vergangen, sie haben sehr viele Möglichkeiten und Geld erhalten, jetzt muss ein jeder die fachliche und finanzielle Bilanz darüber anfertigen, wie er mit dieser Möglichkeit umgegangen ist. Bericht, Abrechnung und danach die neue langfristige Vereinbarung, das folgt jetzt in allen Sportarten.
Was glauben Sie: Wird die traditionelle Rolle und Kraft des Sports auch in den kommenden Jahrzehnten erhalten bleiben?
Wir leben in einer Welt, in der die Tradition, der Respekt für die bewährten Dinge schwächer wird. Dies zeigt die Welt des Internets, des Globalismus, der kontinuierlich die Nationen in den Hintergrund zu drängen versucht, und dessen Zeichen wir auch im Sport sehen können. Da ist dieser ganze LGBTQ-Wahnsinn, die Frage der biologischen Geschlechter, die Unisexwelt und so weiter. Alles wird fragwürdig gemacht, was die Welt über zweitausend Jahre hinweg bis hierher gebracht hat. Die Versuchung ist kontinuierlich, dass irgendeine schöne neue Welt kommen wird, die sich radikal von dem unterscheidet, in der wir bisher gelebt haben. Und das erreicht auch unsere Kinder. Und der Sport ist immer noch das Ideal der Verteidigung der alten, viele tausend Jahre alten, bewährten Dinge.
Sofern er das bleiben kann.
Wir hoffen das. Auf der Olympiade müssen wir ja doch unsere Kräfte messen, man muss ehrlich am Wettstreit teilnehmen, irgendjemand wird der Champion sein. Der Wettbewerb ist keine schlechte, sondern eine gute Sache, es gibt Wettbewerbe für Männer und Frauen, der Erfolg ist auch der Erfolg der Gemeinschaft, den der Champion vertritt, nicht nur ein individueller Triumph, und es werden immer nationale Flaggen gehisst, es gibt keine globale Fahne.
Aber es gibt die Fahne und die Hymne des IOC statt der russischen und für die geflüchteten Sportler, und nach Ansicht des belgischen EU-Politikers Guy Verhofstadt müsste man auf das Dress der europäischen Sportler auch das Wappen der EU aufnähen.
Das sind flügellahme Versuche. Man kann die Nationen nicht ablösen. Die Olympiade und der Sport helfen auch viel dabei, dass wir für unsere Kinder das hinüberretten können, was sich bewährt hat und einen Wert darstellt.
Trotzdem, im vergangenen Jahr ist selbst die Olympiade ausgefallen, wofür es in den vergangenen hundert Jahren nur in den Zeiten der Weltkriege Beispiele gab. Ist also auch einer der als stabilsten angesehenen Pfeiler unserer Kultur erschüttert worden?
Darin stimmen alle überein, dass für die Menschheit unheilschwangere Zeiten kommen, denn da sind die Pandemien, die Migrationswellen, wir sind von dem Klimawandel betroffen und davon, dass auch die führende und die Welt organisierende Position des den Kalten Krieg gewinnenden Westens in Frage gestellt worden, sehr viel Unsicherheit in der Welt entstanden ist. Es kommen gefährliche Zeiten, man muss bei Trost sein.
Obwohl es schließlich doch zur Olympiade gekommen ist, erinnerten doch daran auch die leeren Tribünen der Anlagen in Tokio, im Gegensatz zu den mehr als fünfzig tausend Zuschauern des Formel-1 Großen Preises von Ungarn oder den ausverkauften Spielen der Fußball-EM im Juni in Budapest.
Ich fühle mit den Japanern, denn es muss für eine Nation schmerzhaft sein, wenn sie – nachdem sie sich über ein Jahrzehnt darauf vorbereitet hat, die schönste, die erhebendste Olympiade aller Zeiten zu veranstalten – schließlich eine Krisenolympiade managen muss. Offensichtlich ist auch, dass wenn wir die Olympiade hätten veranstalten dürfen, dann wäre sie ebenso abgelaufen wie die Europameisterschaft, mit ausverkauften Stadien, offen, ohne Sorgen. Denn im Umgang mit der Epidemie ist Ungarn sicherlich eines der Länder auf dem Siegerpodest, auch wenn in dieser Disziplin keine Medaillen vergeben werden. Da wir über genügend Impfstoff verfügen und einen jeden impfen können, ist es auch die eigene Verantwortung eines jeden, für seine eigene Sicherheit zu sorgen. Und die Ungarn haben es akzeptiert, dass die geimpften Menschen zum normalen Leben zurückkehren dürfen sollen und sie dabei nicht durch jene behindert werden können, die sich nicht haben impfen lassen. Deshalb sind wir in der Lage, unsere Sportveranstaltungen für jene, die geschützt sind, also für gut zwei Drittel der Bevölkerung zugänglich zu machen.
Dieser Tage stellte es sich aber heraus, dass wir jetzt auch für 2032 auf keine Olympiade in Budapest hoffen können, denn dann wird das australische Brisbane der Gastgeber sein. Ist die Möglichkeit endgültig entwischt?
Eine Olympiade kann man nur in nationaler Einheit organisieren. Ungarn hatte eine historische Chance, als es das Recht zur Austragung der Olympiade hätte erhalten können, doch haben wir die hierzu notwendige nationale Einheit nicht zeigen können. Dafür gibt es natürlich auch politische Gründe, denn es gab Kräfte, die sich daraus einen politischen Nutzen versprachen, wenn sie „Nein“ sagen und sehr viele Menschen „Nein“ zur Olympiade sagen lassen. Doch ist die Wahrheit, dass die Möglichkeit etwas früh gekommen war, denn die Nation war in der Überzeugung nicht einheitlich, dass Ungarn ein Land sei, das in der Lage wäre, die Olympiade auf die Weise zu veranstalten, ohne sich selbst wirtschaftlich zu belasten, und aus der Olympiade einen gewaltigen Nutzen zu ziehen. Seitdem sind vier Jahre vergangen und jetzt liegt die Zahl der Ungarn viel höher, die sehen, dass die Entwicklung der Hotels, der Straßen, die für die Olympiade notwendig sind, auch unabhängig von der Olympiade durchgeführt worden sind. Wir mussten nicht wegen der Olympiade mit den Investitionen beginnen, unsere Entwicklung hat dies unabhängig von der Olympiade gefordert, weshalb wir heute schon viel mehr für eine Olympiade zur Verfügung stünden. 2017 hätten wir eine große Chance zur Austragung gehabt, heute haben wir keine Chance zu gewinnen, dabei stehen wir 2021 in viel größerem Maße bereit als wir 2017 dazu bereit waren. Dieser Zug ist jetzt abgefahren – vorerst. Doch ist die Veranstaltung der Olympiade für einen Ungarn ein ewiger Traum. Eine Liebe, die nie zu Ende geht. Die notwendigen Fähigkeiten, die Liebe zum Sport, die Bedeutung des Sports, das Nationalgefühl, die Wirtschaftskraft, die Kultur sind alle vorhanden, und sie bleiben es auch. Deshalb wird es, obwohl es sein kann, dass wir das nicht mehr erleben, aber es wird eine ungarische Olympiade geben. Man konnte uns jetzt aus kleinlichen Gründen, um daraus einen politischen Nutzen zu ziehen, die Veranstaltung der Olympiade aus der Hand nehmen, doch kann man den Ungarn diesen Traum nicht nehmen. Wir sind jedes Jahr stärker, wir sind jedes Jahr vorbereiteter, jedes Jahr sieht das Land besser aus, jedes Jahr ist es offensichtlicher, dass Ungarn würdig ist, eine Olympiade zu veranstalten.