Sehr verehrter Herr Präsident! Herr Ministerpräsident! Liebe polnischen Freunde!
Bevor ich mit der offiziellen Laudatio beginnen würde, möchte ich drei persönliche Anmerkungen machen. Es gibt viele Salons in der europäischen Politik, in denen wir so zusammenkommen können, wie wir jetzt auch hier zusammengekommen sind. Aber es gibt keinen zweiten Salon in Europa, in dem man die Freundschaft derart deutlich mit den Händen greifen könnte, als wenn sich Polen und Ungarn in einem Salon befinden. Die überströmende Form der Liebe, mit der Polen und Ungarn einen Raum füllen können, kennt man heute in Europa andernorts nicht. Dies lässt uns Hoffen, dass der Heilige Geist auch in der Politik wirkt. Die zweite Bemerkung ist militärischer Natur. Mit dem Sohn des Herrn Präsidenten kommen wir jetzt gerade von einer militärischen Übung, und ich erinnerte mich an meine Jahre beim Militär, und ich erinnere mich noch genau, im Dezember 1981 sind wir als einfache Soldaten in den Bereitschaftsbereich kommandiert worden, wo Waffen mit scharfer Munition verteilt wurden und wo wir anderthalb Tage warteten, ohne zu wissen, worum es geht. Und als wir in die Kaserne zurückgingen, erfuhren wir, in Polen habe es einen Militärputsch gegeben. Und der Liebe Gott hat uns davon verschont, als ungarische Soldaten nach Polen kommen zu müssen, wie 1968 in die Tschechoslowakei. Meine dritte Bemerkung, sehr geehrter Herr Kornel Morawiecki, lautet, dass man selten einem Lehrstoff gegenübersteht. In dem Studienjahr 1984-85 haben wir über die Geschichte der mitteleuropäischen Widerstandsbewegungen gelernt, im Rahmen eines halboffiziellen Unterrichts, im Fachkollegium, und dort haben wir auch über die Solidarność gelernt. Ich habe dort das erste Mal Ihren Namen lesen dürfen und habe auch dort das erste Mal über die Kämpfende Solidarność gehört. Ich freue mich, jetzt meinem Lehrstoff auch persönlich treffen zu können. Ich fragte damals meinen Dozenten: „Der Widerstand der polnischen Solidarność ist so vielfältig, es gibt viele Strömungen in ihr, welche ist denn jene, die uns am nächsten steht?“ Und da sagte mein Dozent: „Morawiecki, er ist unser Mann.” Hiernach möchte ich auch die offizielle Laudatio vortragen.
Sehr verehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren!
Einige Monate nachdem Panzer die Straßen Polens überflutet hatten, erschien dieses Manifest auf der ersten Seite des Blattes der Kämpfenden Solidarność. Es waren starke und entschiedene Sätze „Wozu der Kampf? Damit wir siegen. Um die schwächsten und jene zu schützen, die unter dem Elend, dem Hunger und dem Gefängnis leiden. Damit wir nicht in Gefangenschaft leben. Damit wir den Traditionen unserer Väter und Großväter treu bleiben. Für Eure und unsere Freiheit. Um der Welt zu zeigen, dass man dem Bösen und der Gewalt widerstehen kann.” Wir schrieben damals 1982, das Ende des Kommunismus war noch gar nicht abzusehen. Die von Ihnen geleitete Kämpfende Solidarność formulierte solche Ziele, wie die Auflösung der Sowjetunion, die Schaffung eines einheitlichen Deutschlands und die Wiederherstellung der Freiheit der mitteleuropäischen Länder. Für solche Sätze zahlte man damals einen schwerwiegenden Preis. Ja, solche Gedanken gab es damals selbst im freien Westen nur in den Köpfen von wenigen. Die Westler waren davon überzeugt, dass die Sowjetunion und der Kommunismus noch lange Jahrzehnte existieren würden. Wer sich damit nicht abfinden wollte, schöpfte Kraft aus Ihrem Kampf. Dank Ihnen und Ihrer Mitstreiter klang es immer in den Ohren, dass man den Kommunismus nicht reparieren, ihn nicht reformieren, ihm kein menschliches Antlitz verleihen kann, und man seine Verbrechen ans Tageslicht bringen muss. Wir, ungarische Jugendliche, beobachteten Sie. Als wir dann später unsere eigene Organisation gründeten, mussten auch wir uns entscheiden, wie radikal wir sein sollen, und wir haben beschlossen, so radikal zu sein, wie Sie und die von Ihnen geleitete Organisation. Denn wer Mauern abbauen will, der muss zuerst bis zur Mauer gehen. Genau so, wie Sie das getan hatten.
Meine Damen und Herren!
Die Kämpfende Solidarność hat immer das gesagt und getan, was notwendig war, und in der Form, damit es jeder verstehen konnte. Ihnen ist es zu verdanken, persönlich auch Ihnen ist es zu verdanken, dass diese Kultur des mutigen Handelns und der reinen Sprache bis auf den heutigen Tag in Polen existiert, und etwas davon auch in Ungarn erhaltengeblieben ist. Wir wissen allzu gut, dass in diesem Teil Europas die Nationen immer auf der Hut sein müssen. Ihr legendärer Marschall hat gesagt: „Besiegt zu sein und sich nicht zu unterwerfen ist ein Sieg, jedoch siegen und sich auf den Lorbeeren ausruhen ist eine Niederlage.” So kämpften die polnischen und die ungarischen Freiheitskämpfer, so kämpfte die Armia Krajowa, und hierin gaben Sie in der Kämpfenden Solidarność uns allen ein Beispiel. Und im Geiste dessen arbeiten wir auch heute.
Sehr verehrter Herr Präsident!
Bei Auszeichnungen geht es im Allgemeinen darum, jene zu ehren, denen wir sie überreichen. Die Situation ist jetzt eine umgekehrte: Jetzt ist es eine Ehre für mich, Ihnen diese Auszeichnung für Ihre Freundschaft mit und Ihren Einsatz für Ungarn überreichen zu dürfen. Im Namen des ungarischen Volkes wünsche ich Ihnen viel Kraft, gute Gesundheit. Der Liebe Gott möge Ihnen ein langes Leben bescheren!