Katalin Nagy: Auch die postalisch abgegebenen Stimmen bei der Wahl zum Europäischen Parlament sind in Ungarn zusammengezählt worden. Bald wird das ungarische Endergebnis rechtskräftig. Ich begrüße im Studio Ministerpräsident Viktor Orbán. Bevor wir das Wahlergebnis bewerten würden: Was sagen Sie dazu, dass es seit 75 Jahren kein so schweres Schiffsunglück auf der Donau gegeben hat wie jenes, das sich Mittwochabend ereignet hat?
So etwas erschüttert einen. Es ist ja ein Unfall geschehen, bei dem die Mitfahrenden beinahe keine Chance zum Überleben besaßen, das sehe ich in den Berichten. Ich möchte also den Familienmitgliedern der Opfer mein Mitgefühl ausdrücken. Ich habe dies auch persönlich getan, da ich mit dem südkoreanischen Präsidenten gesprochen habe. In der Sache habe ich die Behörden um eine sich auf alles erstreckende strenge und gründliche Untersuchung gebeten. Wir wollen genau wissen, was geschehen ist und warum es geschehen ist. Und wenn unser Wissen gesichert sein wird, dann werden wir die Öffentlichkeit über das Ergebnis der Untersuchung informieren.
Wenden wir uns dem Ergebnis der Wahlen zum Europäischen Parlament zu. 52%, in so einem Maß hat der Fidesz noch nie die Wahlen zum Europäischen Parlament gewonnen. Zugleich sagt die Opposition, er habe Stimmen verloren.
Sagen wir lieber: Beinahe 53%, denn wir sind über 52,5 Prozent, wenn wir runden, dann nach oben, und man muss auch das Kleine wertschätzen, selbst dieses halbe Prozent. In der Politik gibt es eine sehr große Auseinandersetzung um das Vertrauen der Menschen. Jede Stimme zählt, die Meinung eines jeden Menschen besitzt ihr Gewicht. Wir sind sehr stolz darauf, dass wir eine derart herausragende Unterstützung erhalten haben. Ich sage immer, wenn jemand eine Europakarte sich betrachtet, dann muss er sehr lange suchen, um ein Land zu finden, in dem die Einheit, die die Menschen bei einer Wahl formen können, auch nur ansatzweise die ungarische erreicht. Dies war noch dazu eine Listenwahl. Es gibt also verschiedene Wahlsysteme, die im Interesse der Regierung die tatsächlichen Verhältnisse verzerren können, in Europa ist beinahe jedes Wahlsystem dieser Art, aber eine reine Listenwahl, die es bei uns nur bei den Wahlen zum Europäischen Parlament gibt, ist ein klares, einfaches, übersichtliches Wahlsystem. Dort mehr als fünfzig Prozent zu erhalten, ist beinahe ein Wunder. Es war auch meine stille Hoffnung, dass uns mehr als jeder zweite Mensch sein Vertrauen zu den europäischen Auseinandersetzungen aussprechen wird. Und dieses Vertrauen haben wir auch erhalten. Wir sind dankbar dafür, und wir versprechen, es gut zu benutzen.
Reicht dieses gute Abschneiden aus, damit man das durchsetzen kann, was die ungarische Regierung möchte, womit sie die Wähler beauftragt haben? Ich denke daran, dass wenn von 28 Ländern in 21 rechte Parteien gewonnen haben, dann hört sich das gut an. Die Frage ist nur, ob jede Partei die Einwanderung ablehnt?
Es lohnt sich, unsere Aufmerksamkeit auf zwei Orte zu konzentrieren. Das eine ist das Europäische Parlament, wo sich die Dinge formieren, sich Fraktionen auflösen, zusammenschließen. Es entstehen jetzt Abgeordnetengruppen. Das neue Parlament hat sich ja noch nicht einmal zusammengesetzt, hier können sich also noch sehr viele Dinge ändern. Hiermit habe ich persönlich weniger zu tun, diese Arbeit werden dann die dorthin gewählten Damen und Herren Abgeordneten verrichten. Ich konzentriere meine Aufmerksamkeit darauf, welche Folgen die Wahlen für die Ministerpräsidenten haben bzw. für unser Gremium, das Europäischer Rat heißt. Einige Regierungen sind von der Wahl hinweggefegt worden. Weggefegt worden ist die britische Regierung, die österreichische, in Griechenland hat man die Wahlen ausgeschrieben, und meiner Ansicht nach werden in den kommenden ein-zwei Wochen noch die Knie von ein-zwei Regierungen einknicken, wenn sie die Ergebnisse auswerten. Interessant und lehrreich ist der Umstand, dass die führenden Parteien jener Länder am besten abgeschnitten haben, die seit Jahren kontinuierlich durch das Soros’sche System von Stiftungen, zivilen Organisationen und liberalem Mediennetzwerk attackiert worden sind. Hierbei stehen wir an erster Stelle mit unserem 53% beinahe erreichenden Ergebnis, aber da sind auch die Polen mit 46% und nach ihnen kommen die Italiener, unter der Leitung unseres Freundes, Herrn Innenminister Salvini. Und die Österreicher, denen man immer vorgeworfen hatte, dass eine Mitte-Rechts-Partei sich mit einer rechten Partei verbündet hat, was nicht in Ordnung sei. Also haben die Menschen das größte Vertrauen den Parteien, den führenden Parteien der am meisten kritisierten, am meisten attackierten, den durch diese liberale Mafia am häufigsten angegriffenen Länder ausgesprochen. Das ist eine sehr wichtige Lehre für Brüssel. Dies lohnt es sich auch dann dort draußen zu analysieren, und man muss daraus die Lehren ziehen, hierin auch die personellen Lehren mit inbegriffen.
Ja, aber in Brüssel pflegt man die unmittelbare Demokratie nicht derart hoch zu schätzen. Wie oft ist es ja auch im Falle Ungarns geschehen, dass man sagte: „Na gut, es hat eine Volksabstimmung gegeben. Und, was heißt da schon?“
Die Situation ist aber doch die, dass sich bei einer solchen Wahl herausstellt, wenn in den durch Brüssel am heftigsten angegriffenen Ländern die Menschen bei einer europäischen Wahl am einheitlichsten auftreten, dann sind diese Länder doch europäische Länder und europäische Nationen. Das kann man nicht in Frage stellen. Andererseits sprechen wir in Brüssel letztlich doch über ein westeuropäisches Zentrum eines Staatenbündnisses, und die Demokratie zählt, die Wählerstimmen zählen. Ich sage dies oder bestärke dies jetzt auch auf Grund meiner eigenen persönlichen Erlebnisse. Wir haben einen Respekt einflößenden Sieg errungen, und diesen Respekt hat Ungarn über mich, über meine Person in Form der mir ausgesprochenen Gratulationen erhalten. Es gab also keinen einzigen führenden Politiker eines europäischen Landes, der es nicht für wichtig gehalten hätte, persönlich zum Wahlsieg zu gratulieren, den ich nicht anders beschreiben kann als Respekt einflößend. Die ungarischen Menschen haben bei den europäischen Wahlen für sich den Respekt eingefordert und sie erhalten ihn auch.
Dieses Mandat, das die ungarische Regierung hier zu Hause erhalten hat, was bedeutete es am Dienstag, als sich die Regierungs- und Staatsoberhäupter das erste Mal zusammensetzten? Sie haben mit den V4 verhandelt, Gespräche mit Tusk, Präsidenten Macron geführt. Sicherlich war hier die oberste Frage jene der Auswahl der Person der Amtsträger.
Jetzt beginnt ein Ringen, bei dem es darum geht, welche führenden Politiker die EU in vier-fünf wichtigen Positionen in den kommenden fünf Jahren haben wird. Wir sprechen hier über die Europäische Kommission, die ein regierungsartiges vollstreckendes Organ der Europäischen Union ist. Wir sprechen über den Rat, den Rat der Präsidenten, die die Arbeit des Rates der Ministerpräsidenten organisierende Person. Wir sprechen über den Posten des Parlamentspräsidenten. Und es gibt einen so genannten herausragenden Vertreter der Europäischen Union, der die Europäische Union in der Welt der Außenpolitik vertritt. Und es gibt einen Posten, den manche aufwerten wollen, andere jedoch nicht, und das ist der Posten des Präsidenten der Europäischen Zentralbank. Es laufen also die Verhandlungen über die Verteilung dieser fünf Posten. Wir haben einen Schritt voran auf der am Dienstag bis spät in die Nacht hinein sich erstreckenden Besprechung getan. Wir haben deklariert, dass die durch die verschiedenen Parteien aufgestellten Spitzenkandidaten nicht automatisch Kandidaten für den Posten des Präsidenten der Kommission sind – laut den Ministerpräsidenten. Die Regel besagt, dass nur wir, also nur die Ministerpräsidenten, jemanden an die Spitze der Kommission nominieren können, der dann durch das Parlament angenommen werden muss. Wen wir also nicht nominieren, der wird auch nicht Kommissionspräsident. Hierüber haben wir unsere erste Debatte durchgeführt, und wir haben gesagt, dass es keinerlei Art von Automatismus gibt. Also wenn jemand im Laufe des Wahlkampfs Spitzenkandidat auf der Liste irgendeiner Partei war, bedeutet das noch nicht, dass wir ihn nominieren werden.
Akzeptiert dies auch Präsident Macron? Betrachtet auch er dies so als richtig?
Also ich bin nicht ermächtigt, im Namen anderer Erklärungen abzugeben, denn im Laufe solch einer Verhandlungsreihe pflegen sich die Meinungen zu ändern, und ich möchte niemanden in die Lage bringen, dass sich herausstellt, er hat in der Zwischenzeit seine Meinung geändert. Ich weiß jedenfalls, was im Interesse Ungarns ist. Ich bin schon ein ausreichend alter Hase dort im Brüsseler Dschungel oder im Brüsseler Wald, um zu wissen, was für ein Kommissionspräsident den Interessen Ungarns dienen würde. Hinzu kommt noch, dass auch meine Ermächtigung seitens der Menschen sehr eindeutig ist. Ich muss ja einen Kandidaten unterstützen, der die Einwanderung ablehnt, einen, der über eine nationale Gesinnung verfügt, also die europäischen Nationen respektiert. Und ich muss jemanden unterstützen, dem persönlich die christliche Kultur wichtig ist, und der bereit ist, diese zu verteidigen. Das ist ein imperatives Mandat. Und ich bin der Ansicht, dass die Menschen gesagt haben, man darf sich nur auf die Seite eines solchen Kandidaten stellen. Wir haben auch so einen Kandidaten in petto, nicht nur einen einzigen.
Herr Barnier?
Da wir erst am Anfang stehen, ist es noch zu früh, um über Namen zu sprechen. Wir nehmen teil an diesem Freistilringen, das um die Findung der Kandidaten, der richtigen Kandidaten veranstaltet wird. Das sollten die Menschen hier zu Hause in Ungarn vielleicht wissen, das wir nicht nur darüber reden, welches Gewicht Ungarn besitzt, obwohl auch das bedeutend ist, sondern man muss mit dem addierten Gewicht der V4, also der mitteleuropäischen Länder kalkulieren.
Kann man mit ihnen in dieser Angelegenheit einen Konsens erreichen?
Wir sind übereingekommen. Ich kann also sagen, dass das erste Kapitel meiner Gespräche am Dienstag das Treffen mit dem tschechischen, dem slowakischen und dem polnischen Ministerpräsidenten war, wo wir übereingekommen sind, einander in einigen Personalfragen die Hand zu reichen, zum einen Teil in Form negativer und zum anderen Teil in Form positiver Entscheidungen. Wir werden also hier im Laufe der Personalentscheidungen einheitlich sein. Wir möchten, dass es allen klar wird, dass jenes Zeitalter, in dem die Deutschen und die Franzosen – quasi eine Achse bildend – die wichtigen europäischen Fragen entschieden haben und dann die anderen Mitgliedsstaaten die Möglichkeit hatten, sich diesen Entscheidungen anzupassen, vorbei ist. Dieses Zeitalter ist vorbei, denn auf Grund seiner Wirtschaftsleistung und auch seiner guten Ergebnisse bei den jetzigen Wahlen ist die mitteleuropäische Ländergruppe, die V4, erschienen, die man mit dem gleichen Gewicht beachten muss wie die Franzosen und die Deutschen. Es wird eine lange Zeit dauern, bis wir unseren Platz an der Sonne werden erkämpft haben und wir auch bei allen Entscheidungen mit diesem Gewicht Beachtung finden werden. Doch jetzt bei den Personalentscheidungen beginnt dieser Prozess.
Das sind die wichtigsten Fragen, also die Entscheidung der Personalfragen. Danach wird sich entscheiden, zu welcher Parteienfamilie der Fidesz gehört? Wünscht die Europäische Volkspartei diese Mitgliedschaft oder nicht?
Noch davor wird es einen anderen wichtigen Augenblick geben. Im Schatten des Aushandelns der Kandidaten müssen die Ministerpräsidenten ein strategisches Drehbuch zusammenstellen, das „Strategische Agenda“ genannte Dokument, das die Ziele der kommenden fünf Jahre beinhaltet. Das war auch vor fünf Jahren so, ich habe also schon an solchen Diskussionen teilgenommen, ich weiß, wie das läuft. Das ist nämlich die Verfassung der Europäischen Union bzw. das sind ihre verfassungsartigen Verfügungen. Laut des Grundlagenvertrages bestimmen die Ministerpräsidenten die Richtung der europäischen Politik, deren wesentliche inhaltliche Elemente, und danach muss die Kommission diese Leitlinie vollstrecken. Gegenwärtig erwacht die Kommission von Zeit zu Zeit zum selbständigen Leben, und sie betrachtet sich selbst als ob sie das wichtigste Organ der Europäischen Union wäre, und ergreift eigenständig Initiativen, was das Recht der Ministerpräsidenten zur Bestimmung der politischen Leitlinie streitig macht. Auch hierfür habe ich schon Beispiele gesehen. Es gibt hier also eine Diskussion, der man für die vor uns stehenden fünf Jahre auf die Weise vorbeugen kann, dass wir am Anfang klarstellen, in welche Richtung die Europäische Union weiterschreiten muss. Da sitzen viele Arten von Ländern, viele Arten von Ministerpräsidenten, verschiedene Parteihintergründe, unterschiedliche Persönlichkeiten sitzen dort, von denen jeder etwas anderes über die Zukunft Europas denkt. Trotzdem müssen wir versuchen, ein Programm zusammenzustellen, das in der Lage ist, uns für die kommenden fünf Jahre zu vereinen. Auch diese Arbeit läuft. Das ist auch intellektuell spannend. Politisch ist es von großer Bedeutung, es hat auch auf Ungarn eine ernsthafte Wirkung, doch ist es auch im geistigen Sinne eine äußerst spannende Aufgabe. Das ist ein herausragend schöner Teil meiner Arbeit. Und wenn wir auch damit fertig sein werden, wenn wir also schon führende Politiker und ein die Leitlinie vorgebendes Programm haben werden, dann können die Parteienfragen kommen. Zum Beispiel jene, was mit der Europäischen Volkspartei, was mit den Sozialisten, was mit dem Fidesz geschehen wird. Hier hat sich also die Situation in der Europäischen Union herausgebildet, dass sich die Tendenz fortgesetzt hat – womit wir auch gerechnet haben –, nach der die Kraft der beiden die europäische Politik bisher bestimmenden großen Parteien abnehmen wird, also die Kraft der Volkspartei und die der Sozialisten. Früher sah das so aus, wenn die Sozialisten und die Volkspartei über etwas übereingekommen waren, dass alle nur soviel sagen konnten wie „jawohl“ oder „verstanden“ oder etwas Ähnliches. Und dann kam die Mehrheit im Parlament zustande. Doch jetzt gehen die Sozialisten und die Volkspartei vergeblich zusammen, auch den Fidesz zur Volkspartei zählend ergibt das keine Mehrheit. Das heißt in der Zukunft wird ein komplizierteres System der Absprachen und des Wirkens notwendig sein. In diesem sich jetzt umordnenden Planetensystem muss man dann den Platz des Fidesz festlegen. Wir gehen von dem Punkt aus, dass wir jetzt Mitglied der Volkspartei sind. Wir werden sehen, welche Richtung die Volkspartei im kommenden Zeitraum einschlagen wird, und ob wir sie werden beeinflussen können, ob dies den Interessen Ungarns und der ungarischen Menschen entspricht. Wenn ja, dann bleiben wir, wenn nicht, dann werden wir in einer neuen Formation Platz nehmen.
Wenn Sie schon die Umordnung erwähnt haben, hier, in Ungarn, scheint es nach den Wahlen zum Europäischen Parlament ebenso, als ob sich innerhalb der Opposition die Kräfteverhältnisse umordnen würden, und jene Situation hat sich eingestellt, in der die MSZP (Ungarische Sozialistische Partei) Gespräche mit der DK (Demokratische Koalition) initiiert, damit die beiden Parteien sich wieder vereinigen. Was ist Ihre Meinung darüber?
Es würde zunächst nicht von gutem Geschmack zeugen, wenn ich an dieser Stelle die Leistung der Oppositionsparteien bewerten würde. Ich gratuliere ihnen lieber nur zu ihrem Wahlergebnis. Das ist gut so, vielleicht kann ich mir soviel noch erlauben. Wir können sehen, dass es in Ungarn eher eine Stimmung zur Abwahl der Opposition gibt. Ich hatte auch schon in den vergangenen Jahren das Gefühl, dass die Anhebung des Minimallohns, die Schaffung von Arbeitsplätzen, die die Familien unterstützende Politik, der Nationalstolz, die Stärkung der Zusammengehörigkeit, politische Schritte der Regierung sind, die die Menschen unterstützen. Ich hatte es auch schon während des Wahlkampfes gespürt, dass natürlich der, der arbeitet, auch Fehler macht, und wir könnten auch viel besser sein als bisher, doch die Menschen haben trotzdem das Gefühl, dass die Regierung auf ihrer Seite steht, sich mit ihren Belangen beschäftigt, an der Einrichtung, am Aufbau eines Landes arbeitet, das ihrem Geschmack entspricht. Es ist wichtig, dass die Menschen vorankommen, Möglichkeiten erhalten. Die Menschen spüren also auch bei allen Fehlern, dass die Regierung an soetwas arbeitet. Ich habe nicht damit gerechnet, dass wir große Verluste erleiden würden, vielmehr habe ich insgeheim auf unsere Stärkung gehofft, und das waren jetzt die vierten Wahlen zum Europäischen Parlament und unser Ergebnis war viel stärker als das vor fünf Jahren. Wir sind also eher stärker geworden. Ich dachte daran, denn in jeder Demokratie muss man daran denken, was sein wird, wenn es diese Regierung nicht gibt, denn dann muss jemand an ihre Stelle treten. Das nennt man Opposition. Mit ihr sind die Menschen aber unzufrieden. Ich bin also der Ansicht, dass es eher eine Stimmung zur Ablösung der Opposition gibt, und diese Wahlen werden innerhalb der Opposition eine größere Umordnung verursachen. Aber wie und auf welche Weise, darüber erlauben Sie mir, bitte, lieber nicht zu reden, denn das ist nicht meine Sache. Das sehe ich mit Sicherheit, dass solche Kräfte jetzt eine größere Unterstützung erhalten haben, mit denen ich schon genug gerungen habe…
Sie sind noch bestens bekannt.
… in den vergangenen dreißig Jahren. Wegen ihnen haben uns und persönlich auch mich die ungarischen Menschen zurückgerufen. Ich habe ja schon Wahlen in Ungarn verloren und auch der Fidesz hat die Wahlen 2002 verloren, als die Menschen etwas Besseres wollten als das, was wir geboten haben. Und dann haben sie uns 2010 doch zurückgerufen. Das ist nicht zufällig geschehen, nicht wir sind schöner oder jünger geworden, das pflegt nicht so zu geschehen. Sie haben uns zurückgerufen, weil in der Zwischenzeit jene das Land kaputtgemacht hatten, denen man das Regieren anvertraut hatte. Und jene politischen Kräfte, die das Land kaputtgemacht, die Staatsverschuldung verdoppelt, die Menschen in die Arbeitslosigkeit getrieben, die Menschen in die Schuldenfalle in Fremdwährungen gelockt, die Rente und einen Teil der Löhne weggenommen hatten, sind auf der oppositionellen Seite erstarkt. Nun, wie auch immer, so haben die oppositionellen Wähler entschieden. Das soll ihre Entscheidung sein.
Mihály Varga hat einen aus 13+1 Punkten bestehenden Aktionsplan zum Schutz der Wirtschaft angekündigt, weil die Regierung darüber entschieden hat. Nachdem die Daten für das erste Quartal so gut waren, ist dies deshalb notwendig, damit wir dieses gute Ergebnis auch in dem Fall bewahren können, wenn die Dinge in der europäischen Wirtschaft nicht so gut laufen wie hier in dieser Region?
Es gibt zwei Gründe dafür, dass die Regierung einen Aktionsplan zum Schutz der Wirtschaft auf der Sitzung am Mittwoch annehmen musste. Der erste ist, dass während sich die Leistung der ungarischen Wirtschaft verbessert und an Geschwindigkeit zunimmt – auch unser Wachstum ist hoch –, in Europa zugleich eine Verlangsamung zu beobachten ist; dort nimmt das Maß des Wirtschaftswachstums also ab, langsam hört es auf. Die ungarische Beschleunigung erfolgt in einem sich verlangsamenden europäischen Wirtschaftsraum. Da wir ein Teil dieses Raumes sind, wir verkaufen hier unsere Waren, unsere Dienstleistungen, von Zeit zu Zeit auch unsere Arbeitskraft, wird also der Zustand dieses Umfeldes, dieses Wirtschaftsraumes in irgendeiner Form früher oder später, auf direkte oder indirekte Weise, gedämpft oder nicht, aber er wird auf die Möglichkeiten der ungarischen Wirtschaft wirken. Und da wir das Gefühl haben, in einer guten Verfassung zu sein, die Menschen arbeiten, der Minimallohn, der Durchschnittslohn wächst, und ich sehe, dass die Menschen daran glauben, ihre Arbeit habe einen Sinn, sie wollen vorankommen. Sie wollen über die Arbeit zurechtkommen. Das ist nicht immer so in Ungarn. Es gibt also jetzt ein Entwicklungspotenzial, eine Kraftressource für die Entwicklung in der ungarischen Wirtschaft. Damit diese erhalten bleiben, zum Ausdruck kommen kann, hierzu müssen wir jetzt einige Veränderungen durchführen. Das ist der erste Grund für den Aktionsplan zum Schutz der Wirtschaft. Der zweite ist der, dass in Brüssel nacheinander in der Regel wirtschaftliche Entscheidungen getroffen werden, jedenfalls bisher getroffen worden sind, die für die ungarische Wirtschaft ausgesprochen unvorteilhaft sind, was wir jetzt nach den Wahlen hoffentlich werden ändern können. Auch wegen der schlechten Brüsseler wirtschaftspolitischen Entscheidungen benötigen wir einen Aktionsplan zum Schutz der Wirtschaft, um die Wachstumsmöglichkeiten der ungarischen Wirtschaft bewahren zu können. Deshalb finden sich in diesem Aktionsplan am ehesten Entscheidungen, die das Wachstum unterstützen. Ihn haben wir vielleicht gestern schon vorgestellt, er besteht aus 13+1 Punkten. Es handelt sich um einen Aktionsplan, der Investitionen und Steuersenkungen beinhaltet.
Es gibt Experten, die sagen, dies könne – wenn auch nicht in allzu großen Schritten – die kleinen und die mittleren Unternehmen unterstützen, denn letztlich sind vielleicht gerade sie darauf angewiesen, dass man ihre Wettbewerbsfähigkeit erhöhen kann.
Wir müssen uns gleichzeitig zwei Dinge vor Augen halten. Ich sage es in Klammern, diesen Aktionsplan zum Schutz der Wirtschaft, dessen Zusammenstellung auch eine geistige Anstrengung erforderte, ist dies doch eine Reihe von ernsthaften wirtschaftspolitischen Entscheidungen, dies musste im Schatten des Wahlkampfes erfolgen. Die hinter uns stehenden letzten zwei-drei Monate haben uns, mich persönlich auch, sehr in Anspruch genommen, denn man musste einen Wahlkampf führen, man musste auf die europäischen Angelegenheiten achten, und zugleich musste man schön in aller Stille mit dem Herrn Finanzminister und den betroffenen Mitgliedern der Regierung an einem kompletten Aktionsplan zum Schutz der Wirtschaft arbeiten, der sich sowohl in der Wirklichkeit und auch in der politischen Debatte bewähren kann. Wir müssen uns also zwei Dinge vor Augen halten. Einerseits sind wir darauf angewiesen, dass auch die modernste Technologien beinhaltenden Investitionen, ausländische Investitionen in Ungarn getätigt werden. Wer nicht an dem Wettbewerb um die Aufnahme des die Produktion und die Entwicklung auf hohem Niveau vollziehenden Kapitals teilnimmt, denn dieses Kapital bewegt sich von einem Ende zum anderen Ende der Welt global, wer hier nicht in der Lage ist, derartiges Wissen, solche Investitionen zu sich zu locken, der gerät in dem Wettbewerb in Nachteil. Solche Länder reihen sich weiter hinten ein, ihre Entwicklung verlangsamt sich, dort werden im kommenden Zeitraum die Menschen mit Sicherheit unter schlechteren Bedingungen leben. Wir müssen also am Wettbewerb um die die moderne Technologie verkörpernden Investitionen teilnehmen. Darunter gibt es natürlich auch schon ungarische, doch in der überwiegenden Mehrheit sind das noch ausländische. Doch zugleich dürfen wir nicht vergessen: Wir sind die ungarische Regierung, das hier ist Ungarn. Wir müssen also dennoch die ungarischen Klein- und mittleren Unternehmen an erster Stelle unterstützen. Deshalb suchen wir nach jenen Instrumenten, mit denen wir die ungarischen Unternehmen unterstützen können, denn die ungarischen Unternehmen sind ja in Ungarn tätig, geben ungarischen Menschen Arbeit und tragen auf diese Weise zum Einkommen der ungarischen Familien bei. Deshalb finden sich im Aktionsplan zum Schutz der Wirtschaft zahlreiche Maßnahmen dieser Art. Zum Teil Steuersenkungen für die Klein- und mittleren Unternehmer, zum Teil erhöhen wir die Steuerbegünstigung der Entwicklungen. Wir haben zum Teil in inner- und außerhalb der Agrarwirtschaft tätige Garantiefonds bedeutenderes Kapital platziert, die dann von hier aus, über die Garantie für die durch die Klein- und mittleren Unternehmen aufgenommenen Kredite die Entwicklung der ungarischen Wirtschaft unterstützen können. Die ungarische Wirtschaft soll doch letztlich eine ungarische Wirtschaft sein. Wir sollen uns in die Weltwirtschaft integrieren, auch die ausländischen Firmen sollen sich in die ungarische Wirtschaft integrieren, doch sollen die erstrangigen Profiteure des Wirkens der ungarischen Wirtschaft letztlich die ungarischen Menschen sein. Und diese können in erster Linie über die Erstarkung der Klein- und mittleren Unternehmen einen größeren Teil der Entwicklungsmöglichkeiten des ungarischen Wirtschaftswachstums an sich ziehen. Und natürlich machen wir jetzt noch eine Sache, wir werden eine spezielle Staatsanleihe ausgeben, eine Staatsanleihe Plus, deren Zinsen höher liegen als früher und die ausgesprochen von ungarischen Privatpersonen gekauft werden kann. Außerdem ist sie auch flexibel, denn der Ungar vertraut dem Staat einerseits und er vertraut ihm andererseits auch nicht. Er möchte also von ihm mehr Geld bekommen, aber wenn möglich und wenn es Probleme gibt, dann will er aus den mit dem Staat getroffenen finanziellen Abkommen aussteigen – so sind wir eben. So eine Anleihe muss also gleichzeitig flexibel sein und eine hohe Rendite bieten. Doch dies bedeutet, bei den Menschen ist jetzt Geld. Alle Daten weisen darauf hin, dass die Menschen nach Möglichkeiten suchen, wo sie ihre Ersparnisse anlegen sollen, und wir empfehlen ihnen jetzt, in dieser Aktion ungarische Staatsanleihen zu kaufen. Und hier werden sie anständige Zinsen erhalten, ihr Geld wird in Sicherheit sein und dabei wird die ganze Gemeinschaft davon einen Vorteil haben, denn wenn wir die ungarische Staatsverschuldung nicht aus dem Ausland und nicht durch Banken finanzieren müssen, sondern wir selbst, wir ungarische Menschen das Geld für die Tätigkeit des Staates auf die Weise zusammenlegen, dass zugleich im Übrigen auch die Menschen einen Vorteil davon haben, da sie Zinsen nach ihrem Geld bekommen, dann profitieren am Ende davon alle, sowohl die Gemeinschaft als auch die ungarischen Familien. Also starten wir solch eine Staatsanleihe. Wir haben uns für eine ziemlich ernsthafte Reklamekampagne entschieden, damit man in jedem Haushalt über diese Möglichkeit Bescheid weiß, denn hier wird man auch in geringerer Anzahl Staatsanleihen kaufen können, als man es von früher her kennt.
Wir haben noch eine Minute. Eine sehr wichtige Frage ist, dass durch diese Erleichterungen, durch die Steuersenkungen auch die Einnahmen des Landes abnehmen. Also im Klartext: Wird der ungarische Haushalt, den sie in Kürze vorlegen werden, diese Erleichterungen aushalten?
Das ist eine gute Frage, doch begleitet sie das Wirken der Regierung von Anfang an, denn wir sind ja die Regierung der Steuersenkungen, und auch 2010, als es große Probleme in der ungarischen Wirtschaft gab, sie war ja praktisch zusammengebrochen, da haben wir Steuersenkungen durchgeführt. Damals sagte die Opposition, dies würde die ungarische Wirtschaft doch nicht aushalten. Und ich sage, wenn wir die Steuersenkungen richtig durchführen, dann gibt es natürlich immer eine Übergangszeit, einige Monate, ein-zwei Jahre, die schwieriger sind. Jetzt wird dies meiner Ansicht nach ein Zeitraum von einigen Monaten sein, und wenn wir jene Gebiete richtig ausgewählt haben, die wir mit der Steuersenkung ins Visier nehmen, wenn diese Steuersenkungen die Wettbewerbsfähigkeit des Landes verbessert haben, dann wird nach einigen Monaten auch die Gemeinschaft, der Haushalt über die geringeren Steuern größere Einnahmen haben als zuvor mit den höheren Steuern. Dies ist aus dem Grunde so, weil die Menschen stärker einer Wirtschaft vertrauen, aktiver in einer Wirtschaft sind, in der sie sehen, dass die Steuern geringer sind. Wo die Steuern höher sind, dort versuchen sie sie natürlich zu verheimlichen, die Steuerbehörde auszutricksen und sie ziehen sich in die Grauzonen zurück. Andererseits ist auch das Vertrauen geringer. Ich bin also der Ansicht, jetzt können die Menschen der ungarischen Wirtschaft vertrauen. Diese Steuersenkungen können innerhalb von ein-zwei Monaten auch zu spektakulären Ergebnissen führen, wenn wir es gut machen, und nachdem wir es bisher schon einige Male gut gemacht haben, warum könnten wir nicht daran glauben, dass es so sein wird? Und wenn es so sein wird, dann erreichen wir unser Ziel, das nichts anderes ist, als dass die Wachstumsrate der ungarischen Wirtschaft das Wachstum innerhalb der Europäischen Union plus zwei Prozent betragen soll. Das ist eine ambitionierte Zielsetzung, doch ich halte sie für erreichbar.
Vielen Dank. Sie hörten Ministerpräsident Viktor Orbán.