Viktor Orbáns Rede am Tag der Nationalen Zusammengehörigkeit
4. Juni 2019, Sátoraljaújhely

Ich wünsche allen einen guten Tag!

Ich begrüße die Leiter des Rákóczi Verbandes, besonders meinen väterlichen Freund Jóska Halzl, und ich begrüße recht herzlich die ungarischen Jugendlichen von überall her aus dem Karpatenbecken und aus allen Teilen der Welt.

Liebe Jugendliche!

Ich bedanke mich dafür, hier sein zu dürfen, und dass Ihr in dieses Lager gekommen seid. Es sind viele unter Euch, die aus den vor 99 Jahren unserer Heimat entrissenen Landesteilen hierher gekommen sind, und es gibt auch solche, die aus ganz fernen Teilen der Welt, aus einer anderen Heimat kommen, in die einst Eure Großeltern oder Urgroßeltern ausgewandert sind. Deshalb ist es das erste und wichtigste, was Ihr wissen müsst: Woher Ihr auch immer gekommen seid, in Ungarn seid Ihr zu Hause, Ungarn ist auch Euer Zuhause. Ihr seid auf vielerlei Wegen hierher, nach Sátoraljaújhely, gekommen, aber ich bin der Ansicht, dass es trotzdem eine gemeinsame Sache gibt, die Euch an diesen Ort geführt hat. Ihr habt etwas von der Welt begriffen, was im Leben eines jungen Menschen entscheidende Bedeutung besitzt. Ihr habt verstanden, dass jene Bande, die uns alle mit unser aller großen Familie, der ungarischen Nation verbinden, ein junges Leben viel größer, spannender und vollkommener machen. Uns, die wir hier sind, verbindet, dass wir die gemeinsamen Erben der weltweit bekannten Leistungen der Ungarn sind, die unsere Vorfahren hier, im Karpatenbecken, und weltweit im Bereich der Kultur, der Wissenschaft, der Wirtschaft und des Sports erbracht haben. Und dieses Erbe gehört uns allen, allen Ungarn, wo immer sie auch in der Welt leben sollten. Seid stolz darauf, bewahrt es, fügt Euren eigenen Anteil hinzu, gebt es dann auch an Eure Kinder weiter.

Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Es ist neun Jahre her, dass wir beschlossen hatten, der dunkelste Tag unserer nationalen Geschichte solle nicht nur erdrückend sein, sondern er soll auch Kraft geben, soll uns einander näher bringen. Seit 2010 hat sich der Jahrestag von Trianon vom Trauertag der Trennung des Ungarntums in Teile zum Gedenktag der Nationalen Zusammengehörigkeit erhoben. Vor 99 Jahren hat man die Glocken erklingen lassen. Sie erklangen für uns, für unser Erhaltenbleiben. Ihre Botschaft war, dass wir trotz des brutalen Friedensdiktats leben wollen, dass wir als Ungarn leben wollen, und wir werden danach streben, die rechtlichen, kulturellen und wirtschaftlichen Bedingungen unserer nationalen Zusammengehörigkeit zu schaffen. Was einst ungerecht war, das bleibt es auch bis zum Ende aller Zeiten. Die Zeit heilt Wunden, aber nicht die Amputation. Die vergangene Zeit hat nichts an der Tatsache geändert, dass das, was sich vor 99 Jahren ereignet hat, keine Verhandlung, sondern ein Diktat, eine Bestrafung war, die man uns wegen der Kriegsniederlage auferlegt hat. Hinter der Entscheidung stand keinerlei moralische Überlegenheit der Sieger, nur ihre Übermacht. Sie bestraften Millionen von Menschen, die gegangen waren, weil ihre Heimat sie gerufen hatte. Sie konnten nichts dafür, dass sie in einem Krieg kämpfen mussten, in dem es keine gute und in dem es keine gerechte Seite gab. Was vor 99 Jahren geschah, darüber hat die Geschichte bereits ihr Urteil gesprochen. Die von oben herab, ganze Nationen strafenden Entscheidungen der Sieger haben nicht die Saat der Freiheit, nicht jene des Friedens in Europa gesät, sondern die neuer Feindschaften, von Diktaturen und späterer Kriege. Hintereinander wurden wir von den Faustschlägen des Nationalsozialismus und dann des Kommunismus getroffen, die durch das Friedensdiktat vorbereitet worden waren. Und nach dem Zweiten Weltkrieg warfen sie ganz Mitteleuropa und alle Völker dieser Region der Sowjetunion und der kommunistischen Weltordnung vor die Füße. Jene, die uns besiegten, erhielten das zur Belohnung, was wir als Strafe bekamen. 99 Jahre nach Trianon können wir, Ungarn, zu Recht aufrecht stehen. Wir sind noch da. Wir haben das getan, was Széchenyi im 19. Jahrhundert empfohlen hatte: Wir haben aus den Steinen, mit denen man uns beworfen hat, eine Treppe erbaut. Hier sind wir in der Mitte Europas – trotz der Zerrissenheit, der Kriege und der Diktaturen. Und wir haben diesen Zeitraum nicht nur überlebt, sondern wir sind auch die zahlenmäßig größte Nation des Karpatenbeckens.

Sehr geehrte Gedenkende!

Unsere wirtschaftliche, kulturelle und militärische Kraft nimmt von Tag zu Tag auf spektakuläre Weise zu. Es ist an der Zeit, diese zu nutzen. Die Frage ist nur, zu welchem Zweck wir sie nutzen sollen? Meine Antwort, die Antwort der Regierung und der hinter der Regierung stehenden Millionen lautet: Wir müssen unsere Kraft im Interesse der Kooperation der mitteleuropäischen Völker einsetzen. Wir wollen mit unseren Nachbarn zusammenarbeiten, und wer mit uns zusammenarbeitet, der hat einen Vorteil davon. Die hundert Jahre ungarischer Einsamkeit sind vorbei. Wir haben die Wege gefunden und die Chancen genutzt, die uns zueinander führen. Das war ein schwieriger Weg, voller Hindernisse und voller Misstrauen, doch heute befinden wir uns schon meilenweit von dem Punkt, von dem aus wir vor dreißig Jahren, als wir uns aus der sowjetischen Welt befreit hatten, losgegangen waren.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Jugendliche!

Ihr könnt Euch das vielleicht nur mehr schwer vorstellen, aber als ich so alt war wie Ihr jetzt, waren solche Lager ausgeschlossen. Damals schwieg man in den Schulen darüber, dass wenn man in welche Richtung auch immer die ungarischen Grenzen überquert, man dort ebenfalls auf ungarische Menschen treffen wird. Und heute sind wir an dem Punkt angelangt, dass es erneut eine natürliche Sache ist, wenn ungarische Jugendliche aus dem Oberland, aus Siebenbürgen, aus der Karpatenukraine, aus dem Banat und der Batschka sowie aus der Diaspora heute gemeinsam über ihre gemeinsame Zukunft nachdenken. Früher war dies nur der verwegene Traum mutiger Patrioten. Vor dreißig Jahren haben diese mutigen Patrioten den Rákóczi Verband gegründet, und damit begann eine vollkommen neue Zeitrechnung in der ungarischen Politik. Die Gründer wünschten, dass nach dem Zeitalter der Zerrissenheit und der Verstreuung jenes der Vereinigung und des Aufbaus der Nation im Leben des Ungarntums beginnen möge.

Liebe Jugendliche!

Dieser Boden, auf der wir jetzt stehen, war das Gut von Ferenc Rákóczi II, einem der größten Ungarn, der sich gegenüber den fremden Mächten auf die Seite der Ungarn, auf die Seite der in ihrer eigenen Heimat in den Hintergrund gedrängten Ungarn stellte. Er ordnete alles diesem Ziel unter: Sein gesamtes Vermögen, alle seine Güter, seinen Rang, seine Ehre und selbst sein eigenes Leben. Und dieses Ziel ließ er auch auf seine Fahnen sticken. „Cum Deo pro patria et libertate! Mit Gott für die Heimat und die Freiheit!“ Dies war die Zusammenfassung seines familiären Erbes. Mission und Dienst. Die Hinterlassenschaft der Siebenbürger Fürsten und der die Grenzfesten in der Region der Drau verteidigenden Burgkapitäne. Auf Gottes Hilfe vertrauend für eine freie und ungarische Heimat kämpfen und arbeiten. Dies ist ein Gebot, dass bis heute verpflichtet. Diese Arbeit wartet auch auf Euch. Bereist die Welt, sammelt viele-viele Erfahrungen, und vergesst nie, dass Eure Heimat Euch zurückerwartet. Tragt mit Eurem Talent und Eurer Arbeit zur großen gemeinsamen Leistung der Ungarn bei. Es soll in Euch keinerlei Zweifel sein: Gemeinsam werden wir erneut große, stark, erfolgreich und Sieger sein.

Vorwärts Ungarn!