Sehr geehrte feiernde Gemeinde! Liebe Brüder und Schwestern!
Es ist für mich eine große Freude, an diesem besonderen Tag hier mit Ihnen zusammen sein zu dürfen, bei einem Ereignis, für das es in Budapest zuletzt 1943 ein Beispiel gab. Am 31. Oktober wird es 77 Jahre her sein, dass in der Hauptstadt ein neues Gebäude einer reformierten Schule übergeben wurde. Die Kirchenhistoriker werden notieren, dass vor 22 Jahren die Reformierten in Budafok mit großer Entschlossenheit einen Kindergarten eröffnet hatten. Den ersten reformierten Kindergarten im ganzen Land. Sie werden auch niederschreiben, auf welch gutes Erdreich der ausgesäte Samen fiel und auf welch erfreuliche Weise die Saat zu wachsen begann. Den Kindergarten, der mit 72 Kindern gestartet war, besuchen heute schon mehr als 250 Kinder. Aus dem Kindergarten erwuchs mit der Zeit eine reformierte Grundschule mit etwa 600 kleinen Schülern, und aus der Grundschule der Gedanke eines reformierten Gymnasiums. Und dies hat die Richtung der weiteren Schritte auch vorgegeben, damit es auch ein neues Gebäude gibt, das das Gymnasium beherbergt. Es ist also eine Institution entstanden, die die Alma Mater für viele Schüler sein wird, die sie, angefangen mit ihrer Kindheit bis zum Tor ihres Erwachsenseins begleiten wird, und in ihrer Geisteshaltung vielleicht noch weiter als bis zu diesem Punkt.
Von 1998 gerechnet sind das insgesamt 22 Jahre. Sind es aber tatsächlich nur soviel? Die Wurzeln reichen weiter zurück und wenn wir in der Zeit zurückgehen, dann sehen wir die Meilensteine der christlichen Erziehung in Ungarn. Wir sehen 1990, als in Buda das durch die Kommunisten entwendete Baár-Madas Reformierte Gymnasium endlich wieder seine Tore öffnete. Wir sehen das Jahr 1943, als der Großvater unseres Herrn Bischof, István Bogárdi Szabó, das Reformierte Gymnasium und Wohnheim in der Lónyay Straße errichtete, das einige Jahre später die kommunistische Staatsmacht ebenfalls wegnahm, damit es nach dem Systemwechsel, nach einem Hin und Her von zehn Jahren in einem völlig heruntergekommen Zustand zu seinem rechtmäßigen Besitzer zurückkehrte. Wir sehen 1538, als in Debrecen das Reformierte Kollegium seine Tore öffnete und wir sehen auch die mehr als tausend Jahre alte Schule von Pannonhalma, die die erste christliche pädagogische Institution auf ungarischem Boden war. Und wenn wir schon die Wurzeln der jetzt zu übergebenden Schule suchend bei den tausend Jahren angekommen sind, dann sollten wir soviel Mut besitzen, den Ursprung dieser Schule auf die vor zweitausend Jahren ausgesprochene Weisung von Jesus Christus zurückzuführen, der sagte: „Machet alle Völker zu Jüngern!” Ich bin der Ansicht, dass diese fünfhundert, tausend und zweitausend Jahre auch den Platz, den Sinn und das Ziel des kirchlichen Unterrichts in der ungarischen Welt markieren. Eine immer aktuelle Lehre darüber, dass wir nicht nur in unserem eigenen, persönlichen Leben bestehen müssen, sondern auch im Leben unserer Gemeinschaft, unsere Mission an dem Platz erfüllend, an den uns der Wille des Schöpfers gestellt hat.
Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Unsere Generation erhielt drei Aufgaben. Die erste lautet, all das zu retten und zu erneuern, was die Ungarn in den vergangenen tausend Jahren im Karpatenbecken geschaffen haben. Uns fällt die Aufgabe zu, die Kirchen und die Schulen wieder zu errichten, damit es so sei, wie es früher war, damit das Gebäude, der Gedanke, der Glaube, den uns unsere Vorfahren vermacht haben, so schön, so reich und so atemberaubend seien, wie sie es haben wollten. Deshalb wurden und werden unsere mehrere hundert Jahre alten Kirchen, gemeinschaftlichen Räume, Schulen, darunter z.B. auch das Reformierte Gymnasium in der Lónyay Straße neu hergerichtet. Die alten Türme sind wieder aufgebaut, die Verzierungen sind erneuert, die ursprünglichen Besitzer sind in das erneuerte Alte zurückgezogen.
Die zweite Aufgabe, die wir erhalten haben, lautet, dass wir neben dem erneuerten Alten auch das Neue an die Seite stellen sollen; neue Kirchen und Schulen sowie Kindergärten diesseits und jenseits der Staatsgrenzen. So jene starke Verteidigungslinie ausbauend, die dabei hilft, auch die nach uns kommenden Generationen als Christen und Ungarn zu erhalten. Kirche und Staat sind bei dieser Aufgabe Verbündete. Wenn also der Staat Quellen zur Errichtung oder zur Erhaltung einer kirchlichen Institution gibt, dann bringt er das Geld am besten Ort unter. Das Ungarntum erhält ein Vielfaches von jedem einzelnen Forint im Unterricht, in der Erziehung, in der Kultur, bei der Pflege und Unterstützung der Familien, der Schwachen, der Alten, der Kranken oder eben bei der Errichtung der Nation, bei der Unterstützung der ungarischen Gemeinschaften jenseits der Grenze zurück. Auf vielen Gebieten, auf denen die Kirche und der Staat heute Kollegen voneinander sind.
Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Und schließlich besteht die dritte Aufgabe, die wir erhalten haben, darin, die bisher durchgeführte Arbeit zu verteidigen. Obwohl der heutige Tag dem Feiern gehört, gibt es dennoch Fragen, denen wir trotzdem nicht ausweichen dürfen. Immer stärker wird um uns eine Diskussion, manchmal schon ein aufs Blut gehender Kampf geführt, in dem es darum geht, was mit unseren Kindern geschehen soll. Welchen Einflüssen sollen sie ausgesetzt werden? Auf Grund welcher Werte sollen sie ihr Leben einrichten? Wie sollen sie zu ihrer Familie, ihrem Ungarntum, ja sogar zu ihrem eigenen Geschlecht stehen? Deshalb müssen wir im Besitz unserer fünfhundert, tausend und zweitausend Jahre alten Traditionen eine bestimmte Antwort darauf geben, was jenes ist, was wir den nach uns kommenden Generationen übergeben wollen, jenen, die diese Schule besuchen und ihren Nachkommen. Zwischen welchen Wänden, in welchen Räumen und unter welchen Werken sollen sie lernen, damit auch sie die Arbeit ihrer Vorfahren hochschätzen? Wer soll sie und wozu erziehen, damit jener Fluss nicht vertrocknet, jene Tradition nicht abreißt, die uns mit den Ungarn von tausend Jahren verbindet, damit sie verstehen, dass auch sie die für sie bemessene Zeit zu diesen tausend Jahren hinzufügen müssen, damit auch die kommenden tausend Jahre sich nicht ohne sie ereignen können? Damit, wenn die Zeit dafür gekommen ist, auch die nach uns kommenden Generationen auf jene Frage die richtige Antwort geben können, die ich einst von Herrn Professor Nemeskürty gehört habe: „Wer sind Sie und warum?” Wenn wir die Antwort auf diese einfache Frage wissen, dann kann uns in unserem Leben kein größeres Problem mehr zustoßen. Und wir wünschen uns, dass es auch im Leben unserer Kinder und Enkel keine Probleme geben soll. Und diese Schule ist einer der geeignetsten Orte, um unseren Zöglingen beizubringen, wer sie sind, und wer wir, Ungarn, sind. Und sie soll ihnen auch eine Antwort auf die Frage nach dem Warum geben. Warum, also was ist ihre Aufgabe, was ist ihre Mission im Leben? In der ungarischen Sprache fragt das „Warum” nicht nur nach den Gründen für unsere Existenz, sondern auch nach ihren Zielen; danach, wozu sie hierher, in diese ungarische Welt, in dieses Jahrhundert, in diese Kultur und in diesen Glauben hineingeboren worden sind. Wir haben die christliche Freiheit erhalten, damit wir – um den Begriff von Onkel Bandi Gyökössy zu entlehnen – wir sie zu einem „homo christianus” erziehen: für ihren Glauben, ihre Familie, für ihre Nation und für ihre Mitmenschen engagierten Menschen.
Im Lichte all dessen wünsche ich mir, dass dieses reformierte Gymnasium ein gesegneter Ort sei, an dem im Zeichen dieser Freiheit über Jahrhunderte gelebt und unterrichtet wird. Wir danken noch einmal für die Arbeit all jener, die die Pläne bis zu ihrer Verwirklichung begleitet haben, die diesen weiteren Garten Gottes gepflanzt, ihn gegossen, ihn gepflegt haben und heute gemeinsam mit uns feiern. Besonders für den aufopferungsvollen Dienst des früheren Seelenhirten der Gemeinde und Schulgründers, der – deutlich sichtbar – nicht nur in die Mauern Eingang gefunden hat, sondern auch in die Seelen.
Soli Deo gloria!